4.32. Preisgrenzen und Festsetzungskompetenz

Im Rahmen des IPOs ist die Ermittlung eines marktnahen Emissionspreises, idealerweise nahe am Fair Value des Unternehmens, eine der wichtigsten Aufgaben. Dies wird in den meisten Fällen durch eine Kombination aus analytischer Corporate-Finance-Bewertung und frühzeitiger Indikation durch Investoren gewährleistet. Da Emissionen allerdings i. d. R. eine Kapitalerhöhungs- und eine Umplatzierungskomponente haben und die Auffassungen über den „Fair Value“ bei den Beteiligten oft auseinandergehen, stellt sich die Frage nach Preisgrenzen und der Preisfeststellungskompetenz.

IPO und Kapitalerhöhung

Im Rahmen des IPOs erfolgt die Preisfestsetzung über Bewertungsmodelle und Investorenfeedback und bei notierten Unternehmen über eine an den Aktienkurs geknüpfte Berechnung, die auch den Wert des Bezugsrechtes determiniert.

Bei Kapitalerhöhungen ist als wesentliche Preisuntergrenze der Nennwert der Aktien zu beachten. Im Fall einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts darf zudem der Börsenpreis nicht wesentlich unterschritten werden, wobei als wesentlich nach herrschender Meinung über 5 % gilt. Bei Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht wird die Untergrenze vom Risikoappetit des Bankenkonsortiums bestimmt. Exogen vorgegebene Obergrenzen gibt es keine, da diese vom Markt bestimmt werden.

Eine Kapitalerhöhung betrifft die Ebene der Gesellschaft, so dass der Vorstand Preisfestsetzungskompetenz dokumentieren sollte. Im durch den Aufsichtsrat vorgegebenen Rahmen erfordert dies jedoch sowohl bei Kapitalerhöhungen im Rahmen eines IPOs als auch bei sonstigen Kapitalerhöhung nicht zwingend die absolute Festlegung einer Preisuntergrenze. Die Mitsprache und Sicherstellung eines objektivierten Verfahrens wie z.B. des Bookbuilding wird als hinreichende Dokumentation der Preisfeststellungskompetenz angesehen.

IPO und Umplatzierung

Im Rahmen von Aktien-Platzierungen aus dem Gesellschafterbestand gibt es keine exogen vorgegebenen Preisunter- oder Obergrenzen. Diese werden grundsätzlich durch den Markt vorgegeben und lassen sich im Rahmen des Bookbuilding näherungsweise über die Preis-Absatz-Funktion ermitteln. Je nach allgemeiner Kapitalmarkt-Situation und den individuellen Gegebenheiten sind bei größeren Platzierungen Discounts, aber auch Prämien zum aktuellen Börsenkurs möglich. Die Preisfestsetzungskompetenz liegt letztendlich bei den verkaufenden Gesellschaftern, die die Marktpreise akzeptieren oder ablehnen können.


Autoren: Dr. Jochen Grossmann / Michael Schatzschneider
PDF: Preisgrenzen und Festsetzungskompetenz