4.13. Market Due Diligence

Die Analyse des für das Unternehmen relevanten Marktes und damit der relevanten Wettbewerber können bei einer Due Diligence von ausschlaggebender Bedeutung sein. Eine Ausklammerung dieser Analyse ist dann geboten, wenn der Auftraggeber der Due Diligence über eine so umfassende Kenntnis des relevanten Marktes und der Wettbewerber verfügt, dass er ausdrücklich auf eine Markt- und Wettbewerbsanalyse durch den Due-Diligence-Gutachter verzichtet. Im Rahmen der wirtschaftlichen Due Diligence geht es zunächst um die Analyse der globalen Umwelt sowie des rechtlichen Markt- und Wettbewerbsumfeldes. Ausgehend von diesem Umfeld wird die eigentliche Markt- und Wettbewerbsanalyse durchgeführt. Dazu gehören eine Identifizierung des relevanten Marktes und die eigentliche Analyse des Marktes. Erst nach eindeutig vorgenommener Marktuntersuchung kann eine Einordnung des untersuchten Unternehmens in den relevanten Markt erfolgen. Wie bei der Marktanalyse muss eine Identifizierung und Entwicklungsanalyse der Wettbewerber erfolgen. Im Anschluss daran wird eine Abgrenzung des untersuchten Unternehmens gegenüber dem relevanten Wettbewerber erfolgen.

Analyse der globalen Umwelt

Im Hinblick auf die effektive Durchführung einer Due Diligence muss abgewogen werden, in welchem Umfang eine Analyse der globalen Umwelt mit einbezogen wird. Solche allgemeinen Fragestellungen werden nur dann analysiert, wenn sie konkrete Auswirkungen auf die Ertragskraft des Unternehmens haben.

In der Praxis hat sich bewährt, im Rahmen von Gesprächen nach Änderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage zu fragen und die möglichen Auswirkungen für das Unternehmen mit den Gesprächspartnern zu diskutieren. Häufig kommen wesentliche Änderungen nicht plötzlich auf das Unternehmen zu. Daher werden sich die Auswirkungen solcher volkswirtschaftlichen Veränderungen meist in der Planungsrechnung des Unternehmens (Gegenstand der Financial Due Diligence) widerspiegeln.

Ausschlaggebend bei der Analyse der globalen Umwelt sind die Entwicklungen, die einen direkten Einfluss auf das Unternehmensgeschehen haben. So z. B. geplante Steueränderungen wie die Anerkennung eines Verlustvortrages oder die steuerliche Abzugsfähigkeit bestimmter Aufwendungen. Dazu gehören auch die Entwicklung volkswirtschaftlicher Größen, wie z. B. des Bruttosozialproduktes, der Arbeitslosenquote und der Konsumquote. Ebenfalls kann sich die Entwicklung der allgemeinen Preisindizes auf das Nachfrageverhalten der Konsumenten auswirken.

Von Bedeutung sind für das Unternehmen auch deutliche Wechselkursänderungen. Ein exportorientiertes Unternehmen kann dadurch Preisvor- aber auch -nachteile haben. So können sich im Ausland einzukaufende Materialien verteuern oder verbilligen. Aufgrund nicht währungsgesicherter Forderungen und Verbindlichkeiten können Währungsverluste eintreten.

Analyse des rechtlichen Markt- und Wettbewerbsumfeldes

Eine besondere Rolle spielen hier mögliche oder bereits absehbare Gesetzesänderungen, die Einflüsse auf das Chancen- oder Risikopotenzial des Unternehmens haben können. Ebenso können sich Einschränkungen oder Möglichkeiten für die Wettbewerbsstruktur ergeben.

Beispiele:

Betrieb von Altenheimen und Fachkliniken: Analyse der langfristigen demografischen Entwicklung der Bevölkerung sowie eine umfangreiche Analyse der Auswirkungen der unterschiedlichen Stufen der Pflegeversicherung.

Verlagsbranche: Analyse der voraussichtlichen Änderungen im Hinblick auf einen alleinigen Verkauf der Bücher über das Internet sowie die Auswirkungen eines Wegfalls der Preisbindung im Buchhandel.

Pharmazeutischer Großhandel: Analyse der Auswirkungen der Gesundheitsstrukturreform auf die Ertragskraft des Unternehmens sowie eine Aussage über Änderungen in der bestehenden Apothekenstruktur.

Gentechnologie: Analyse der voraussichtlichen Gesetzgebungsentwicklung.

Teilweise werden sich solche Analysen auf die nationalen und die internationalen Märkte beziehen.

Marktanalyse

Bei einer Marktanalyse ist es zunächst erforderlich, die zu analysierende Unternehmung in ihrem relevanten Markt eindeutig zu identifizieren. Häufig sind Unternehmen mit unterschiedlichen Produkten auf unterschiedlichen Märkten tätig. Bei einem stark diversifizierenden Unternehmen kann daher die Zuordnung zu mehreren Branchen in Frage kommen. Eine solche Vorgehensweise ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Umsatz- und/oder Ergebnisbeiträge der einzelnen unterschiedlichen Produkte einen erheblichen Anteil am Gesamtunternehmen haben. Ist dies nicht der Fall, so wird man sich auf die Analyse der Hauptprodukte beschränken und von daher eine Branchenzuordnung über diese Konzentration erreichen.

Durch die möglichst eindeutige Indentifizierung des relevanten Marktes wird die Informationserhebung vereinfacht. Man kann sich hierbei auf Sekundärinformationen stützen, die z. B. aus den Unterlagen des Verbandes, zu dem das Unternehmen gehört, entnommen werden können. Aus Kostenund Zeitgründen kommen Primärerhebungen nur eingeschränkt zur Anwendung. Die Gewinnung originärer Informationen erfordert einen höheren Erhebungsaufwand. Eine Möglichkeit der Primärerhebung bieten allerdings persönliche Befragungen von Branchenkennern.

Die erhobenen Marktinformationen der Market-Due- Diligence-Gutachter lassen sich mit den von der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Informationen abgleichen. Hierdurch besteht die Möglichkeit, die Unternehmensinformationen auf Plausibilität hin zu untersuchen.

Wettbewerbsanalyse

Das IPO-Unternehmen hat meist einen guten Überblick über seine Wettbewerber. Aus der Vergangenheit sind die Entwicklungen der Wettbewerber meist bekannt. Informationen über die Entwicklung in der Vergangenheit sind meist unproblematisch zu erhalten. Aus diesen Informationen lässt sich ableiten, wie lange und wie intensiv die Wettbewerber im Markt agieren. Ableitbar sind auch die Stabilitäten und Flexibilitäten der einzelnen Wettbewerber im Markt.

Jedes Marktsegement hat andere Eintrittsbarrieren für neue Marktteilnehmer. In einigen Segmenten gibt es hohe Marktbarrieren in rechtlicher, wirtschaftlicher oder technologischer Art. Denkbar sind z. B. auch nationale Barrieren, so z. B. Erschwernisse beim Eintritt in die asiatischen Märkte.

Bei der Erhebung von Informationen über die Wettbewerber muss man sich zumeist der sekundären Quellen bedienen. Eine direkte Befragung beim Wettbewerber scheidet im Regelfall aus. Ansatzpunkte können hier Verbandsinformationen bieten. Wenngleich solche Informationen immer nur die Branche in ihrer Gesamtheit abbilden, lassen sich hieraus Trends und Tendenzen für die Entwicklung der Wettbewerber ableiten. Die Qualität dieser Informationen hängt auch von der Wettbewerbsstruktur ab. Bei oligopolistischen Wettbewerbsstrukturen, die durch wenige Wettbewerber gekennzeichnet sind, ist es einfacher aus den Verbandsinformationen Schlussfolgerungen für das zu untersuchende Unternehmen zu ziehen als für polypolistische Wettbewerbsstrukturen, die durch viele Wettbewerber gekennzeichnet sind.

Eine weitere Möglichkeit, Informationen über die Wettbewerber, aber auch über das zu untersuchende Unternehmen zu gewinnen, bieten Kundenbefragungen. Ausgangspunkt dafür sind die Kunden des zu untersuchenden Unternehmens, die sowohl über das Unternehmen als auch über die Wettbewerber befragt werden können. Durch das Aufstellen von Kundenprofilen z. B. nach den Kriterien der Lieferfähigkeit, der Liefergeschwindigkeit, dem Service, der Preisgestaltung, dem Verkäuferverhalten lassen sich Profile für das eigene Unternehmen und für die Wettbewerber aufstellen.

Daneben lassen sich das Vertriebssystem und die Absatzmethoden sowie die Angemessenheit des Werbeaufwandes miteinander vergleichen. Eine unterschiedliche Vergütungsstruktur der Mitarbeiter kann möglicherweise Aussagen über die unterschiedliche Profitabilität der Unternehmen erlauben. Ebenso können in der vergleichenden Betrachtung die Produktivität und die Kapazitätsauslastung in die Analyse einbezogen werden.

Soweit dies anhand der Informationen über die Wettbewerber möglich ist, sollte man neben den überwiegend qualitativen Informationen auch versuchen, quantitative Informationen miteinander zu vergleichen. Als eine zentrale Kennziffer neben den Umsatzerlösen lässt sich dafür die Umsatzrentabilität verwenden. Bei dem Vergleich dieser Kennziffer ist allerdings darauf zu achten, inwieweit außerordentliche und periodenfremde Aufwendungen und Erträge die Jahresergebnisse beeinflusst haben.


Autor: Prof. Dr. Jürgen Wegmann
PDF: Market Due Diligence