4.28. Festpreisverfahren

Vereinzelt werden als Vorteile des Festpreisverfahrens angeführt:

  • Berechenbarkeit des Emissionserlöses (Hard Underwriting)
  • Ausrichtung am „Fair Value“ des Unternehmens
  • Geringere Komplexität

Als Nachteile des Festpreisverfahrens gelten insbesondere:

  • Bei „Hard Underwriting“: hohes Platzierungsrisiko oder hohe Preisabschläge
  • Bei „Best Effort“-Transaktionen: hohes Mittelzufluss-Risiko aus Sicht des Emittenten
  • Geringe Marktnähe und Flexibilität

Emittentensicht

Die Vorstellung eines berechenbaren Emissionserlöses ohne Platzierungsrisiko ist sicherlich verlockend, in der Praxis allerdings unrealistisch.

Im Rahmen von „Hard Underwriting“-Transaktionen garantiert das Bankenkonsortium die Platzierung und nimmt ggf. die Aktien auf das eigene Buch. In der Regel werden dabei hohe Abschläge zum rechnerischen Unternehmenswert gefordert, um das bankeigene Platzierungsrisiko zu minimieren. Der Emittent wird in dieser Konstellation höchstwahrscheinlich „Emissionserlös“ verschenken. Aufgrund der geringen Marktnähe ist das Risiko einer nicht marktgerechten Preisfestsetzung und damit auch das Risiko einer Transaktionsverschiebung latent.

Bei sogenannten „Best Effort“-Tranksaktionen ist für den Emittenten ein Platzierungserfolg von null bis zu vollständiger Platzierung möglich. Es gibt keine Garantie für den Emissionserlös. Da bei vielen Transaktionen kein „Hard Underwriting“ angeboten wird, ist eine marktnahe Preisfeststellung von kritischer Bedeutung. Das Festpreisverfahren kann dies nicht leisten.

Bankensicht

Nach üblicher Risk/Return-Abwägung gibt es aus Bankensicht keine Vorteile im Festpreisverfahren. Zum Zeitpunkt der Preisbildung haben der Investment-Banking-Bereich, die Research- und Sales-Abteilungen bereits in erheblichem Umfang Zeit und Arbeit in das Projekt investiert. Es gilt daher, das Platzierungsrisiko zu minimieren und die Trankaktion erfolgreich abzuschließen.

Bei Kleinsttransaktionen werden vereinzelt dennoch „Best Effort“-Festpreisplatzierungen angeboten, um den Transaktionsaufwand zu minimieren. Bei Banken mit Kapitalmarkterfahrung und entsprechender Infrastruktur sollte der unterschiedliche Aufwand zwischen Festpreis und Bookbuilding allerdings vernachlässigbar sein und nicht über die Wahl des Platzierungsverfahrens entscheiden. Aufgrund gesetzlicher Vorschriften wird bei Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht weiterhin das Festpreisverfahren angewendet, allerdings inzwischen mit zahlreichen und kreativen Modifikationen.

Investorensicht

Investoren bilden sich im Rahmen der Investor Education und der Management Roadshow eine Meinung über den Wert und die Perspektiven des Unternehmens. Zugleich fließen permanent makroökonomische Parameter sowie sektorspezifische und Capital-Allocation-Aspekte in die Investmententscheidung ein. Der Preisbildungsprozess in einem IPO ist damit ein sehr komplexer und sensibler Vorgang. Investoren bevorzugen verständlicherweise ein Preisbildungsverfahren, das hohe Flexibilität bietet. Diesem Anspruch kann das Festpreisverfahren nicht gerecht werden. Die Berechnung des Fair Value in den Researchstudien kann bei umfangreichem Newsflow und Bewertungs-Verschiebungen schnell veraltet sein. Zudem können sich insbesondere in volatilen Marktphasen die Risikoprämien, Markteinschätzungen und damit die Attraktivität des IPOKandidaten schnell ändern.


Autoren:Dr. Jochen Grossmann / Michael Schatzschneider
PDF: Festpreisverfahren