Das Finden eines für den Verkäufer und den Käufer fairen Unternehmenswertes ist das Ziel des gesamten Bewertungs- und Preisbildungsprozesses. Selbst wenn diese Win-win-Situation oft nur kurzfristig Bestand hat, hilft die Wahl der geeigneten Preisbildungsverfahren, das Platzierungsrisiko zu minimieren. Eine misslungene Platzierung auf Basis einer schon veröffentlichten Preisspanne führt oft zu einer nachträglichen Senkung der Preisspanne und ggf. zu einer Kürzung des Angebots. Das in Deutschland bis in die 90er Jahre dominierende Festpreisverfahren wurde weitgehend durch das Bookbuilding verdrängt. Reine Auktionsverfahren konnten sich für IPOs in Deutschland bislang nicht durchsetzen.
Festpreisverfahren
Im Festpreisverfahren werden die Aktien den Investoren zu einem festgelegten Platzierungspreis zur Zeichnung
angeboten.
Der Platzierungspreis wird zwischen dem Bankenkonsortium und dem Emittenten vereinbart und orientiert sich in der Regel am berechneten Fair Value. Je nach Einschätzung des Kapitalmarktes, des Sektors und der Peergroup wird zudem ein „Platzierungsanreiz“ in Form eines Discounts zum Fair Value festgelegt. Das Festpreisverfahren dominierte bis in die Mitte der 90er Jahre in Deutschland. Über den „Platzierungsanreiz“ wurde zwar auch im Rahmen des Festpreisverfahrens das Investorenfeedback in die Preisbestimmung aufgenommen, die Preis-Flexibilität war jedoch nach Festlegung und Veröffentlichung des Platzierungspreises nicht mehr vorhanden. Heute ist das Festpreisverfahren bei IPOs die Ausnahme und eher auf kleinere Emissionen begrenzt.
Klassisches Bookbuilding
Im Bookbuildingverfahren werden die Aktien nicht zu einem bestimmten Platzierungspreis angeboten, sondern
die Investoren werden eingeladen, Zeichnungsaufträge innerhalb einer bestimmten Preisspanne abzugeben.
Auf diese Weise erhält das Bankenkonsortium eine Preis-Absatz-Funktion zur Bestimmung eines möglichst “fairen“ Zuteilungspreises. In der klassischen Variante folgt auf die bis zu zwei Wochen dauernde Investor Education eine ein bis zwei Wochen dauernde Management Roadshow, die zeitlich mit der Zeichnungsfrist identisch ist. Die genauen Fristen werden vom Bankenkonsortium und dem Emittenten in Abhängigkeit vom Volumen, der Platzierungs- Strategie und der Marktsituation festgelegt. Insbesondere aufgrund der Marktnähe und der Flexibilität ist das Bookbuilding inzwischen auch in Deutschland das Standardverfahren für IPOs und Umplatzierungen.
Decoupled Bookbuilding
Diese Variante des Bookbuilding wurde in Deutschland beim IPO der Conergy AG erstmalig angewendet, um der
hohen Volatilität der Kapitalmärkte möglichst gut Rechnung zu tragen. Im Decoupled Bookbuilding verschmelzen
die Investor Education und die Management Roadshow zeitlich bis zu einem gewissen Grad, während die Zeichnungsfrist auf einen möglichst kurzen Zeitraum am Ende der Management Roadshow gelegt wird. Bei
IPO-Projekten beginnt die Zeichnungsphase mit der Veröffentlichung der Preisspanne und dauert i. d. R. mindestens drei Tage. Bei Umplatzierungen kann die Zeichnungsfrist auch auf wenige Stunden beschränkt sein. Im Rahmen des Decoupled Bookbuilding können Investoren die verfügbaren Informationen und ihren Eindruck vom Management für ihre Investitionsentscheidungen zeitnahe berücksichtigen. Der Einfluss möglicher exogener Kursrisiken wird minimiert.
Auktionsverfahren
Das reine Auktionsverfahren kann als eine extreme Form des Bookbuilding gesehen werden und ist ausschließlich auf die Erlösmaximierung bei dem Emittenten ausgerichtet. Im Rahmen der Auktion können Investoren bestimmte Mengen zu bestimmten Preisen zeichnen. Analog zur Preisbildung am Aktienmarkt wird ausgehend von dem höchsten Gebot die Emission so lange der Nachfrage zugeteilt, bis die Platzierung abgeschlossen ist. Der Preis, bei dem die ganze Emission platziert ist, wird anschließend als Emissionspreis gewählt. Strategische Überlegungen bezüglich gewünschter Investorenprofile, Sekundärmarktstabilität etc. werden im Auktionsverfahren ausgeklammert. Das reine Auktionsverfahren konnte sich bislang nicht durchsetzen.
Autoren: Dr. Jochen Grossmann / Michael Schatzschneider
PDF: Preisbildungstechniken (Überblick)