Die im Rahmen der Financial Due Diligence (FDD) ermittelten Kennzahlen und Ergebnisse bilden die Grundlage für die Beurteilung und Bewertung des Unternehmens und sind somit für diverse Entscheidungen innerhalb des IPO-Prozesses relevant. Gegenstand der FDD ist die Analyse der vergangenen und gegenwärtigen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, welche u. a. die Voraussetzung für die Plausibilitätsprüfung der Planungsrechnung ist.
Informationsbasis für die Analyse im Rahmen der Financial Due Diligence bilden neben weiteren detaillierten Finanzinformationen aus dem internen Management-Informationssystem die Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), Kapitalflussrechnung sowie diverse andere Angaben aus dem Anhang des Jahresabschlusses. Grundsätzlich werden die letzten drei, in einigen Fällen aber auch die letzten fünf Geschäftsjahre bei der Vermögens-, Finanz- und Ertragsanalyse betrachtet, wobei sich die drei Analysebereiche teilweise überlappen. Letztlich dienen die Financial-Due-Diligence-Analysen der Plausibilitätsprüfung der Planungsrechnung des Unternehmens. Ferner sollen im Rahmen der FDD die wirtschaftlichen Stärken und Schwächen des Emittenten aufgezeigt werden. Bei einer FDD im Rahmen eines IPOs ist es zudem elementar, das Rechnungswesensystem des Unternehmens auf seine Börsenfähigkeit hin zu analysieren.
Auch wenn sie gesetzlich nicht gefordert ist, so hat sich die Financial Due Diligence in Deutschland inzwischen als Teil der Vorbereitungsphase bei der Börseneinführung etabliert.
Interessengruppen
- Emittent
- Konsortialführer
- Übrige Emissionsbanken
- Potenzielle Aktionäre/Investoren
Weitere Funktionen der FDD im Rahmen eines IPOs
- Informationsermittlung für den Börsenzulassungsprospekt
- Unsicherheiten bei den Investoren abbauen
- Informieren über Produkte/Services, Wachstumspotenzial und operative Rahmenbedingungen
- Erstellen von Kennzahlen
- Benchmark mit Unternehmen der gleichen Branche
- Stärken und Schwächen aufdecken
- Chancen und Risiken erwägen
- Imageschäden verhindern
- Risiko von Gewährleistungsansprüchen oder Prospekthaftung minimieren
Warnsignale, die das IPO gefährden könnten
- Ein den Börsenanforderungen nicht gerecht werdendes Rechnungs- und Berichtswesen
- Eine in der Vergangenheit aggressive Bilanzpolitik des Managements
- Stark negativ abweichende Planzahlen in der Vergangenheit
- Planzahlen der Geschäftsführung, die nicht plausibel sind
- Nicht mit der Planung im Einklang stehender Auftragsbestand
- Erwartete dürftige Umsatz- und Ergebnisentwicklung nach Börseneinführung
- Fehlender „Track Record“ in der Vergangenheit
Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und Zulassungsfolgepflichten, die bei einem Börsengang zu beachten sind, sollte mit einer Analyse der Börsenfähigkeit des Rechnungswesens des Emittenten begonnen werden. So sind in Abhängigkeit vom gewählten Kapitalmarktsegment Finanzberichte in unterschiedlichen Intervallen und mit unterschiedlichen Inhalten den Investoren zeitnah zur Verfügung zu stellen.
Reportinganforderungen an börsennotierte Unternehmen
Die Reportinganforderungen für börsennotierte Unternehmen bestimmen sich aus verschiedenen gesetzlichen, aber auch kapitalmarktrelevanten Anforderungen. Das HGB und AktG regeln u. a. sowohl die Inhalte des Jahresabschlusses und Lageberichts als auch die internen Berichterstattungspflichten gegenüber den Organen einer Aktiengesellschaft (z. B. Aufsichtsrat). Weitere Regelungen hängen von dem gewählten Kapitalmarkt (z. B. Regulierter Markt oder Open Market) und von dem ggf. gewählten Transparenzlevel ab. So sind im regulierten Markt die Mindestanforderungen für EU-Unternehmen im General Standard geregelt, wonach die Emittenten u. a.:
- Jahresfinanzberichte (innerhalb von vier Monaten nach Geschäftjahresende) und Halbjahresberichte (innerhalb von zwei Monaten nach Ende des Berichtszeitraums) nach IFRS/IAS (International Accounting Standards) erstellen müssen, und
- seit 2007 Zwischenmitteilungen für Q1 und Q3 über die allgemeine Finanzlage und wesentlichen Geschäftsereignisse veröffentlichen müssen.
Im Prime Standard werden die Unternehmen zu zusätzlichen Transparenzanforderungen, wie z. B. der Erstellung von Quartalsfinanzberichten verpflichtet.
Eine Nichteinhaltung der gesetzlichen Reportingverpflichtungen kann von einer Abmahnung bis hin zu einem Index-De-Listing des Unternehmens führen.
Analyse des Rechnungswesens
Bei einer Financial Due Diligence im Rahmen eines IPOs steht insbesondere die genaue Prüfung des Rechnungswesens an primärer Stelle. Es muss abgewogen werden, ob das Unternehmen fähig ist, die hohen Reportinganforderungen des Kapitalmarktes einzuhalten oder ggf. noch Anpassungen oder weitere Maßnahmen erforderlich sind.
Wenn zum Zeitpunkt der Due Diligence noch deutliche Defizite im Rechnungswesen zu erkennen sind, sollten diese vor dem IPO behoben werden. Dabei gilt es primär zu klären, ob alle relevanten Schwachstellen eliminiert werden können und wenn, wie lange dies dauert und ob der geplante Börseneinführungstermin gefährdet ist.
Ist eine Umstellung des Rechnungslegungsstandards (z. B. von HGB auf IFRS) erforderlich, so muss damit frühzeitig begonnen werden, da dies äußerst komplex und zeitaufwendig ist.
Checkliste
- Für welches Segment hat sich das Unternehmen entschieden? Welche Reportinganforderungen sind daran geknüpft? Erfüllt das Unternehmen die identifizierten Anforderungen?
- Werden IFRS-Vorschriften sowohl in der Vergangenheit als auch in der Planung einheitlich und konstant berücksichtigt?
- Ist ein internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem (§ 91 Abs. 2 AktG) vorhanden oder muss dieses noch etabliert werden?
- Liegt ein leistungsfähiges Management- Informationssystem (MIS) vor, das die zur Steuerung und Kontrolle des Unternehmens notwendigen Informationen liefert?
- Ist das Management-Informationssystem (MIS) mit dem externen Rechnungswesen abstimmbar?
- Werden alle Daten richtig und zeitnah verarbeitet, so dass zukünftige Publikationsanforderungen rechtzeitig erfüllt werden können?
- Ist das Personal aus dem Rechnungswesen ausreichend qualifiziert und geschult?
- Verfügt das Unternehmen über ein effizientes externes Berichtswesen einschließlich Konsolidierungssystemen?
Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden
Grundlage für die Analyse ist das Verständnis der Methoden und Verfahren, die bei der Erstellung der Jahresabschlüsse angewandt wurden, da sich hieraus Einflüsse auf die Darstellung der historischen und künftigen Geschäftsentwicklung ergeben können. So ist bei der Analyse u. a. zu beachten, welche Ermessensbereiche es gibt, ob die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sachgerecht sind, den branchenüblichen Praktiken entsprechen und einheitlich angewandt wurden.
Vergleichbarkeit der Finanzinformationen im Zeitablauf
Vor der Analyse ist es wichtig, die Zweckmäßigkeit der vorgelegten Finanzinformationen für die ökonomische Beurteilung des Unternehmens zu erkennen und zu beurteilen. Die Aussagekraft der Finanzinformationen kann durch Auswirkungen von umfangreichen Akquisitionen oder Veräußerungen in den letzten Jahren oder wesentliche Devisenkursauswirkungen auf die ausgewiesenen Ergebnisse beeinflusst worden sein.
Zur Erläuterung und Abstimmung der Zahlen werden in der Regel Informationen aus dem internen Berichtswesen verwendet.
Arbeitspapiere des Abschlussprüfers
In der Regel erlangen die FDD-Berater mittels der Durchsicht der Arbeitspapiere des Abschlussprüfers Verständnis über die Grundlagen der Abschlussprüfung und können somit beurteilen, ob die geprüften Abschlüsse eine verlässliche Basis für die Due- Diligence-Arbeiten liefern. Auf diese Weise können bereits in der Prüfung aufgetretene und geklärte Probleme wichtige Erkenntnisse für die Financial Due Diligence liefern.
Qualität der Finanzinformationen
Bei der Datenerhebung ist es wichtig, das Management- Informationssystem zu verstehen und beurteilen zu können, um so Erkenntnisse über die Informationsverfügbarkeit und -erstellung zu gewinnen. Hierdurch sollte möglichst ausgeschlossen werden, dass die Qualität der Informationen und des Management-Reportings nicht angemessen ist und somit Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit historischer Finanzinformationen aufwerfen könnten. Denn nicht nur der Umfang, sondern auch die Qualität der bereitgestellten Daten haben einen entscheidenden Einfluss auf die Erkenntnisse der Due Diligence. So sollte u. a. analysiert werden, welche KPIs zur Unternehmenssteuerung ermittelt werden und ob diese dem Branchenstandard entsprechen. Des Weiteren ist zu erläutern, inwieweit Schätzungen in die Monatszahlen einfließen und welche Finanzsysteme und -kontrollen es gibt.
Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass einige Mitarbeiter und insbesondere das Management meist ein hohes Interesse an dem Börsengang haben. Somit ist eine kritische Beurteilung der Zuverlässigkeit und des Wahrheitsgehalts der bereitgestellten Daten unabdingbar.
Informationsbeschaffung/-quellen
Allgemein hat es sich in der Praxis mehr und mehr durchgesetzt, dass den Unternehmen Informationsanforderungslisten mit bereitzustellenden Dokumenten und Unterlagen durch das FDD-Team zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere sind dafür die folgenden Informationen erforderlich:
- Geprüfte Jahresabschlüsse (Bilanz, GuV, Kapitalflussrechnung) ggf. nach IFRS inklusive Management Letter und Prüfberichte der Abschlussprüfer. Diese sollten durch Monats-,Quartals- und Halbjahreszahlen ergänzt werden
- Management Accounts (Sparten-, Deckungsbeitrags- und Ergebnisrechnung) inklusive Planungsrechnungen
- Zugang zum Management und zu Mitarbeitern aus dem Rechnungswesen/Controlling
- Ergebnisse aus anderen Teilen der Due Diligence (z. B. Commercial oder Market Due Diligence).
Bevor die Plausibilität der Planungsrechnung überprüft werden kann, gilt es zunächst, die Vergangenheit genau zu analysieren. Bei der Vermögensanalyse steht die Betrachtung der angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethode im Vordergrund. Sowohl die praktizierte Bilanzpolitik als auch die Verlässlichkeit und Integrität der Bilanzzahlen müssen festgestellt werden.
Analyse der Vermögenslage
Bei der Analyse der Vermögenslage gilt es zu prüfen, ob die Bewertungsmethoden über die (in der Regel drei bis fünf) betrachteten Jahre konstant angewandt wurden und die Vermögensdarstellung klar und einheitlich abgegrenzt wurde. Ein weiterer Themenkomplex in diesem Zusammenhang ist die Aufdeckung von überbewerteten Vermögensgegenständen oder unterbewerteten Verbindlichkeiten und Rückstellungen, aus denen Risiken entstehen können. Um diese Sachverhalte zu durchleuchten, führt das FDD-Team in der Regel folgende Tätigkeiten durch:
- Analyse der Bilanz zum letzten verfügbaren Datum und der Vergleichszahlen zum Datum des letzten geprüften gesetzlichen Jahresabschlusses
- Analyse der wesentlichen Bilanzposten – Identifizierung von möglichen wesentlichen Überbewertungen von Aktiva und/oder wesentlichen Unterbewertungen von Passiva
- Kommentierung aller wesentlichen Ermessensspielräume
- Erläuterungen aller identifizierten nicht bilanzierten Eventualverbindlichkeiten und/oder Verpflichtungen
Analyse des Anlagevermögens
Das Anlagevermögen lässt sich in das Sach- und Finanzanlagevermögen teilen. Bei der Analyse des Sachanlagevermögens können erhebliche stille Reserven aufgedeckt werden. Bei der Analyse sollten die Zu- und Abgänge der letzten fünfzehn Jahre unterteilt nach Jahren und Nutzungsdauer aufgezeigt werden. Hierdurch erhält man Auskunft über das Investitionsverhalten des Unternehmens in der Vergangenheit, die Abschreibungspolitik und einen gegebenenfalls vorhandenen Investitionsstau.
Ferner sollten für die Analyse der Vergangenheit vom Sachanlagevermögen möglicherweise abgesetzte Investitionszuschüsse wieder hinzugerechnet und die Abschreibungen angepasst werden. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang ebenfalls die Auswirkungen der ertragswirksamen Vereinnahmung möglicherweise gewählter Investitionszuschüsse oder -zulagen.
Im Rahmen der Analyse des Finanzanlagevermögens wird ggf. der Beteiligungswert von Tochterunternehmen und deren Ergebnisentwicklung untersucht.
Analyse des Working Capitals
Insbesondere die Working-Capital-Analyse ist bei der FDD von großer Bedeutung. Auch wenn durch die historische Darstellung des Working Capitals nicht automatisch auf die zukünftige Situation des Emittenten geschlossen werden kann, so sollten die Einflussfaktoren vergangener (saisonaler) Schwankungen aufgezeigt werden. Dies dient u. a. zur Feststellung von möglicherweise weiterem erforderlichem Finanzierungsbedarf. Da das Working Capital ggf. einmalige oder liquiditätsfremde Posten enthält, können neben der Rechnungslegungs- und Unternehmensstrukturanpassung noch weitere Anpassungen erforderlich sein. Für die Analyse sollten ferner alle außerordentlichen oder einmaligen Posten, die im Jahresabschluss enthalten sind, sowie Änderungen der Rechnungslegungsgrundsätze und/oder Änderungen der Unternehmensstruktur im Betrachtungszeitraum, die sich auf die in der Vergangenheit ausgewiesene Höhe des Working Capitals auswirken könnten, mit der Geschäftsführung besprochen werden. Des Weiteren sollten die Working- Capital-Komponenten des Unternehmens, die Angemessenheit der Wertberichtigungen für Vorräte und Forderungen sowie die Angemessenheit der Höhe dieser Wertberichtigungen beurteilt, mögliche Über- und Unterbewertungen identifiziert und die Fälligkeit von Forderungen und Verbindlichkeiten analysiert werden.
Im Rahmen der Financial Due Diligence wird nicht nur die Finanzierung eines Unternehmens analysiert, sondern auch seine Fähigkeit, die erwirtschafteten Ergebnisse in Liquidität umzuwandeln. Bei der Cashflow-Analyse wird analysiert, welche Finanzmittel das Unternehmen operativ generieren konnte, wofür diese verwendet wurden und in welcher Höhe Free Cashflow zur Ausschüttung an die Gesellschafter zur Verfügung steht.
Analyse der Nettoverschuldung
Gemeinhin wird die Nettoverschuldung in der Bilanz durch liquide Mittel und Bankverschuldung gekennzeichnet, teilweise werden auch Pensionsoder Jubiläumsverpflichtungen dazu gerechnet. Im Rahmen der FDD sind sämtliche Bilanzpositionen im Hinblick auf weitere zinstragende Verbindlichkeiten oder Positionen mit schuldenähnlichem Charakter zu analysieren. Typischerweise in anderen Bilanzpositionen ausgewiesene aber unter Nettoverschuldung zu berücksichtigende Sachverhalte sind z. B.
- Abgegrenzte Zinsen, Abgaben etc.
- Finanzierungs-Leasingverhältnisse
- Schuldenähnliche Posten (z. B. Verbindlichkeiten aus Investitionen, Factoring-Vereinbarungen) sowie alle sonstigen Posten, die das Risiko eines wesentlichen Liquiditätsabflusses bergen
- Erhaltene Vorauszahlungen (z. B. Anzahlungen von Kunden)
- Steuern der laufenden Periode und aus Vorperioden
Darüber hinaus ist zu prüfen, ob sonstige nicht bilanzierte Posten und Rückstellungen, die zu einem Liquiditätsabfluss führen könnten, als Nettoverschuldung zu bewerten sind. Bei der Berücksichtigung der liquiden Mittel sollte die freie Verfügbarkeit analysiert und angemessen berücksichtigt werden.
Ein weiterer Punkt, der sich insbesondere auch aus der Analyse des Working Capitals ergibt, ist die Untersuchung und Beurteilung des unterjährigen Finanzbedarfs.
Analyse der Investitionen
Bei der Analyse der Investitionen ist es wichtig, sich die Aufteilung historischer und künftiger Investitionen in Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen einschließlich der verbindlich zugesagten sowie der im Ermessen des Emittenten liegenden künftigen Investitionen genauer anzusehen. Historische Ersatzinvestitionen könnten Elemente enthalten, die Trends im Jahresvergleich verzerren und, sofern sie nicht angepasst werden, dazu führen, dass unangemessene Schlussfolgerungen über die prognostizierten freien Cashflows des Unternehmens gezogen werden.
Daher sind die folgenden das Bild verzerrenden Faktoren zu berücksichtigen:
- Definition und Kategorisierung von Ersatz- gegenüber Erweiterungsinvestitionen
- Wartungs-/Ersatzzyklus
- Außerordentliche/einmalige Ausgaben
- Investitionsausgaben gegenüber Abschreibungsaufwand
- KPIs von Investitionen gegenüber Branchenstandards
- Höhe der Investitionsausgaben gegenüber Budgetwerten
- „Gesetzliche“ Investitionen – z. B. Umweltschutz, Erfüllung rechtlicher Bestimmungen etc.
Cashflow-Analyse
Im Rahmen der Cashflow-Analyse steht die Frage nach der Fähigkeit des Unternehmens, Erträge in freie Liquidität umzuwandeln, im Vordergrund.
Grundsätzlich unterteilt sich der Cashflow in den operativen, den Investitions- und den Finanzierungs- Cashflow. Bereits bei der Betrachtung des operativen Cashflows ist darauf zu achten, inwieweit der ausgewiesene Cashflow als nachhaltig zu betrachten ist oder ob dieser aus der Reduzierung von z. B. Working Capital im Rahmen von Einmaleffekten generiert wurde. Ziel der FDD ist es, hier unter anderem Aussagen zu einem nachhaltigen operativen Cashflow zu treffen. Hierfür sind cashrelevante Einmaleffekte zu identifizieren und gegebenenfalls anzupassen.
Im nächsten Schritt ist zu untersuchen, inwieweit die operativ erwirtschafteten liquiden Mittel direkt investiert wurden, oder umgekehrt, inwieweit der operative Cashflow Ausfluss der investierten Mittel ist.
Im Rahmen der Finanzierung ist zu untersuchen, inwieweit die nach Investitionen verbleibenden liquiden Mittel in die Bedienung der Nettoverschuldung fließen, oder in der Vergangenheit gegebenenfalls die Aufnahme zusätzlicher Verschuldung die Finanzierung der Geschäftstätigkeit sichergestellt hat.
Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, ist der Cashflow-Analyse besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Insbesondere ist die korrekte Zuordnung der liquiditätswirksamen Vorgänge und damit die Verarbeitung der Ergebnisse aus anderen Analysen von entscheidender Bedeutung.
Bei der Analyse der Ertragslage des Unternehmens gilt es, die wesentlichen Wertschöpfungspotenziale und die gegenüberstehenden Kosten herauszuarbeiten. Des Weiteren wird die Ertragslage auch hinsichtlich ihrer Entwicklung betrachtet. Da die Informationen aus der GuV für eine detaillierte Analyse meist nicht ausreichen, werden in der Regel auch Daten aus dem internen Rechnungswesen verwendet. Diese zeigen die Ertragslage einzelner Produkte und Bereiche detaillierter auf.
Wesentliche Werttreiber
Ein wesentlicher Aspekt für die Beurteilung der Ertragskraft ist die Identifizierung und das Verständnis der wesentlichen Werttreiber für historisches und geplantes Wachstum bzw. der historischen und prognostizierten Ertragskraft.
In diesem Zusammenhang ist es ratsam, eine Preis- Volumen-Analyse durchzuführen. Dabei ist die Frage zu beantworten, ob die Umsatz- und Kostenentwicklung durch den Preis oder das Volumen getrieben sind. Hilfreich bei dieser Analyse sind die in der Commercial oder Market Due Diligence gewonnenen Erkenntnisse und Kennzahlen. Bei der Prüfung des historischen Geschäftsverlaufs sind u. a. folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Organisches Wachstum vorhanden
- Relativer Beitrag der einzelnen Produkte und Leistungen zu Umsatz, Bruttoergebnis, EBITDA und Deckungsbeitrag
- Gewonnene/verlorene Großaufträge
- Auswirkungen von Preis- und Mengenänderungen auf Umsatzerlöse und -kosten sowie die Möglichkeit, Kostenerhöhungen abzuwälzen
- Wechselkursschwankungen
- Erfolg von Produkteinführungen
Wichtig ist, dass bei der Ergebnisanalyse (z. B. Umsatz, wesentliche Kostenpositionen, EBITDA) im Jahresvergleich auf Basis konstanter Wechselkurse gearbeitet wird bzw. Wechselkurseffekte nicht mit Preiseffekten vermischt werden.
Bereinigtes EBIT/EBITDA
Bei der Analyse der Ertragslage ist ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt die Beurteilung der nachhaltigen Ertragskraft. Gegebenenfalls müssen außerordentliche und aperiodische Erträge und Aufwendungen identifiziert und neutralisiert bzw. zeitlich neu zugeordnet werden. Ziel ist die Ermittlung eines bereinigten EBITDAs, das eine Vergleichbarkeit zwischen den Jahren erlaubt. Auch kann eine Proforma- Anpassung bzw. -Darstellung der historischen Ergebnisse erforderlich sein, um eine sachgerechte Beurteilung der nachhaltigen Ertragskraft zu ermöglichen. Im Rahmen der Analyse gilt es, u. a. folgende Punkte zu berücksichtigen, da sie die Ertragslage erheblich verzerren können:
- Spielräume des Aktivierungswahlrechtes und der innerbetrieblichen Kostenrechnung
- Außerordentliche oder einmalige Posten
- Akquisitionen und Veräußerungen
- Gebildete und aufgelöste Rückstellungen
- Außerordentliche Abschreibungen und Zuschreibungen
- Wechselkursschwankungen
- Betriebserweiterungen, -stilllegungen
- Aufgabe von Geschäftsbereichen
- Beitrag von nicht konsolidierten Unternehmen
- Laufende Liefervereinbarungen
- Neue Kundenverträge
- Produktions- und Kapazitätsinvestitionen
- Restrukturierung und Rationalisierung der Kostenbasis
- Produktions- und Kapazitätsinvestitionen
Aktueller Geschäftsverlauf und Gesamtjahresausblick
Weitere Aspekte bei der Ertragsanalyse sind sowohl die Beurteilung des aktuellen Geschäftsverlaufs sowie aller potenziellen Risiken und Sensitivitäten (positive wie negative Abweichungen) im Hinblick auf das derzeit geschätzte Gesamtjahresergebnis als auch die Einschätzung, wie sich diese auf das IPO auswirken könnten. Bei der Beurteilung, ob das Gesamtjahresergebnis erzielt werden kann, sind mitunter folgende Sachverhalte zu berücksichtigen:
- Auf das Jahr hochgerechnete aktuelle monatliche Ergebnisse
- Saisonale Schwankungen des Geschäftsverlaufs und der Ergebnisse
- Auswirkung von aufgegebenen Geschäftsbereichen/ Akquisitionen/Veräußerungen
- Auswirkung außerordentlicher Posten
- Von der Geschäftsführung umgesetzte Maßnahmen/ Business Turnarounds/sonstige Pro-forma- Effekte
- Mögliche Ursachen von (kurzfristigen) Ergebnisschwankungen (z. B. an börsennotierte Rohstoffe gekoppelte Materialkosten)
- Üblicher Umfang von Anpassungen zum Jahresende (z. B. Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen, nur am Jahresende erfasste Standardkostenabweichungen)
Ziel der Planungsanalyse ist es, die zukünftige Ertragskraft und die Fähigkeit des Unternehmens, ausschüttbare Cashflows zu generieren, zu beurteilen. Im Rahmen des IPOs stellt die Planungsrechnung eine entscheidende Grundlage für die Unternehmensbewertung und somit für den späteren Emissionspreis dar. Für die Analyse der Planungsrechnung liefern die vorangegangenen Untersuchungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und die Commercial Due Diligence die entscheidenden Informationen.
Planungsprozess
Vor der Analyse sollte der Berater den Planungsprozess verstehen, da dieser Mängel aufweisen könnte, die sich auf die Zuverlässigkeit der prognostizierten Finanzinformationen auswirken könnten. In diesem Zusammenhang sind die Zeitplanung für die Planungsdurchführung und die Einflüsse der Verantwortlichen auf die Planung genauer zu betrachten. Weiter gilt es u. a. zu analysieren, mit welcher Methodik (Bottom-up oder Top-down) die Planung erstellt wurde und welches die kritischen Faktoren bei der Planung sind.
Planungsrechnung
Primär müssen zur Untersuchung der Planungsrechnung alle Maßnahmen, die den Geschäftsbetrieb in der Zukunft wesentlich beeinflussen können, zusammengestellt werden. Bei der Betrachtung der Planung werden nicht nur die zukünftigen Perioden durchleuchtet, sondern es wird auch ein Soll-Ist- Vergleich vergangener Jahre gemacht, um die Plangenauigkeit der Vergangenheit zu beurteilen (Zeitraum drei bis fünf Jahre).
Anschließend werden diverse Planzahlen auf ihre Erreichbarkeit geprüft. Dabei sind verschiedenste Faktoren zu berücksichtigen.
- Auslaufende Lieferantenverträge
- Veränderungen des Produktportfolios
- Kreditverträge
- Möglichkeit der Darlehenskündigung
- Synergieeffekte bei Sortimentsausweitung
- Entwicklung der Auftragslage
- Entwicklung der Materialkosten und sonstigen zusätzlichen Aufwendungen
- Entwicklung der Verkaufspreise
- Kapazitätsentwicklung
- Personalkapazitäten und –kosten
Ferner werden z. B. auf Grundlage der Ergebnisse der Finanzlage künftig geplante Investitionen geprüft und verglichen mit:
- historischen Trends,
- bekannten Plänen des Unternehmens (z. B. Kapazitäts- und Rationalisierungsplan),
- Abschreibungen,
- notwendigen Investitionen.
Formell sollte eine gute, leistungsfähige Planung:
- aus aufeinander abstimmbaren Erfolgs-, Vermögens- und Finanzplanungen bestehen;
- auf Monatsebene und für die verschiedenen Unternehmensbereiche separat dargestellt sein und saisonale Schwankungen berücksichtigen.
Sensitivitätsanalyse
Die Planung stellt ggf. keinen realistischen „Base Case“ dar, so können sich z. B. verschiedene Faktoren auf die geplanten Ergebnisse auswirken. Die häufigsten Indikatoren dafür sind:
- Von historischen und aktuellen Ergebnissen/Trends abweichende Annahmen
- Annahmen (z. B. über Marktgröße, Marktanteil, Margen, Mengen/Preise, Kostenbasis, Kapazitäten), die im Vergleich mit anderen Quellen als nicht plausibel erscheinen
- Nach der Planungserstellung eingetretene Ereignisse oder Marktereignisse, die zu einer Änderung der Annahmen führen
Bei der Sensitivitätsanalyse geht es darum, die essenziellen Risiken und möglichen Chancen gegenüber der Planung zu verstehen, verschiedene Auswirkungsszenarien zu analysieren und die daraus resultierenden möglichen Abweichungen zu erörtern.
Besonderheiten im Rahmen des IPOs
Ergeben sich aus der FDD Sachverhalte, die die Börsenfähigkeit des Unternehmens einschränken, sind die Kosten zur Behebung dieser Schwachstellen in der kurzfristigen Planung zu berücksichtigen. Falls wesentliche Schwachstellen aufgezeigt werden, kann dies den geplanten Emissionspreis deutlich senken oder zu einer Absage des Börsengangs durch die Konsortialbank führen. Demgegenüber steht die notwendige Beachtung der dem Unternehmen beim Börsengang zukommenden Liquidität. Auch wenn die genaue Höhe des Kapitalzuflusses zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt ist, so sollten entweder zinstragende Verbindlichkeiten reduziert werden können oder Investitionen im Hinblick auf internes und externes Wachstum eingeplant werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine Prüfung der späteren Ausschüttungsfähigkeit des Unternehmens, damit es nicht zu einer negativen Entwicklung des Aktienkurses kommt, wenn die Erwartungen der Anleger diesbezüglich nicht erfüllt werden können.
Autor: Heinrich Lind
PDF: Financial Due Diligence – Grundlagen, Sinn und Zweck