Der prominenteste Fall eines erfolgreichen Auktionsverfahren lieferte Google mit einer Selbstemission in Höhe von 3,3 Mrd. US-Dollar. Es stellt sich die Frage, weshalb mit der seitdem kontinuierlich gestiegenen Verbreitung des Internet-Brokerage, der Online-Aktienforen und Fachpresseangebote dieses Vorgehen kaum Nachahmer findet. Anscheinend war der Google-IPO hinsichtlich Bekanntheitsgrad, Businessmodel und Investorennachfrage eine Besonderheit und nicht repräsentativ.
Kapitalmarkttransaktionen und insbesondere der IPO-Prozess sind hochkomplexe Prozesse mit vielschichtigen Aspekten insbesondere hinsichtlich der Corporate Finance spezifischen Unternehmensbewertung, der rechtlichen Implikationen und der Investorenansprache. Dies berücksichtigend, mündet ein durch ein Bankenkonsortium begleiteter Prozess mit Einbeziehung qualitativer und strategischer Überlegungen aller Wahrscheinlichkeit nach automatisch im Bookbuilding, was im Prinzip eine stark modifizierte und verfeinerte Form des Auktionsverfahrens ist.
Emittentensicht
Aus Emittentensicht erscheint eine Transaktion nach dem Vorbild von Google verlockend. Die Maximierung des Emissionserlöses in Verbindung mit einer Kosten sparenden Selbstemission dürfte aber auf Google-ähnliche Fälle limitiert und damit für die meisten Emittenten nicht durchführbar sein. Google war zum Zeitpunkt der Emission bereits ein „Hot Issue“ mit hohem Bekanntheitsgrad und einem als leicht verständlich wahrgenommenen Business Model. Die Durchführung von Kapitalerhöhungen oder Umplatzierungen erfordert in den meisten Fällen ein durch Banken begleitetes IPO. Der Emittent wird für den Börsengang vorbereitetet, durch Transaktionsanwälte rechtlich navigiert und die Aktien werden letztendlich bei Investoren platziert.
Ein rein nach Erlösmaximierung gestaltetes Auktionsverfahren unter Vernachlässigung strategischer Aspekte wird in dieser Konstellation eher eine Ausnahme bleiben. So sollten zum Beispiel aus Emittentensicht bereits zum Zeitpunkt des IPOs auch Themen wie „Lock-up für Altgesellschafter“ und „Aktie als Akquisitionswährung“ in die Wahl des Verfahrens mit einbezogen werden.
Bankensicht
Eine Maximierung des Emissionserlöses bedeutet aus Bankensicht eine Maximierung der IPO-Provisionserträge.
Vorausgesetzt, dass mit hinreichender Sicherheit eine das Angebot wesentlich übersteigende Investoren-Nachfrage bei geringer Preiselastizität prognostiziert werden kann, spricht aus Bankensicht nichts gegen das Auktionsverfahren. Allerdings dürfte in diesen Fällen auch das Bookbuilding in Kombination mit einem Greenshoe zur Maximierung des Emissionserlöses führen. Da hierbei zusätzlich strategische Aspekte einbezogen werden, sollte das Bookbuilding im Sinne des Emittenten, der Investoren und damit auch der Banken das bevorzugte Verfahren sein.
Investorensicht
Eine Maximierung des Emissionserlöses ist nicht im Interesse der im IPO angesprochenen Investoren. Zum einen erwarten Investoren Zeichnungsgewinne, die im Rahmen von 10 % bis 20 % als legitim angesehen werden. Zum anderen sind zeichnende Investoren verständlicherweise an stabilen bzw. steigenden Kursen im Sekundärmarkt interessiert. Schwache Sekundärmarkt-Kurse können dazu führen, dass IPO-Investoren ihre teilweise signifikanten Positionen hinterfragen und ein ursprünglich langfristig orientiertes Wachstumsinvestment zur Risikoposition wird. Da insbesondere institutionelle Investoren im IPO oft signifikante Positionen aufbauen, ist in diesem Fall auch eine längerfristige Sekundärmarktbelastung nicht ausgeschlossen. Das Auktionsverfahren wirkt auf Zeichnungsgewinne und Sekundärmarktperformance tendenziell limitierend. Die Investorenakzeptanz für das Auktionsverfahren dürfte daher auf „Hot Issues“ mit absehbarer Übernachfrage reduziert sein.
Autoren: Dr. Jochen Grossmann / Michael Schatzschneider
PDF: Auktionsverfahren und Selbstemission