Eine Technical Due Diligence wird in der Regel durch eine Betriebsbegehung eingeleitet. Sie ist in jedem Fall wichtig, um ein lebendiges Bild von dem zu untersuchenden Unternehmen zu erhalten. Hier können erste Eindrücke gewonnen werden über die Effektivität des Produktionsablaufes, über die Sorgfalt, mit der die Produktion durchgeführt wird, aber auch über deutliche Schwachstellen im Betrieb, deren Beseitigung erhebliche Kosten verursachen wird.
Die Beschreibung der Produktionsanlagen wird in einem umfassenden technischen Organigramm bzw. einem Werksplan enthalten sein. Für die Einschätzung der Substanz des Betriebes sollten Auskünfte über das Alter der Produktionsanlagen eingeholt werden.
In einzelnen Fällen kann die Frage nach der Betriebsgenehmigung und deren Dauer für die weitere Existenz des Unternehmens von entscheidender Bedeutung sein. Hier ist insbesondere an eine Versagung wegen einer umweltgefährdenden Produktion oder einer erheblichen Immissionsbelastung zu denken. Erste Ansätze für eine solche Problematik können sich bereits bei der Betriebsbegehung und der Betrachtung der unmittelbaren Nachbarschaft des Unternehmens ergeben.
Produktionskapazität
Die Zusammenstellung der Produktionsmengen der letzten Jahre und deren Entwicklung werden zu Aussagen über die Produktionskapazität des Unternehmens führen. Hier lassen sich möglicherweise bereits technische Grenzen feststellen, die dazu führen, dass das Erreichen bestimmter Umsatzgrößen in der Planung der Gesellschaft als nicht plausibel eingeschätzt werden kann.
Bei einer Kapazitätsausweitung durch die Einbindung neuer Maschinen muss eine bestimmte Zeit für die Inbetriebnahme und eventuelle Störungen in der Produktion eingeplant sein. Diese Zeit wird von Hersteller zu Hersteller verschieden sein und hängt auch von der Qualität der bestellten Maschinen ab. Soweit in der Planung von Änderungen des Produktionsverfahrens ausgegangen wird, sind ähnliche Maßnahmen in der Vergangenheit auf die Effektivität der Durchführung zu betrachten. Entsprechende Änderungen sind durch Wirtschaftlichkeitsrechnungen und Alternativüberlegungen vorzubereiten, denen die Frage nach den Absatzmöglichkeiten der zusätzlichen Produktmengen vorhergehen muss.
Für die wirtschaftliche Beurteilung ist auch die Kapazitätsauslastung der letzten Jahre von Bedeutung. Sie dient der Vorbereitung einer Break-even-Analyse.
Produktionsablauf und Qualitätskontrolle
Die Beschreibung des Produktionsverfahrens mit einer Einstufung in die verschiedenen Verfahren der Einzelfertigung, Serienfertigung oder Massenfertigung erlauben Aussagen zur Technologie und Modernität im Vergleich zu den Wettbewerbern. Kritisch ist bereits, wenn es keine ausreichende Dokumentation des Produktionsverlaufes gibt.
Bei dem Produktionsablauf kann im Rahmen von Arbeitsstudien für Fertigungsplanung (Zeitsystem) mit Zeit- und Mengenangaben beurteilt werden, inwieweit eine wirtschaftliche Fertigungsplanung mit einer gleichmäßigen Kapazitätsauslastung vorliegt. Die Feststellung hoher Stillstands- und Umrüstungszeiten kann auf erhebliche Schwächen im Produktionsablauf hindeuten.
Die Kontrolle des Materialflusses kann Aussagen zur Senkung der Durchlaufzeit ermöglichen. Auch Angaben über die Planung der Fertigungsmittel im Konstruktionsstadium und eine Optimierung der Bevorratung in der Fertigungsplanung sind von Bedeutung.
Soweit in der Branche Zertifizierungen, z. B. im Automobilzuliefererbereich, üblich sind, wird sich die Analyse auch auf das Vorhandensein solcher Zertifizierungen beziehen müssen.
Schließlich sind auch Überlegungen über mögliche Engpässe für die Aufrechterhaltung oder eine Erweiterung der Produktion anzustellen.
Als Risikopunkte sind die Qualitätskontrolle, die Häufigkeit von Ausschuss und Schwund, die Betriebssicherheit und schließlich der Umweltschutz gesondert zu untersuchen.
Lagerkapazitäten und Energieversorgung
Die Lagerkapazitäten des Unternehmens sind einerseits wichtig für die Möglichkeit, größere Mengen kostengünstiger produzieren zu können. Andererseits kann der Aufbau großer Bestände auch zu erheblichen Aufwendungen für die Finanzierung führen. Wenn in der Branche umfangreiche Just-in-Time- Modelle üblich sind, kann eine hohe Lagerkapazität zu starken Wettbewerbsnachteilen führen.
In diesem Zusammenhang müssen auch die Produktflüsse innerhalb der Produktionseinrichtungen des Unternehmens untersucht werden. Nur bei einem optimalen Fluß werden alle Kostenvorteile effektiv genutzt.
Im Bereich der Energieversorgung sind Untersuchungen über die Liefermöglichkeiten und die Preisgestaltung in der Zukunft anhand der bestehenden Energielieferungsverträge vorzunehmen. Hier kann eine eigene Energieversorgung des Unternehmens von Vorteil sein, wenn die Anlage wirtschaftlich genutzt werden kann.
Standortvorteile und -nachteile
Die Untersuchung über Standortvor- und -nachteile kann sich auf einen Standort beschränken, wenn alle Kapazitäten des Unternehmens an einem Ort zusammengefasst sind. Bei der Beurteilung sind verschiedene Ansatzpunkte zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Anlieferung von Rohstoffen oder Vorprodukten ist die Anbindung an die wesentlichen Lieferanten entscheidend. Gerade bei einer vorgesehenen Just-in-time-Produktion ist hier eine kurze Lieferzeit je nach Bedarf und damit ein kurzer Lieferweg entscheidend. Das Gleiche gilt für die räumliche Anbindung an die Kunden des Unternehmens. Hier kann sich eine hohe räumliche Differenz auf die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft negativ auswirken, wenn sie mit anderen Anbietern konkurrieren muss.
Entscheidend für die Qualität eines Standortes kann auch sein, ob die Lohnkosten gering sind, weil es sich um eine Niedriglohnregion handelt und ob materielle Vorteile durch eine regionale staatliche Förderung, sei es durch Steuervorteile oder durch direkte Subventionen, erwartet werden können. Solche Standorte können sich aber auch als schlecht erweisen, wenn das Unternehmen in einem strukturschwachen Gebiet Schwierigkeiten hat, die erforderlichen Arbeitskräfte zu bekommen.
Ausbildungsstand des Personals
Zur Einschätzung der technischen Qualität des Unternehmens gehört auch die Untersuchung des Ausbildungsstandes der Mitarbeiter. Hier steht in der Personalabteilung i. d. R. eine Übersicht zur Verfügung, die die jeweilige Qualifikation der Mitarbeiter dokumentiert. Die Anforderungen an das Ausbildungsniveau der Unternehmen ist branchenspezifisch zu beurteilen.
Ein Hinweis auf die Qualität des technischen Personals lässt sich auch aus der Ausschussquote in der Produktion gewinnen. Ob entsprechende Untersuchungen vorgenommen und dokumentiert werden, ist ein eigener Analysegegenstand.
Forschung und Entwicklung
Im Rahmen der Technical Due Diligence muss auch die technische Erneuerungsfähigkeit des Unternehmens anhand der Anstrengungen auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung dargestellt werden. Hier sollte eine ausreichende Forschungstätigkeit für die Teilnahme des Unternehmens am technischen Fortschritt sichergestellt sein. Ansatzpunkt sind die in der Vergangenheit beantragten Lizenzen und Patente.
Eine optimale Organisation der Forschungs- und Entwicklungsabteilung setzt eine langfristige Budgetprojektierung und Kontrolle voraus, die auch ein Bemühen um Effizienzsteigerung dieses Bereiches erkennen lässt. Kritisch sind hier wesentliche Belastungen des dafür vorgesehenen Budgets durch neue Produkte, deren Erfolgsaussichten noch unsicher sind. Es muss erkennbar sein, dass das Unternehmen unter Berücksichtigung des Produktlebenslaufes der vertriebenen Produkte eine rechtzeitige Fertigstellung neuer Produkte plant und sicherstellt. Dazu ist eine Informationskoppelung zwischen der Forschung und Entwicklung der Fertigung und dem Vertrieb erforderlich.
Soweit Forschungsabteilungen nach außen verlagert worden sind, z. B. an Universitäten oder an wissenschaftliche Institute, ist auch hier die Frage der Effektivität zu erörtern.
Einbindung externer Gutachter in die Technical Due Diligence
Bei einer Technical Due Diligence wird für gewöhnlich eine Einbeziehung externer Gutachter in die Beurteilungsprozesse erforderlich. Hilfestellung können dann z. B. Hochschulen, wissenschaftliche Institute in privater oder freier Trägerschaft oder Forschungsinstitute geben. Eine Hinzuziehung ist von der Akzeptanz des Auftraggebers bzw. des zu begutachtenden Unternehmens abhängig.
Bei komplexen Technologien oder Produktionsprozessen ist den Erfordernissen nach Geheimhaltung durch das IPO-Unternehmen und den Informationsbedürfnissen des Auftraggebers (Konsortialbank) besonders Rechnung zu tragen.
Der externe Gutachter wird im praktischen Due- Diligence-Auftrag häufig als Unterauftragnehmer für den Hauptgutachter tätig. Die Erkenntnisse des externen Gutachters können dann auch in den Bericht des Hauptgutachters einfließen bzw. werden als Anlage dem Due-Diligence-Gutachten (z. B. bei der Financial Due Dilience) beigefügt.
Autor: Prof. Dr. Jürgen Wegmann
PDF: Technical Due Diligence