4.11. Financial Due Diligence – Grundlagen, Sinn und Zweck


Die im Rahmen der Financial Due Diligence (FDD) ermittelten Kennzahlen und Ergebnisse bilden die Grundlage für die Beurteilung und Bewertung des Unternehmens und sind somit für diverse Entscheidungen innerhalb des IPO-Prozesses relevant. Gegenstand der FDD ist die Analyse der vergangenen und gegenwärtigen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, welche u. a. die Voraussetzung für die Plausibilitätsprüfung der Planungsrechnung ist.

Informationsbasis für die Analyse im Rahmen der Financial Due Diligence bilden neben weiteren detaillierten Finanzinformationen aus dem internen Management-Informationssystem die Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), Kapitalflussrechnung sowie diverse andere Angaben aus dem Anhang des Jahresabschlusses. Grundsätzlich werden die letzten drei, in einigen Fällen aber auch die letzten fünf Geschäftsjahre bei der Vermögens-, Finanz- und Ertragsanalyse betrachtet, wobei sich die drei Analysebereiche teilweise überlappen. Letztlich dienen die Financial-Due-Diligence-Analysen der Plausibilitätsprüfung der Planungsrechnung des Unternehmens. Ferner sollen im Rahmen der FDD die wirtschaftlichen Stärken und Schwächen des Emittenten aufgezeigt werden. Bei einer FDD im Rahmen eines IPOs ist es zudem elementar, das Rechnungswesensystem des Unternehmens auf seine Börsenfähigkeit hin zu analysieren.

Auch wenn sie gesetzlich nicht gefordert ist, so hat sich die Financial Due Diligence in Deutschland inzwischen als Teil der Vorbereitungsphase bei der Börseneinführung etabliert.

Interessengruppen

  • Emittent
  • Konsortialführer
  • Übrige Emissionsbanken
  • Potenzielle Aktionäre/Investoren

Weitere Funktionen der FDD im Rahmen eines IPOs

  • Informationsermittlung für den Börsenzulassungsprospekt
  • Unsicherheiten bei den Investoren abbauen
  • Informieren über Produkte/Services, Wachstumspotenzial und operative Rahmenbedingungen
  • Erstellen von Kennzahlen
  • Benchmark mit Unternehmen der gleichen Branche
  • Stärken und Schwächen aufdecken
  • Chancen und Risiken erwägen
  • Imageschäden verhindern
  • Risiko von Gewährleistungsansprüchen oder Prospekthaftung minimieren

Warnsignale, die das IPO gefährden könnten

  • Ein den Börsenanforderungen nicht gerecht werdendes Rechnungs- und Berichtswesen
  • Eine in der Vergangenheit aggressive Bilanzpolitik des Managements
  • Stark negativ abweichende Planzahlen in der Vergangenheit
  • Planzahlen der Geschäftsführung, die nicht plausibel sind
  • Nicht mit der Planung im Einklang stehender Auftragsbestand
  • Erwartete dürftige Umsatz- und Ergebnisentwicklung nach Börseneinführung
  • Fehlender „Track Record“ in der Vergangenheit

Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und Zulassungsfolgepflichten, die bei einem Börsengang zu beachten sind, sollte mit einer Analyse der Börsenfähigkeit des Rechnungswesens des Emittenten begonnen werden. So sind in Abhängigkeit vom gewählten Kapitalmarktsegment Finanzberichte in unterschiedlichen Intervallen und mit unterschiedlichen Inhalten den Investoren zeitnah zur Verfügung zu stellen.

Reportinganforderungen an börsennotierte Unternehmen

Die Reportinganforderungen für börsennotierte Unternehmen bestimmen sich aus verschiedenen gesetzlichen, aber auch kapitalmarktrelevanten Anforderungen. Das HGB und AktG regeln u. a. sowohl die Inhalte des Jahresabschlusses und Lageberichts als auch die internen Berichterstattungspflichten gegenüber den Organen einer Aktiengesellschaft (z. B. Aufsichtsrat). Weitere Regelungen hängen von dem gewählten Kapitalmarkt (z. B. Regulierter Markt oder Open Market) und von dem ggf. gewählten Transparenzlevel ab. So sind im regulierten Markt die Mindestanforderungen für EU-Unternehmen im General Standard geregelt, wonach die Emittenten u. a.:

  • Jahresfinanzberichte (innerhalb von vier Monaten nach Geschäftjahresende) und Halbjahresberichte (innerhalb von zwei Monaten nach Ende des Berichtszeitraums) nach IFRS/IAS (International Accounting Standards) erstellen müssen, und
  • seit 2007 Zwischenmitteilungen für Q1 und Q3 über die allgemeine Finanzlage und wesentlichen Geschäftsereignisse veröffentlichen müssen.

Im Prime Standard werden die Unternehmen zu zusätzlichen Transparenzanforderungen, wie z. B. der Erstellung von Quartalsfinanzberichten verpflichtet.

Eine Nichteinhaltung der gesetzlichen Reportingverpflichtungen kann von einer Abmahnung bis hin zu einem Index-De-Listing des Unternehmens führen.

Analyse des Rechnungswesens

Bei einer Financial Due Diligence im Rahmen eines IPOs steht insbesondere die genaue Prüfung des Rechnungswesens an primärer Stelle. Es muss abgewogen werden, ob das Unternehmen fähig ist, die hohen Reportinganforderungen des Kapitalmarktes einzuhalten oder ggf. noch Anpassungen oder weitere Maßnahmen erforderlich sind.

Wenn zum Zeitpunkt der Due Diligence noch deutliche Defizite im Rechnungswesen zu erkennen sind, sollten diese vor dem IPO behoben werden. Dabei gilt es primär zu klären, ob alle relevanten Schwachstellen eliminiert werden können und wenn, wie lange dies dauert und ob der geplante Börseneinführungstermin gefährdet ist.

Ist eine Umstellung des Rechnungslegungsstandards (z. B. von HGB auf IFRS) erforderlich, so muss damit frühzeitig begonnen werden, da dies äußerst komplex und zeitaufwendig ist.

Checkliste

  • Für welches Segment hat sich das Unternehmen entschieden? Welche Reportinganforderungen sind daran geknüpft? Erfüllt das Unternehmen die identifizierten Anforderungen?
  • Werden IFRS-Vorschriften sowohl in der Vergangenheit als auch in der Planung einheitlich und konstant berücksichtigt?
  • Ist ein internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem (§ 91 Abs. 2 AktG) vorhanden oder muss dieses noch etabliert werden?
  • Liegt ein leistungsfähiges Management- Informationssystem (MIS) vor, das die zur Steuerung und Kontrolle des Unternehmens notwendigen Informationen liefert?
  • Ist das Management-Informationssystem (MIS) mit dem externen Rechnungswesen abstimmbar?
  • Werden alle Daten richtig und zeitnah verarbeitet, so dass zukünftige Publikationsanforderungen rechtzeitig erfüllt werden können?
  • Ist das Personal aus dem Rechnungswesen ausreichend qualifiziert und geschult?
  • Verfügt das Unternehmen über ein effizientes externes Berichtswesen einschließlich Konsolidierungssystemen?

Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden

Grundlage für die Analyse ist das Verständnis der Methoden und Verfahren, die bei der Erstellung der Jahresabschlüsse angewandt wurden, da sich hieraus Einflüsse auf die Darstellung der historischen und künftigen Geschäftsentwicklung ergeben können. So ist bei der Analyse u. a. zu beachten, welche Ermessensbereiche es gibt, ob die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sachgerecht sind, den branchenüblichen Praktiken entsprechen und einheitlich angewandt wurden.

Vergleichbarkeit der Finanzinformationen im Zeitablauf

Vor der Analyse ist es wichtig, die Zweckmäßigkeit der vorgelegten Finanzinformationen für die ökonomische Beurteilung des Unternehmens zu erkennen und zu beurteilen. Die Aussagekraft der Finanzinformationen kann durch Auswirkungen von umfangreichen Akquisitionen oder Veräußerungen in den letzten Jahren oder wesentliche Devisenkursauswirkungen auf die ausgewiesenen Ergebnisse beeinflusst worden sein.

Zur Erläuterung und Abstimmung der Zahlen werden in der Regel Informationen aus dem internen Berichtswesen verwendet.

Arbeitspapiere des Abschlussprüfers

In der Regel erlangen die FDD-Berater mittels der Durchsicht der Arbeitspapiere des Abschlussprüfers Verständnis über die Grundlagen der Abschlussprüfung und können somit beurteilen, ob die geprüften Abschlüsse eine verlässliche Basis für die Due- Diligence-Arbeiten liefern. Auf diese Weise können bereits in der Prüfung aufgetretene und geklärte Probleme wichtige Erkenntnisse für die Financial Due Diligence liefern.

Qualität der Finanzinformationen

Bei der Datenerhebung ist es wichtig, das Management- Informationssystem zu verstehen und beurteilen zu können, um so Erkenntnisse über die Informationsverfügbarkeit und -erstellung zu gewinnen. Hierdurch sollte möglichst ausgeschlossen werden, dass die Qualität der Informationen und des Management-Reportings nicht angemessen ist und somit Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit historischer Finanzinformationen aufwerfen könnten. Denn nicht nur der Umfang, sondern auch die Qualität der bereitgestellten Daten haben einen entscheidenden Einfluss auf die Erkenntnisse der Due Diligence. So sollte u. a. analysiert werden, welche KPIs zur Unternehmenssteuerung ermittelt werden und ob diese dem Branchenstandard entsprechen. Des Weiteren ist zu erläutern, inwieweit Schätzungen in die Monatszahlen einfließen und welche Finanzsysteme und -kontrollen es gibt.

Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass einige Mitarbeiter und insbesondere das Management meist ein hohes Interesse an dem Börsengang haben. Somit ist eine kritische Beurteilung der Zuverlässigkeit und des Wahrheitsgehalts der bereitgestellten Daten unabdingbar.

Informationsbeschaffung/-quellen

Allgemein hat es sich in der Praxis mehr und mehr durchgesetzt, dass den Unternehmen Informationsanforderungslisten mit bereitzustellenden Dokumenten und Unterlagen durch das FDD-Team zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere sind dafür die folgenden Informationen erforderlich:

  • Geprüfte Jahresabschlüsse (Bilanz, GuV, Kapitalflussrechnung) ggf. nach IFRS inklusive Management Letter und Prüfberichte der Abschlussprüfer. Diese sollten durch Monats-,Quartals- und Halbjahreszahlen ergänzt werden
  • Management Accounts (Sparten-, Deckungsbeitrags- und Ergebnisrechnung) inklusive Planungsrechnungen
  • Zugang zum Management und zu Mitarbeitern aus dem Rechnungswesen/Controlling
  • Ergebnisse aus anderen Teilen der Due Diligence (z. B. Commercial oder Market Due Diligence).

Bevor die Plausibilität der Planungsrechnung überprüft werden kann, gilt es zunächst, die Vergangenheit genau zu analysieren. Bei der Vermögensanalyse steht die Betrachtung der angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethode im Vordergrund. Sowohl die praktizierte Bilanzpolitik als auch die Verlässlichkeit und Integrität der Bilanzzahlen müssen festgestellt werden.

Analyse der Vermögenslage

Bei der Analyse der Vermögenslage gilt es zu prüfen, ob die Bewertungsmethoden über die (in der Regel drei bis fünf) betrachteten Jahre konstant angewandt wurden und die Vermögensdarstellung klar und einheitlich abgegrenzt wurde. Ein weiterer Themenkomplex in diesem Zusammenhang ist die Aufdeckung von überbewerteten Vermögensgegenständen oder unterbewerteten Verbindlichkeiten und Rückstellungen, aus denen Risiken entstehen können. Um diese Sachverhalte zu durchleuchten, führt das FDD-Team in der Regel folgende Tätigkeiten durch:

  • Analyse der Bilanz zum letzten verfügbaren Datum und der Vergleichszahlen zum Datum des letzten geprüften gesetzlichen Jahresabschlusses
  • Analyse der wesentlichen Bilanzposten – Identifizierung von möglichen wesentlichen Überbewertungen von Aktiva und/oder wesentlichen Unterbewertungen von Passiva
  • Kommentierung aller wesentlichen Ermessensspielräume
  • Erläuterungen aller identifizierten nicht bilanzierten Eventualverbindlichkeiten und/oder Verpflichtungen

Analyse des Anlagevermögens

Das Anlagevermögen lässt sich in das Sach- und Finanzanlagevermögen teilen. Bei der Analyse des Sachanlagevermögens können erhebliche stille Reserven aufgedeckt werden. Bei der Analyse sollten die Zu- und Abgänge der letzten fünfzehn Jahre unterteilt nach Jahren und Nutzungsdauer aufgezeigt werden. Hierdurch erhält man Auskunft über das Investitionsverhalten des Unternehmens in der Vergangenheit, die Abschreibungspolitik und einen gegebenenfalls vorhandenen Investitionsstau.

Ferner sollten für die Analyse der Vergangenheit vom Sachanlagevermögen möglicherweise abgesetzte Investitionszuschüsse wieder hinzugerechnet und die Abschreibungen angepasst werden. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang ebenfalls die Auswirkungen der ertragswirksamen Vereinnahmung möglicherweise gewählter Investitionszuschüsse oder -zulagen.

Im Rahmen der Analyse des Finanzanlagevermögens wird ggf. der Beteiligungswert von Tochterunternehmen und deren Ergebnisentwicklung untersucht.

Analyse des Working Capitals

Insbesondere die Working-Capital-Analyse ist bei der FDD von großer Bedeutung. Auch wenn durch die historische Darstellung des Working Capitals nicht automatisch auf die zukünftige Situation des Emittenten geschlossen werden kann, so sollten die Einflussfaktoren vergangener (saisonaler) Schwankungen aufgezeigt werden. Dies dient u. a. zur Feststellung von möglicherweise weiterem erforderlichem Finanzierungsbedarf. Da das Working Capital ggf. einmalige oder liquiditätsfremde Posten enthält, können neben der Rechnungslegungs- und Unternehmensstrukturanpassung noch weitere Anpassungen erforderlich sein. Für die Analyse sollten ferner alle außerordentlichen oder einmaligen Posten, die im Jahresabschluss enthalten sind, sowie Änderungen der Rechnungslegungsgrundsätze und/oder Änderungen der Unternehmensstruktur im Betrachtungszeitraum, die sich auf die in der Vergangenheit ausgewiesene Höhe des Working Capitals auswirken könnten, mit der Geschäftsführung besprochen werden. Des Weiteren sollten die Working- Capital-Komponenten des Unternehmens, die Angemessenheit der Wertberichtigungen für Vorräte und Forderungen sowie die Angemessenheit der Höhe dieser Wertberichtigungen beurteilt, mögliche Über- und Unterbewertungen identifiziert und die Fälligkeit von Forderungen und Verbindlichkeiten analysiert werden.

Im Rahmen der Financial Due Diligence wird nicht nur die Finanzierung eines Unternehmens analysiert, sondern auch seine Fähigkeit, die erwirtschafteten Ergebnisse in Liquidität umzuwandeln. Bei der Cashflow-Analyse wird analysiert, welche Finanzmittel das Unternehmen operativ generieren konnte, wofür diese verwendet wurden und in welcher Höhe Free Cashflow zur Ausschüttung an die Gesellschafter zur Verfügung steht.

Analyse der Nettoverschuldung

Gemeinhin wird die Nettoverschuldung in der Bilanz durch liquide Mittel und Bankverschuldung gekennzeichnet, teilweise werden auch Pensionsoder Jubiläumsverpflichtungen dazu gerechnet. Im Rahmen der FDD sind sämtliche Bilanzpositionen im Hinblick auf weitere zinstragende Verbindlichkeiten oder Positionen mit schuldenähnlichem Charakter zu analysieren. Typischerweise in anderen Bilanzpositionen ausgewiesene aber unter Nettoverschuldung zu berücksichtigende Sachverhalte sind z. B.

  • Abgegrenzte Zinsen, Abgaben etc.
  • Finanzierungs-Leasingverhältnisse
  • Schuldenähnliche Posten (z. B. Verbindlichkeiten aus Investitionen, Factoring-Vereinbarungen) sowie alle sonstigen Posten, die das Risiko eines wesentlichen Liquiditätsabflusses bergen
  • Erhaltene Vorauszahlungen (z. B. Anzahlungen von Kunden)
  • Steuern der laufenden Periode und aus Vorperioden

Darüber hinaus ist zu prüfen, ob sonstige nicht bilanzierte Posten und Rückstellungen, die zu einem Liquiditätsabfluss führen könnten, als Nettoverschuldung zu bewerten sind. Bei der Berücksichtigung der liquiden Mittel sollte die freie Verfügbarkeit analysiert und angemessen berücksichtigt werden.

Ein weiterer Punkt, der sich insbesondere auch aus der Analyse des Working Capitals ergibt, ist die Untersuchung und Beurteilung des unterjährigen Finanzbedarfs.

Analyse der Investitionen

Bei der Analyse der Investitionen ist es wichtig, sich die Aufteilung historischer und künftiger Investitionen in Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen einschließlich der verbindlich zugesagten sowie der im Ermessen des Emittenten liegenden künftigen Investitionen genauer anzusehen. Historische Ersatzinvestitionen könnten Elemente enthalten, die Trends im Jahresvergleich verzerren und, sofern sie nicht angepasst werden, dazu führen, dass unangemessene Schlussfolgerungen über die prognostizierten freien Cashflows des Unternehmens gezogen werden.

Daher sind die folgenden das Bild verzerrenden Faktoren zu berücksichtigen:

  • Definition und Kategorisierung von Ersatz- gegenüber Erweiterungsinvestitionen
  • Wartungs-/Ersatzzyklus
  • Außerordentliche/einmalige Ausgaben
  • Investitionsausgaben gegenüber Abschreibungsaufwand
  • KPIs von Investitionen gegenüber Branchenstandards
  • Höhe der Investitionsausgaben gegenüber Budgetwerten
  • „Gesetzliche“ Investitionen – z. B. Umweltschutz, Erfüllung rechtlicher Bestimmungen etc.

Cashflow-Analyse

Im Rahmen der Cashflow-Analyse steht die Frage nach der Fähigkeit des Unternehmens, Erträge in freie Liquidität umzuwandeln, im Vordergrund.

Grundsätzlich unterteilt sich der Cashflow in den operativen, den Investitions- und den Finanzierungs- Cashflow. Bereits bei der Betrachtung des operativen Cashflows ist darauf zu achten, inwieweit der ausgewiesene Cashflow als nachhaltig zu betrachten ist oder ob dieser aus der Reduzierung von z. B. Working Capital im Rahmen von Einmaleffekten generiert wurde. Ziel der FDD ist es, hier unter anderem Aussagen zu einem nachhaltigen operativen Cashflow zu treffen. Hierfür sind cashrelevante Einmaleffekte zu identifizieren und gegebenenfalls anzupassen.

Im nächsten Schritt ist zu untersuchen, inwieweit die operativ erwirtschafteten liquiden Mittel direkt investiert wurden, oder umgekehrt, inwieweit der operative Cashflow Ausfluss der investierten Mittel ist.

Im Rahmen der Finanzierung ist zu untersuchen, inwieweit die nach Investitionen verbleibenden liquiden Mittel in die Bedienung der Nettoverschuldung fließen, oder in der Vergangenheit gegebenenfalls die Aufnahme zusätzlicher Verschuldung die Finanzierung der Geschäftstätigkeit sichergestellt hat.

Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, ist der Cashflow-Analyse besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Insbesondere ist die korrekte Zuordnung der liquiditätswirksamen Vorgänge und damit die Verarbeitung der Ergebnisse aus anderen Analysen von entscheidender Bedeutung.

Bei der Analyse der Ertragslage des Unternehmens gilt es, die wesentlichen Wertschöpfungspotenziale und die gegenüberstehenden Kosten herauszuarbeiten. Des Weiteren wird die Ertragslage auch hinsichtlich ihrer Entwicklung betrachtet. Da die Informationen aus der GuV für eine detaillierte Analyse meist nicht ausreichen, werden in der Regel auch Daten aus dem internen Rechnungswesen verwendet. Diese zeigen die Ertragslage einzelner Produkte und Bereiche detaillierter auf.

Wesentliche Werttreiber

Ein wesentlicher Aspekt für die Beurteilung der Ertragskraft ist die Identifizierung und das Verständnis der wesentlichen Werttreiber für historisches und geplantes Wachstum bzw. der historischen und prognostizierten Ertragskraft.

In diesem Zusammenhang ist es ratsam, eine Preis- Volumen-Analyse durchzuführen. Dabei ist die Frage zu beantworten, ob die Umsatz- und Kostenentwicklung durch den Preis oder das Volumen getrieben sind. Hilfreich bei dieser Analyse sind die in der Commercial oder Market Due Diligence gewonnenen Erkenntnisse und Kennzahlen. Bei der Prüfung des historischen Geschäftsverlaufs sind u. a. folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Organisches Wachstum vorhanden
  • Relativer Beitrag der einzelnen Produkte und Leistungen zu Umsatz, Bruttoergebnis, EBITDA und Deckungsbeitrag
  • Gewonnene/verlorene Großaufträge
  • Auswirkungen von Preis- und Mengenänderungen auf Umsatzerlöse und -kosten sowie die Möglichkeit, Kostenerhöhungen abzuwälzen
  • Wechselkursschwankungen
  • Erfolg von Produkteinführungen

Wichtig ist, dass bei der Ergebnisanalyse (z. B. Umsatz, wesentliche Kostenpositionen, EBITDA) im Jahresvergleich auf Basis konstanter Wechselkurse gearbeitet wird bzw. Wechselkurseffekte nicht mit Preiseffekten vermischt werden.

Bereinigtes EBIT/EBITDA

Bei der Analyse der Ertragslage ist ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt die Beurteilung der nachhaltigen Ertragskraft. Gegebenenfalls müssen außerordentliche und aperiodische Erträge und Aufwendungen identifiziert und neutralisiert bzw. zeitlich neu zugeordnet werden. Ziel ist die Ermittlung eines bereinigten EBITDAs, das eine Vergleichbarkeit zwischen den Jahren erlaubt. Auch kann eine Proforma- Anpassung bzw. -Darstellung der historischen Ergebnisse erforderlich sein, um eine sachgerechte Beurteilung der nachhaltigen Ertragskraft zu ermöglichen. Im Rahmen der Analyse gilt es, u. a. folgende Punkte zu berücksichtigen, da sie die Ertragslage erheblich verzerren können:

  • Spielräume des Aktivierungswahlrechtes und der innerbetrieblichen Kostenrechnung
  • Außerordentliche oder einmalige Posten
  • Akquisitionen und Veräußerungen
  • Gebildete und aufgelöste Rückstellungen
  • Außerordentliche Abschreibungen und Zuschreibungen
  • Wechselkursschwankungen
  • Betriebserweiterungen, -stilllegungen
  • Aufgabe von Geschäftsbereichen
  • Beitrag von nicht konsolidierten Unternehmen
  • Laufende Liefervereinbarungen
  • Neue Kundenverträge
  • Produktions- und Kapazitätsinvestitionen
  • Restrukturierung und Rationalisierung der Kostenbasis
  • Produktions- und Kapazitätsinvestitionen

Aktueller Geschäftsverlauf und Gesamtjahresausblick

Weitere Aspekte bei der Ertragsanalyse sind sowohl die Beurteilung des aktuellen Geschäftsverlaufs sowie aller potenziellen Risiken und Sensitivitäten (positive wie negative Abweichungen) im Hinblick auf das derzeit geschätzte Gesamtjahresergebnis als auch die Einschätzung, wie sich diese auf das IPO auswirken könnten. Bei der Beurteilung, ob das Gesamtjahresergebnis erzielt werden kann, sind mitunter folgende Sachverhalte zu berücksichtigen:

  • Auf das Jahr hochgerechnete aktuelle monatliche Ergebnisse
  • Saisonale Schwankungen des Geschäftsverlaufs und der Ergebnisse
  • Auswirkung von aufgegebenen Geschäftsbereichen/ Akquisitionen/Veräußerungen
  • Auswirkung außerordentlicher Posten
  • Von der Geschäftsführung umgesetzte Maßnahmen/ Business Turnarounds/sonstige Pro-forma- Effekte
  • Mögliche Ursachen von (kurzfristigen) Ergebnisschwankungen (z. B. an börsennotierte Rohstoffe gekoppelte Materialkosten)
  • Üblicher Umfang von Anpassungen zum Jahresende (z. B. Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen, nur am Jahresende erfasste Standardkostenabweichungen)

Ziel der Planungsanalyse ist es, die zukünftige Ertragskraft und die Fähigkeit des Unternehmens, ausschüttbare Cashflows zu generieren, zu beurteilen. Im Rahmen des IPOs stellt die Planungsrechnung eine entscheidende Grundlage für die Unternehmensbewertung und somit für den späteren Emissionspreis dar. Für die Analyse der Planungsrechnung liefern die vorangegangenen Untersuchungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und die Commercial Due Diligence die entscheidenden Informationen.

Planungsprozess

Vor der Analyse sollte der Berater den Planungsprozess verstehen, da dieser Mängel aufweisen könnte, die sich auf die Zuverlässigkeit der prognostizierten Finanzinformationen auswirken könnten. In diesem Zusammenhang sind die Zeitplanung für die Planungsdurchführung und die Einflüsse der Verantwortlichen auf die Planung genauer zu betrachten. Weiter gilt es u. a. zu analysieren, mit welcher Methodik (Bottom-up oder Top-down) die Planung erstellt wurde und welches die kritischen Faktoren bei der Planung sind.

Planungsrechnung

Primär müssen zur Untersuchung der Planungsrechnung alle Maßnahmen, die den Geschäftsbetrieb in der Zukunft wesentlich beeinflussen können, zusammengestellt werden. Bei der Betrachtung der Planung werden nicht nur die zukünftigen Perioden durchleuchtet, sondern es wird auch ein Soll-Ist- Vergleich vergangener Jahre gemacht, um die Plangenauigkeit der Vergangenheit zu beurteilen (Zeitraum drei bis fünf Jahre).

Anschließend werden diverse Planzahlen auf ihre Erreichbarkeit geprüft. Dabei sind verschiedenste Faktoren zu berücksichtigen.

  • Auslaufende Lieferantenverträge
  • Veränderungen des Produktportfolios
  • Kreditverträge
  • Möglichkeit der Darlehenskündigung
  • Synergieeffekte bei Sortimentsausweitung
  • Entwicklung der Auftragslage
  • Entwicklung der Materialkosten und sonstigen zusätzlichen Aufwendungen
  • Entwicklung der Verkaufspreise
  • Kapazitätsentwicklung
  • Personalkapazitäten und –kosten

Ferner werden z. B. auf Grundlage der Ergebnisse der Finanzlage künftig geplante Investitionen geprüft und verglichen mit:

  • historischen Trends,
  • bekannten Plänen des Unternehmens (z. B. Kapazitäts- und Rationalisierungsplan),
  • Abschreibungen,
  • notwendigen Investitionen.

Formell sollte eine gute, leistungsfähige Planung:

  • aus aufeinander abstimmbaren Erfolgs-, Vermögens- und Finanzplanungen bestehen;
  • auf Monatsebene und für die verschiedenen Unternehmensbereiche separat dargestellt sein und saisonale Schwankungen berücksichtigen.

Sensitivitätsanalyse

Die Planung stellt ggf. keinen realistischen „Base Case“ dar, so können sich z. B. verschiedene Faktoren auf die geplanten Ergebnisse auswirken. Die häufigsten Indikatoren dafür sind:

  • Von historischen und aktuellen Ergebnissen/Trends abweichende Annahmen
  • Annahmen (z. B. über Marktgröße, Marktanteil, Margen, Mengen/Preise, Kostenbasis, Kapazitäten), die im Vergleich mit anderen Quellen als nicht plausibel erscheinen
  • Nach der Planungserstellung eingetretene Ereignisse oder Marktereignisse, die zu einer Änderung der Annahmen führen

Bei der Sensitivitätsanalyse geht es darum, die essenziellen Risiken und möglichen Chancen gegenüber der Planung zu verstehen, verschiedene Auswirkungsszenarien zu analysieren und die daraus resultierenden möglichen Abweichungen zu erörtern.

Besonderheiten im Rahmen des IPOs

Ergeben sich aus der FDD Sachverhalte, die die Börsenfähigkeit des Unternehmens einschränken, sind die Kosten zur Behebung dieser Schwachstellen in der kurzfristigen Planung zu berücksichtigen. Falls wesentliche Schwachstellen aufgezeigt werden, kann dies den geplanten Emissionspreis deutlich senken oder zu einer Absage des Börsengangs durch die Konsortialbank führen. Demgegenüber steht die notwendige Beachtung der dem Unternehmen beim Börsengang zukommenden Liquidität. Auch wenn die genaue Höhe des Kapitalzuflusses zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt ist, so sollten entweder zinstragende Verbindlichkeiten reduziert werden können oder Investitionen im Hinblick auf internes und externes Wachstum eingeplant werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine Prüfung der späteren Ausschüttungsfähigkeit des Unternehmens, damit es nicht zu einer negativen Entwicklung des Aktienkurses kommt, wenn die Erwartungen der Anleger diesbezüglich nicht erfüllt werden können.


Autor: Heinrich Lind
PDF: Financial Due Diligence – Grundlagen, Sinn und Zweck

4.12. Tax Due Diligence

Die Tax Due Diligence gehört zum Bestandteil einer Due Diligence bei jedem IPO. Die Komplexität und die zum Teil gravierenden finanziellen Auswirkunken erfordern den Einsatz von steuerlichen Fachleuten. Hierbei reicht das Wissen und die Erfahrung der Steuerabteilung des IPO-Unternehmens meist nicht aus. Börsenerfahrene Steuerexperten, die in der Regel von der konsortialführenden Bank beauftragt werden, sind hier die richtigen Ansprechpartner für steuerliche Fragestellungen bei einem IPO.

Zielsetzungen einer Tax Due Diligence

Die Tax Due Diligence ist ein integraler Bestandteil des Gesamtprozesses eines IPOs. Schon in der ersten Phase eines IPOs, die mit den Begriffen IPO-Konzeption und Unternehmensanalyse beschrieben werden kann, wird der mit der Durchführung des Tax Due Diligence betraute Berater hinzugezogen, um die Börsenfähigkeit des Unternehmens aus steuerlicher Sicht zu beurteilen.

Im weiteren Verlauf des IPO-Prozesses fokussiert sich die Tax Due Diligence auf die Bereitstellung der notwendigen Informationen über steuerliche Themen und Risiken für die im Rahmen des IPOs in vielfältiger Weise zu erfüllenden Publizitätspflichten, insbesondere im Rahmen der Erstellung eines Börsenprospektes.

Dabei beschränkt sich die Tax Due Diligence nicht allein auf die passive steuerliche Risikoanalyse der Vergangenheit des IPO-Unternehmens, sondern umfasst auch den Bereich der Aufbereitung und Darstellung entscheidungserheblicher Informationen im Rahmen der Finanzberichterstattung (sog. Tax Accounting), um den Finanzmarkteilnehmern eine Bewertung des IPO-Unternehmens zu ermöglichen.

Neben der Vielzahl der steuerlichen Angaben, die bereits für die laufenden Jahresabschlüsse nach internationalen Rechnungslegungsstandards erforderlich sind, wird im Rahmen der Tax Due Diligence auch überprüft, ob im Vorfeld des Börsengangs noch anstehende Umstrukturierungsmaßnahmen im Rahmen der von dem Unternehmen zu erstellenden Pro-Forma-Abschlüsse zutreffend abgebildet werden.

Im Fokus von Analysten, Investmentbanken und zukünftigen Aktionären stehen dabei Kennzahlen wie die Konzernsteuerquote (d. h. der als Prozentsatz ausgedrückte Quotient aus dem laufenden und latenten Ertragsteueraufwand und dem Jahresergebnis vor Steuern).

Die Konzernsteuerquote (Effective Tax Rate) wird auch zur Ableitung des zukünftig anzuwendenden Steuersatzes und damit der Ableitung des zukünftigen Steueraufwandes verwendet und findet so über die Herleitung eines zukünftigen Nettoertrages nach Steuern Eingang in alle bekannten Unternehmensbewertungsverfahren.

Die Veränderung der Konzernsteuerquote hat dabei eine ernorme Hebelwirkung auf die Marktkapitalisierung des IPO-Unternehmens, da die Absenkung der Konzernsteuerquote um nur wenige Prozentpunkte eine Verbesserung des Gewinns je Aktie (Earning per Share) zur Folge hat, die ansonsten nur durch eine erhebliche Umsatzsteigerung möglich ist. Die Hebelwirkung spiegelt dabei die Rolle des Steueraufwandes als eine der wichtigsten Aufwandspositionen des IPO-Unternehmens wider.

Ein effizientes Management des Ertragsteueraufwandes ist daher eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Börsengang.

Verfahrensablauf

Die Beauftragung des Tax-Due-Diligence-Teams erfolgt in der Regel durch die das IPO leitende Konsortialbank. Das Tax-Due-Diligence-Team wird auf Seiten des IPO-Unternehmens tätig und hat damit unbegrenzten Zugang zu allen steuerlich relevanten Informationen und wird durch das interne und externe Steuerteam des IPO-Unternehmens aktiv unterstützt.

Neben der Befragung des internen und externen Steuermanagements sowie weiterer Ansprechpartner wie Controller oder Wirtschaftsprüfer wird zur Informationsbeschaffung in der Regel ein Datenraum angelegt, der die steuerlich relevanten Unterlagen und Dokumentationen wie Steuererklärungen, Steuerbescheide und Betriebsprüfungsberichte enthält.

Für die Tax Due Diligence bei ausländischen Tochtergesellschaften wird der mit der Durchführung der Tax Due Diligence beauftragte Berater im Allgemeinen Teams aus den jeweiligen Ländern hinzuziehen.

Die Ergebnisse der Tax Due Diligence werden schließlich in einem Report zusammengefasst, der den steuerlichen Status aus Unternehmenssicht beschreibt.

Umfang einer Tax Due Diligence

Aufgrund ihrer Zielsetzung umfasst die Tax Due Diligence die steuerliche Risikoanalyse der Vergangenheit, die Analyse der Leistungsfähigkeit des internen und externen Steuermanagements, die Analyse der Darstellung der steuerlichen Risiken und Chancen im Rahmen des Tax Accountings.

Die steuerliche Risikoanalyse der Vergangenheit des Unternehmens fokussiert sich in zeitlicher Hinsicht auf Besteuerungszeiträume, die verfahrenstechnisch noch „offen“ sind und für die daher noch Steuernachzahlungen drohen.

Neben den klassischen Steuerarten Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Grunderwerbsteuer und Quellensteuer wird der sachliche Umfang der Tax Due Diligence anhand der Besonderheiten des Unternehmens ausgerichtet. So macht der Börsengang eines Energieunternehmens die Prüfung von Energiesteuern (Stromsteuer, Mineralölsteuer etc.) oder der Börsengang eines Handelsunternehmens die Prüfung des Themenfeldes Zoll erforderlich.

Die Tax Due Diligence umfasst dabei in der Analyse unter anderem folgende steuersensible Risikobereiche:

  • Analyse des sog. Tax Accountings, d. h. der bilanziellen Berücksichtigung von steuerlichen Risiken, Analyse von Steuerrückstellungen, aktiven und passiven latenten Steuerpositionen im Konzernabschluss
  • Finanzierungsstruktur im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit von Zinsen (Zinsschranke, Überentnahmeproblematik etc.)
  • Reorganisationen in der Vergangenheit (Risiko der Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven)
  • Anerkennung steuerlicher Organschaften (Wirksamkeit von Gewinnabführungsverträgen, Durchführung der Organschaften)
  • Bestand und Nutzung von Verlustvorträgen und Möglichkeiten der künftigen Nutzung
  • Transaktionen mit verbundenen Unternehmen, d. h. alle Aspekte des Themas Verrechnungspreise
  • Quellensteuern, insbesondere auf verdeckte Gewinnausschüttungen
  • Steuerliche Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen

Autor: Dr. Tillmann Pyszka
PDF: Tax Due Diligence

4.13. Market Due Diligence

Die Analyse des für das Unternehmen relevanten Marktes und damit der relevanten Wettbewerber können bei einer Due Diligence von ausschlaggebender Bedeutung sein. Eine Ausklammerung dieser Analyse ist dann geboten, wenn der Auftraggeber der Due Diligence über eine so umfassende Kenntnis des relevanten Marktes und der Wettbewerber verfügt, dass er ausdrücklich auf eine Markt- und Wettbewerbsanalyse durch den Due-Diligence-Gutachter verzichtet. Im Rahmen der wirtschaftlichen Due Diligence geht es zunächst um die Analyse der globalen Umwelt sowie des rechtlichen Markt- und Wettbewerbsumfeldes. Ausgehend von diesem Umfeld wird die eigentliche Markt- und Wettbewerbsanalyse durchgeführt. Dazu gehören eine Identifizierung des relevanten Marktes und die eigentliche Analyse des Marktes. Erst nach eindeutig vorgenommener Marktuntersuchung kann eine Einordnung des untersuchten Unternehmens in den relevanten Markt erfolgen. Wie bei der Marktanalyse muss eine Identifizierung und Entwicklungsanalyse der Wettbewerber erfolgen. Im Anschluss daran wird eine Abgrenzung des untersuchten Unternehmens gegenüber dem relevanten Wettbewerber erfolgen.

Analyse der globalen Umwelt

Im Hinblick auf die effektive Durchführung einer Due Diligence muss abgewogen werden, in welchem Umfang eine Analyse der globalen Umwelt mit einbezogen wird. Solche allgemeinen Fragestellungen werden nur dann analysiert, wenn sie konkrete Auswirkungen auf die Ertragskraft des Unternehmens haben.

In der Praxis hat sich bewährt, im Rahmen von Gesprächen nach Änderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage zu fragen und die möglichen Auswirkungen für das Unternehmen mit den Gesprächspartnern zu diskutieren. Häufig kommen wesentliche Änderungen nicht plötzlich auf das Unternehmen zu. Daher werden sich die Auswirkungen solcher volkswirtschaftlichen Veränderungen meist in der Planungsrechnung des Unternehmens (Gegenstand der Financial Due Diligence) widerspiegeln.

Ausschlaggebend bei der Analyse der globalen Umwelt sind die Entwicklungen, die einen direkten Einfluss auf das Unternehmensgeschehen haben. So z. B. geplante Steueränderungen wie die Anerkennung eines Verlustvortrages oder die steuerliche Abzugsfähigkeit bestimmter Aufwendungen. Dazu gehören auch die Entwicklung volkswirtschaftlicher Größen, wie z. B. des Bruttosozialproduktes, der Arbeitslosenquote und der Konsumquote. Ebenfalls kann sich die Entwicklung der allgemeinen Preisindizes auf das Nachfrageverhalten der Konsumenten auswirken.

Von Bedeutung sind für das Unternehmen auch deutliche Wechselkursänderungen. Ein exportorientiertes Unternehmen kann dadurch Preisvor- aber auch -nachteile haben. So können sich im Ausland einzukaufende Materialien verteuern oder verbilligen. Aufgrund nicht währungsgesicherter Forderungen und Verbindlichkeiten können Währungsverluste eintreten.

Analyse des rechtlichen Markt- und Wettbewerbsumfeldes

Eine besondere Rolle spielen hier mögliche oder bereits absehbare Gesetzesänderungen, die Einflüsse auf das Chancen- oder Risikopotenzial des Unternehmens haben können. Ebenso können sich Einschränkungen oder Möglichkeiten für die Wettbewerbsstruktur ergeben.

Beispiele:

Betrieb von Altenheimen und Fachkliniken: Analyse der langfristigen demografischen Entwicklung der Bevölkerung sowie eine umfangreiche Analyse der Auswirkungen der unterschiedlichen Stufen der Pflegeversicherung.

Verlagsbranche: Analyse der voraussichtlichen Änderungen im Hinblick auf einen alleinigen Verkauf der Bücher über das Internet sowie die Auswirkungen eines Wegfalls der Preisbindung im Buchhandel.

Pharmazeutischer Großhandel: Analyse der Auswirkungen der Gesundheitsstrukturreform auf die Ertragskraft des Unternehmens sowie eine Aussage über Änderungen in der bestehenden Apothekenstruktur.

Gentechnologie: Analyse der voraussichtlichen Gesetzgebungsentwicklung.

Teilweise werden sich solche Analysen auf die nationalen und die internationalen Märkte beziehen.

Marktanalyse

Bei einer Marktanalyse ist es zunächst erforderlich, die zu analysierende Unternehmung in ihrem relevanten Markt eindeutig zu identifizieren. Häufig sind Unternehmen mit unterschiedlichen Produkten auf unterschiedlichen Märkten tätig. Bei einem stark diversifizierenden Unternehmen kann daher die Zuordnung zu mehreren Branchen in Frage kommen. Eine solche Vorgehensweise ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Umsatz- und/oder Ergebnisbeiträge der einzelnen unterschiedlichen Produkte einen erheblichen Anteil am Gesamtunternehmen haben. Ist dies nicht der Fall, so wird man sich auf die Analyse der Hauptprodukte beschränken und von daher eine Branchenzuordnung über diese Konzentration erreichen.

Durch die möglichst eindeutige Indentifizierung des relevanten Marktes wird die Informationserhebung vereinfacht. Man kann sich hierbei auf Sekundärinformationen stützen, die z. B. aus den Unterlagen des Verbandes, zu dem das Unternehmen gehört, entnommen werden können. Aus Kostenund Zeitgründen kommen Primärerhebungen nur eingeschränkt zur Anwendung. Die Gewinnung originärer Informationen erfordert einen höheren Erhebungsaufwand. Eine Möglichkeit der Primärerhebung bieten allerdings persönliche Befragungen von Branchenkennern.

Die erhobenen Marktinformationen der Market-Due- Diligence-Gutachter lassen sich mit den von der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Informationen abgleichen. Hierdurch besteht die Möglichkeit, die Unternehmensinformationen auf Plausibilität hin zu untersuchen.

Wettbewerbsanalyse

Das IPO-Unternehmen hat meist einen guten Überblick über seine Wettbewerber. Aus der Vergangenheit sind die Entwicklungen der Wettbewerber meist bekannt. Informationen über die Entwicklung in der Vergangenheit sind meist unproblematisch zu erhalten. Aus diesen Informationen lässt sich ableiten, wie lange und wie intensiv die Wettbewerber im Markt agieren. Ableitbar sind auch die Stabilitäten und Flexibilitäten der einzelnen Wettbewerber im Markt.

Jedes Marktsegement hat andere Eintrittsbarrieren für neue Marktteilnehmer. In einigen Segmenten gibt es hohe Marktbarrieren in rechtlicher, wirtschaftlicher oder technologischer Art. Denkbar sind z. B. auch nationale Barrieren, so z. B. Erschwernisse beim Eintritt in die asiatischen Märkte.

Bei der Erhebung von Informationen über die Wettbewerber muss man sich zumeist der sekundären Quellen bedienen. Eine direkte Befragung beim Wettbewerber scheidet im Regelfall aus. Ansatzpunkte können hier Verbandsinformationen bieten. Wenngleich solche Informationen immer nur die Branche in ihrer Gesamtheit abbilden, lassen sich hieraus Trends und Tendenzen für die Entwicklung der Wettbewerber ableiten. Die Qualität dieser Informationen hängt auch von der Wettbewerbsstruktur ab. Bei oligopolistischen Wettbewerbsstrukturen, die durch wenige Wettbewerber gekennzeichnet sind, ist es einfacher aus den Verbandsinformationen Schlussfolgerungen für das zu untersuchende Unternehmen zu ziehen als für polypolistische Wettbewerbsstrukturen, die durch viele Wettbewerber gekennzeichnet sind.

Eine weitere Möglichkeit, Informationen über die Wettbewerber, aber auch über das zu untersuchende Unternehmen zu gewinnen, bieten Kundenbefragungen. Ausgangspunkt dafür sind die Kunden des zu untersuchenden Unternehmens, die sowohl über das Unternehmen als auch über die Wettbewerber befragt werden können. Durch das Aufstellen von Kundenprofilen z. B. nach den Kriterien der Lieferfähigkeit, der Liefergeschwindigkeit, dem Service, der Preisgestaltung, dem Verkäuferverhalten lassen sich Profile für das eigene Unternehmen und für die Wettbewerber aufstellen.

Daneben lassen sich das Vertriebssystem und die Absatzmethoden sowie die Angemessenheit des Werbeaufwandes miteinander vergleichen. Eine unterschiedliche Vergütungsstruktur der Mitarbeiter kann möglicherweise Aussagen über die unterschiedliche Profitabilität der Unternehmen erlauben. Ebenso können in der vergleichenden Betrachtung die Produktivität und die Kapazitätsauslastung in die Analyse einbezogen werden.

Soweit dies anhand der Informationen über die Wettbewerber möglich ist, sollte man neben den überwiegend qualitativen Informationen auch versuchen, quantitative Informationen miteinander zu vergleichen. Als eine zentrale Kennziffer neben den Umsatzerlösen lässt sich dafür die Umsatzrentabilität verwenden. Bei dem Vergleich dieser Kennziffer ist allerdings darauf zu achten, inwieweit außerordentliche und periodenfremde Aufwendungen und Erträge die Jahresergebnisse beeinflusst haben.


Autor: Prof. Dr. Jürgen Wegmann
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4.14. Technical Due Diligence

Eine Technical Due Diligence wird in der Regel durch eine Betriebsbegehung eingeleitet. Sie ist in jedem Fall wichtig, um ein lebendiges Bild von dem zu untersuchenden Unternehmen zu erhalten. Hier können erste Eindrücke gewonnen werden über die Effektivität des Produktionsablaufes, über die Sorgfalt, mit der die Produktion durchgeführt wird, aber auch über deutliche Schwachstellen im Betrieb, deren Beseitigung erhebliche Kosten verursachen wird.

Die Beschreibung der Produktionsanlagen wird in einem umfassenden technischen Organigramm bzw. einem Werksplan enthalten sein. Für die Einschätzung der Substanz des Betriebes sollten Auskünfte über das Alter der Produktionsanlagen eingeholt werden.

In einzelnen Fällen kann die Frage nach der Betriebsgenehmigung und deren Dauer für die weitere Existenz des Unternehmens von entscheidender Bedeutung sein. Hier ist insbesondere an eine Versagung wegen einer umweltgefährdenden Produktion oder einer erheblichen Immissionsbelastung zu denken. Erste Ansätze für eine solche Problematik können sich bereits bei der Betriebsbegehung und der Betrachtung der unmittelbaren Nachbarschaft des Unternehmens ergeben.

Produktionskapazität

Die Zusammenstellung der Produktionsmengen der letzten Jahre und deren Entwicklung werden zu Aussagen über die Produktionskapazität des Unternehmens führen. Hier lassen sich möglicherweise bereits technische Grenzen feststellen, die dazu führen, dass das Erreichen bestimmter Umsatzgrößen in der Planung der Gesellschaft als nicht plausibel eingeschätzt werden kann.

Bei einer Kapazitätsausweitung durch die Einbindung neuer Maschinen muss eine bestimmte Zeit für die Inbetriebnahme und eventuelle Störungen in der Produktion eingeplant sein. Diese Zeit wird von Hersteller zu Hersteller verschieden sein und hängt auch von der Qualität der bestellten Maschinen ab. Soweit in der Planung von Änderungen des Produktionsverfahrens ausgegangen wird, sind ähnliche Maßnahmen in der Vergangenheit auf die Effektivität der Durchführung zu betrachten. Entsprechende Änderungen sind durch Wirtschaftlichkeitsrechnungen und Alternativüberlegungen vorzubereiten, denen die Frage nach den Absatzmöglichkeiten der zusätzlichen Produktmengen vorhergehen muss.

Für die wirtschaftliche Beurteilung ist auch die Kapazitätsauslastung der letzten Jahre von Bedeutung. Sie dient der Vorbereitung einer Break-even-Analyse.

Produktionsablauf und Qualitätskontrolle

Die Beschreibung des Produktionsverfahrens mit einer Einstufung in die verschiedenen Verfahren der Einzelfertigung, Serienfertigung oder Massenfertigung erlauben Aussagen zur Technologie und Modernität im Vergleich zu den Wettbewerbern. Kritisch ist bereits, wenn es keine ausreichende Dokumentation des Produktionsverlaufes gibt.

Bei dem Produktionsablauf kann im Rahmen von Arbeitsstudien für Fertigungsplanung (Zeitsystem) mit Zeit- und Mengenangaben beurteilt werden, inwieweit eine wirtschaftliche Fertigungsplanung mit einer gleichmäßigen Kapazitätsauslastung vorliegt. Die Feststellung hoher Stillstands- und Umrüstungszeiten kann auf erhebliche Schwächen im Produktionsablauf hindeuten.

Die Kontrolle des Materialflusses kann Aussagen zur Senkung der Durchlaufzeit ermöglichen. Auch Angaben über die Planung der Fertigungsmittel im Konstruktionsstadium und eine Optimierung der Bevorratung in der Fertigungsplanung sind von Bedeutung.

Soweit in der Branche Zertifizierungen, z. B. im Automobilzuliefererbereich, üblich sind, wird sich die Analyse auch auf das Vorhandensein solcher Zertifizierungen beziehen müssen.

Schließlich sind auch Überlegungen über mögliche Engpässe für die Aufrechterhaltung oder eine Erweiterung der Produktion anzustellen.

Als Risikopunkte sind die Qualitätskontrolle, die Häufigkeit von Ausschuss und Schwund, die Betriebssicherheit und schließlich der Umweltschutz gesondert zu untersuchen.

Lagerkapazitäten und Energieversorgung

Die Lagerkapazitäten des Unternehmens sind einerseits wichtig für die Möglichkeit, größere Mengen kostengünstiger produzieren zu können. Andererseits kann der Aufbau großer Bestände auch zu erheblichen Aufwendungen für die Finanzierung führen. Wenn in der Branche umfangreiche Just-in-Time- Modelle üblich sind, kann eine hohe Lagerkapazität zu starken Wettbewerbsnachteilen führen.

In diesem Zusammenhang müssen auch die Produktflüsse innerhalb der Produktionseinrichtungen des Unternehmens untersucht werden. Nur bei einem optimalen Fluß werden alle Kostenvorteile effektiv genutzt.

Im Bereich der Energieversorgung sind Untersuchungen über die Liefermöglichkeiten und die Preisgestaltung in der Zukunft anhand der bestehenden Energielieferungsverträge vorzunehmen. Hier kann eine eigene Energieversorgung des Unternehmens von Vorteil sein, wenn die Anlage wirtschaftlich genutzt werden kann.

Standortvorteile und -nachteile

Die Untersuchung über Standortvor- und -nachteile kann sich auf einen Standort beschränken, wenn alle Kapazitäten des Unternehmens an einem Ort zusammengefasst sind. Bei der Beurteilung sind verschiedene Ansatzpunkte zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Anlieferung von Rohstoffen oder Vorprodukten ist die Anbindung an die wesentlichen Lieferanten entscheidend. Gerade bei einer vorgesehenen Just-in-time-Produktion ist hier eine kurze Lieferzeit je nach Bedarf und damit ein kurzer Lieferweg entscheidend. Das Gleiche gilt für die räumliche Anbindung an die Kunden des Unternehmens. Hier kann sich eine hohe räumliche Differenz auf die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft negativ auswirken, wenn sie mit anderen Anbietern konkurrieren muss.

Entscheidend für die Qualität eines Standortes kann auch sein, ob die Lohnkosten gering sind, weil es sich um eine Niedriglohnregion handelt und ob materielle Vorteile durch eine regionale staatliche Förderung, sei es durch Steuervorteile oder durch direkte Subventionen, erwartet werden können. Solche Standorte können sich aber auch als schlecht erweisen, wenn das Unternehmen in einem strukturschwachen Gebiet Schwierigkeiten hat, die erforderlichen Arbeitskräfte zu bekommen.

Ausbildungsstand des Personals

Zur Einschätzung der technischen Qualität des Unternehmens gehört auch die Untersuchung des Ausbildungsstandes der Mitarbeiter. Hier steht in der Personalabteilung i. d. R. eine Übersicht zur Verfügung, die die jeweilige Qualifikation der Mitarbeiter dokumentiert. Die Anforderungen an das Ausbildungsniveau der Unternehmen ist branchenspezifisch zu beurteilen.

Ein Hinweis auf die Qualität des technischen Personals lässt sich auch aus der Ausschussquote in der Produktion gewinnen. Ob entsprechende Untersuchungen vorgenommen und dokumentiert werden, ist ein eigener Analysegegenstand.

Forschung und Entwicklung

Im Rahmen der Technical Due Diligence muss auch die technische Erneuerungsfähigkeit des Unternehmens anhand der Anstrengungen auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung dargestellt werden. Hier sollte eine ausreichende Forschungstätigkeit für die Teilnahme des Unternehmens am technischen Fortschritt sichergestellt sein. Ansatzpunkt sind die in der Vergangenheit beantragten Lizenzen und Patente.

Eine optimale Organisation der Forschungs- und Entwicklungsabteilung setzt eine langfristige Budgetprojektierung und Kontrolle voraus, die auch ein Bemühen um Effizienzsteigerung dieses Bereiches erkennen lässt. Kritisch sind hier wesentliche Belastungen des dafür vorgesehenen Budgets durch neue Produkte, deren Erfolgsaussichten noch unsicher sind. Es muss erkennbar sein, dass das Unternehmen unter Berücksichtigung des Produktlebenslaufes der vertriebenen Produkte eine rechtzeitige Fertigstellung neuer Produkte plant und sicherstellt. Dazu ist eine Informationskoppelung zwischen der Forschung und Entwicklung der Fertigung und dem Vertrieb erforderlich.

Soweit Forschungsabteilungen nach außen verlagert worden sind, z. B. an Universitäten oder an wissenschaftliche Institute, ist auch hier die Frage der Effektivität zu erörtern.

Einbindung externer Gutachter in die Technical Due Diligence

Bei einer Technical Due Diligence wird für gewöhnlich eine Einbeziehung externer Gutachter in die Beurteilungsprozesse erforderlich. Hilfestellung können dann z. B. Hochschulen, wissenschaftliche Institute in privater oder freier Trägerschaft oder Forschungsinstitute geben. Eine Hinzuziehung ist von der Akzeptanz des Auftraggebers bzw. des zu begutachtenden Unternehmens abhängig.

Bei komplexen Technologien oder Produktionsprozessen ist den Erfordernissen nach Geheimhaltung durch das IPO-Unternehmen und den Informationsbedürfnissen des Auftraggebers (Konsortialbank) besonders Rechnung zu tragen.

Der externe Gutachter wird im praktischen Due- Diligence-Auftrag häufig als Unterauftragnehmer für den Hauptgutachter tätig. Die Erkenntnisse des externen Gutachters können dann auch in den Bericht des Hauptgutachters einfließen bzw. werden als Anlage dem Due-Diligence-Gutachten (z. B. bei der Financial Due Dilience) beigefügt.


Autor: Prof. Dr. Jürgen Wegmann
PDF: Technical Due Diligence

4.15. Environmental Due Diligence

Das gestiegene Umweltbewusstsein sowie das Risiko von Umweltschäden bei Unternehmen hat die Environmental Due Diligence bei einer Vielzahl von Unternehmensanalysen neben die anderen Analysefelder einer Due Diligence gerückt.

Die potenziellen Haftungsrisiken und die damit zusammenhängenden Kosten müssen im Vorfeld eines IPOs offengelegt werden.

Aufgaben und Ziel

Die Erfassung möglichst aller umweltrelevanten Probleme, aber auch die Ermittlung der finanziellen Risiken, die von einem Standort ausgehen oder auf diesen einwirken, ist die Aufgabe einer Environmental Due Diligence. Ziel ist somit die Erkennung und Bewertung umweltrelevanter Risiken, die sich aus den verschiedenen Bereichen der Produktion und Lagerung ergeben können. Diese können offen zu Tage treten, wie z. B. beim Zustand von Lager-, Produktionsstätten, Be- oder Umfüllstationen bis hin zu der der Entsorgung dienenden Flächen. Sie können aber auch eher versteckt sein, wie Mängel in Abwasserrohren oder unter der Erdoberfläche befindlichen Lagerungen von Schadstoffen.

Weiterhin gehört es zur Aufgabe einer Environmental Due Diligence, die erforderlichen Betriebsgenehmigungen und Fragen der Arbeitssicherheit zu überprüfen sowie die Überwachung, die Kontrolle und die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zu gewährleisten.

Für die Überprüfung möglicher Umweltlasten empfiehlt es sich, ein externes Team von Technikern, Chemikern, Umweltjuristen und weiterer Spezialisten einzusetzen. Besonderes Gewicht hat hierbei der rechtliche Sachverständige, da bei einer Nichtbeachtung, sei es aus Fahrlässigkeit oder Unwissenheit, erhebliche finanzielle Folgen eintreten können. Bei der Regelungsvielfalt deutscher und europäischer Behörden, die über 10.000 umweltrelevante Vorschriften zu überprüfen haben, spielt der umweltrechtliche Sachverstand eine ausschlaggebende Rolle.

Der Nutzen einer Umwelt Due Diligence wird sich somit auf verschiedene Aspekte erstrecken, so z. B. auf die Identifizierung verborgener Risiken, die Klärung von Haftungsfragen, die Vermeidung von Strafen und die Inanspruchnahme externer Verursacher.

Grundlagen der Environmental Due Diligence

Die Analyse der umweltrelevanten Risiken kann sehr komplex sein. Der Umfang und damit die Kosten werden nach Branchen erheblich variieren. Die vielschichtigen Themenkomplexe können sich so z. B. auf die Boden/Grundwasserbelastungen, Innenraumschadstoffe, Energieverbräuche, Trinkwasser- und Abwasserqualität, radioaktive Emissionen, Abwassersysteme, Abfallentsorgung, Luftschadstoffe, Lärmbelastungen, Wärmedämmung und Bausubstanz beziehen.

Ebenso werden die umweltrelevante Gesetze und Verordnungen, die immer für den jeweiligen Standort von Bedeutung sind, als eigenständiger Themenkomplex analysiert. Die umweltrelevanten Verordnungen können sich dabei auf EU-, Bundes, Landes- oder Kommunalebene beziehen.

Insbesondere die Risiken, die sich aus der Grundwassersituation und aus den auf dem Betriebsgelände lagernden Produkten oder Rohstoffen sowie aus Tankanlagen und Batteriestationen ergeben, können zu erheblichen Kostenbelastungen führen. Erfahrene Gutachter können anhand des Produktionsverfahrens und der dazu erforderlichen Stoffe relativ schnell die Analyseschwerpunkte eingrenzen, in denen intensive Erhebungen erforderlich sind. Bei manchen Umweltbelastungen sind die Risiken solange nicht relevant, wie die Nutzung des Geländes sich nicht verändert. Die Höhe der zu erwartenden Kosten für die Beseitigung der Umweltlasten ist ein Anhaltspunkt dafür, ob intensive Untersuchungen erforderlich sind. Auch bei einer Environmental Due Diligence ist auf die Vertretbarkeit der Aufwendungen zu achten. Wenn diesem Kriterium Genüge getan ist, können die erforderlichen Grund- und Abwasseruntersuchungen, Bodenproben und Luftmessungen vorgenommen werden.

Bei allen Unternehmen, die eine Verarbeitung oder Herstellung umweltgefährdender Stoffe vornehmen, sind die Kosten der Genehmigung, der Entsorgung und für den laufenden Umweltschutz einer gesonderten Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Hier geht es z. B. um Abwassermengen oder Produktionsabfälle. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Modernität der Produktionsanlagen im Hinblick auf die Vermeidung von Abfällen zu achten. Soweit hier Rechtsstreitigkeiten mit Nachbarn oder öffentlichen Behörden bestehen, ist eine besondere Risikoabwägung erforderlich.

Ablauf der Environmental Due Diligence

Der Ablauf ist abhängig vom Auftragsumfang. Daher sind zu Beginn die Themenkomplexe exakt abzugrenzen. Um diese Abgrenzung vornehmen zu können, ist eine Betriebsbegehung zu empfehlen. Die weiteren Analyseschritte können dann nach dieser Betriebsbegehung und der ersten Beurteilung der Produktionsverfahren konzipiert werden. Dabei sollten bereits alle umweltrelevanten Sachverhalte ermittelt werden. Dies kann teilweise durch entsprechende Fragebögen unterstützt werden. Weitere Informationen lassen sich aus Protokollen von Behörden, aus Unbedenklichkeitsbescheinigungen und gegebenenfalls durch Veröffentlichungen in Verbandsmitteilungen gewinnen.

Diese erste Phase einer Environmental Due Diligence dient dazu, möglichst schnell am Standort vorliegende Informationen auszuwerten und durch die Vor- Ort-Besichtigung erste Anhaltspunkte für Gefahrenmomente und Risiken für die Umwelt zu ermitteln. Das Ergebnis dieser Phase kann eine Umweltrisikobewertung sein. In der folgenden zweiten Phase, die auf der Kostenschätzung der ersten Phase aufbaut, wird der Gutachter z. B. Bodenproben entnehmen, Luftmessungen durchführen, Erkundigungen bei Behörden einholen, Laboruntersuchungen durchführen. Der Gutachter tritt hierbei in engen Kontakt zu den technischen Mitarbeitern. Wie bei den anderen Analysefeldern einer Due Diligence sollte auch bei einer Environmental Due Diligence ein sachverständiger Firmenmitarbeiter dem Gutachter zu Auskünften und zur Koordination zur Verfügung stehen.

Den Erhebungen und Untersuchungen schließt sich die Berichterstellung an. Der Bericht sollte neben den Aussagen über die möglichen Umweltrisiken auch eine detaillierte Aussage über die damit korrespondierenden Kosten beinhalten. Ebenfalls obligatorisch sollte eine Beurteilung über die Einhaltung der standortrelevanten Gesetze und Verordnungen (Rechtskonformitätsprüfung) sein.

Die Ergebnisse des Gutachters sollten in jedem Fall eine Argumentationsbasis für mögliche zusätzliche Kosten bilden, Empfehlungen über Haftungsübernahmen enthalten und eine realistische Einschätzung über die behördlichen Sanktionen abgeben. Die Ergebnisse einer Environmental Due Diligence können auch die Grundlage für ein Umweltmanagementsystem des Unternehmens sein.


Autor: Prof. Dr. Jürgen Wegmann
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4.16. Organizational Due Diligence

Eine Organizational Due Diligence beschäftigt sich nicht nur mit verwaltungsmäßigen Einrichtungen, sondern gibt auch schon eine erste Auskunft über die Kultur des Unternehmens. Soweit es um ein IPO geht, gewinnt diese Form der Due Diligence an Bedeutung, da nur eine funktionierende Organisation und eine intakte Unternehmenskultur nachhaltige Erfolge ermöglichen.

Organisation und Entscheidungsverfahren

Zunächst einmal muss der organisatorische Aufbau im Hinblick auf die Größe und den Zweck des Unternehmens ausreichend und angemessen sein. Hier ist gerade bei innovativen Unternehmen, die ein IPO planen, oft zu beobachten, dass der operative Bereich schneller gewachsen ist als die organisatorische Einrichtung. Es werden oft sehr hohe Umsätze mit einem organisatorischen Apparat bewältigt, der mit seinen mittelständischen Strukturen gar nicht dafür eingerichtet ist. Deutlich wird das immer an Mehrfachzuständigkeiten einzelner Personen. Das Gefährdungspotenzial einer solchen Unterversorgung ist offensichtlich.

Wichtig ist, dass die Bereiche Vertrieb, Einkauf, Verwaltung, Rechnungswesen, Rechts- und Steuerabteilung unter Berücksichtigung branchenspezifischer Besonderheiten in etwa gleichwertig vertreten sind.

Im Rahmen einer intakten Organisation liegt eine funktionale Regelung der einzelnen Verantwortungsbereiche vor, die bei detaillierten Stellenbeschreibungen eindeutige Kompetenz- und Vertretungsregeln beinhaltet. Dabei ist es hilfreich, wenn die Regelungen in einem Organisationshandbuch enthalten sind. Es müssen klare Anweisungen der Führungsebene vorliegen, die auf Nachfrage dokumentierbar sind. In diesem Zusammenhang sollten „ISO 9000“ – oder „ISO 9001“-Zertifizierungen mit untersucht werden.

Das Entscheidungsverfahren in der Führungsebene muss ebenfalls mit allen Beteiligten abgestimmt werden. Es muss geregelt sein, von wem, in welcher Zeit und aufgrund welcher Informationsvorlagen Entscheidungen getroffen werden. Eine Kontrolle der Durchführung muss mit einer Zeitvorgabe vorgesehen sein. Im Grunde müssen Entscheidungsvorgänge nach den Regeln des Projektmanagements erfolgen.

Funktionierende Entscheidungsverfahren setzen einen intakten Informationsfluss innerhalb des Unternehmens voraus. Ein solcher Informationsfluss darf keine Einbahnstraße sein, d. h. er muss innerhalb einer Hierarchie von unten nach oben und umgekehrt bestehen. Organisatorisch kann ein freier Informationsfluss durch informelle Gespräche, „offene Türen“, aber auch durch regelmäßige Treffen der Mitarbeiter zu einem gegenseitigen Gedankenaustausch erleichtert werden.

Rechnungswesen und Controlling

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine wirksam implementierte Führung ist die Organisation eines effektiven Rechnungswesens und Controllings. Führungsfehler bei der Einrichtung eines Planungs- und Kontrollsystems führen leicht zu unternehmerischen Fehlentscheidungen oder zu späten Anpassungen. Soweit Kostenrechnung und Kalkulation nicht effektiv sind, kann es insbesondere im Projektgeschäft zur Übernahme von verlustbringenden Aufträgen führen. Für die Einschätzung der Wirtschaftlichkeit einzelner Bereiche des Unternehmens ist eine Erfolgsaufschlüsselung nach Sparten, Produkten, Kundengruppen, Filialen etc. erforderlich.

Ein wesentlicher Teil der Organisation wird durch den Bereich Finanzen und Controlling abgedeckt. Das Informations- und Berichtswesen muss zeitnah, kurz und wirtschaftlich sein. Die Betriebsabrechnung und die Ergebnisrechnung müssen mit dem Controllingsystem und dem internen Kontrollsystem verknüpft sein.

Das Rechnungswesen hat die Aufgabe, die Buchhaltung und den Jahresabschluss zu übernehmen. Je nach Tiefe des Rechnungswesens werden auch Quartalsabschlüsse oder Monatsabschlüsse aufgestellt. Hier wird auch die Steuerabteilung geführt.

Die allgemeine Überprüfung der Buchhaltung wird sich auf die dem Geschäftsumfang entsprechende Größe und auf eine Organisation erstrecken, die eine ordnungsgemäße und zeitgerechte Verbuchung aller Geschäftsvorfälle sicherstellt.

Die Überwachung der Debitoren muss sicherstellen, dass sich kein größeres Ausfallrisiko aufbaut. Dazu sind die Führung einer „Offene-Posten-Liste“ und eine eigene Mahnabteilung erforderlich. Für Zahlungseingänge, die z. T. als Scheckeinreichungen erfolgen, ist durch organisatorische Maßnahmen das Unterschlagungsrisiko zu vermindern. Bei den Kreditoren müssen Vorkehrungen geschaffen werden, dass eine Bezahlung erst nach einer Rechnungsprüfung erfolgt und im Übrigen eine Doppelzahlung ausgeschlossen wird. Zur Ermittlung möglicher Eventualverbindlichkeiten sollte eine Vertragsdatei geführt werden, aus der ggf. in Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung die entsprechenden Risiken herausgefiltert werden können.

Soweit ein größeres Anlagevermögen von Immobilien und technischen Einrichtungen verwaltet werden muss, ist eine gesonderte Abteilung erforderlich, die den Bestand und die erforderlichen Aufstockungen überwacht. Hierzu ist ein enger Kontakt mit der Produktionsabteilung erforderlich, um z. B. die Verschrottung von Anlagen zu erfassen und eine kurzfristig erforderliche Erweiterung der technischen Anlagen sicherzustellen. Ausschlaggebend für die Bewältigung dieser Aufgabe ist eine umfassende und regelmäßig aktualisierte Anlagendatei. Deren Aktualität kann nur durch regelmäßig wiederholte Inventuren der Anlagengegenstände sichergestellt werden. Wenn entsprechende Unterlagen nicht vorhanden sind, ist gerade bei einem sehr großen Anlagevermögen Vorsicht geboten. Insoweit kann auch nicht auf einen geprüften Jahresabschluss Bezug genommen werden, weil auch dort nur eine buchmäßige Anlagenwertfortschreibung enthalten sein kann. Dazu gehört auch eine übersichtliche Führung der Grundstücksakten. Dies ist auch für die neuen Aktionäre von Interesse, um eine Aussage zu erhalten, ob ein Teil der Grundstücke als nicht betriebsnotwendig eingestuft werden kann und damit für Finanzierungszwecke zur Verfügung steht.

Auch ein größerer Bestand an Finanzanlagen macht eine eigene Abteilung erforderlich, die eine ordnungsgemäße Verwaltung sicherstellt und die Wertentwicklung laufend verfolgt. Dazu gehört bei mehreren Tochtergesellschaften auch eine konsequente Beteiligungsführung durch ein einheitliches Berichtswesen und regelmäßige strategische Sitzungen über die Entwicklung der Ertragskraft dieser Unternehmen, die dokumentiert sein müssen. Regelmäßige Besuche vor Ort runden das Reportingsystem ab. Hierzu gehören auch Überlegungen inwieweit ein Abwertungsrisiko bei Beteiligungsgesellschaften besteht. Dieses Risiko kann sich dramatisch erhöhen, wenn gleichzeitig hohe Forderungen gegenüber diesen Gesellschaften aus Darlehen oder Warenlieferungen bestehen. Im schlimmsten Fall können sich bei dem Aufbau von Lagerbeständen bei Tochtergesellschaften und dem nicht erfolgenden Abverkauf gravierende Ansatzpunkte für eine nicht mehr vorhandene Marktfähigkeit der Produkte der Muttergesellschaft ergeben.

In produzierenden Unternehmen ist die (Herstell-) Kosten- und Leistungsrechnung zu analysieren. Die Abstimmung zwischen dem Rechnungswesen und dem Controlling muss wirtschaftlich durchgeführt werden können. Am besten ist ein DV-System, das die einzelnen Buchungen für die Monatsabschlüsse und die Zuordnung zu Kostenstellen und nach Kostenarten zugleich durchführt, weil dann zeit- und kostenintensive Abstimmarbeiten mit ihren möglichen Fehlerquellen unterbleiben.

Daneben müssen organisatorische Regelungen bestehen, die im Rahmen einer Kostenkontrolle eine Budgetierung der Vertriebsgemeinkosten, der Forschungs- und Entwicklungskosten und der Verwaltungskosten beinhalten. Der Nutzen von reinen Kostensenkungsprogrammen ist allerdings eher eingeschränkt.

Eine kurz- und langfristige Unternehmensplanung nebst einer Finanzierungs- und Liquiditätsplanung muss organisatorisch im Bereich der Unternehmensleitung und des Rechnungswesens implementiert sein. Hilfreich ist eine Dokumentation des Planungsverfahrens. An der Intensität eines solchen Verfahrens kann abgeleitet werden, ob das Unternehmen in der Lage ist, neben dem operativen Geschäft die Ausgestaltung der zukünftigen Entwicklung mit zu berücksichtigen.

Im Rahmen des Planungsverfahrens sind auch die zukünftig erforderlichen Erweiterungs- und Rationalisierungsinvestitionen einzubeziehen. Das ist auch im Hinblick auf die Substanzerhaltung wichtig.

Neben den betriebswirtschaftlichen Belangen sollten im Bereich Finanzen auch Vorkehrungen getroffen sein, die sich mit einer Optimierung der Steuerzahlungen befassen. Dazu gehören auch die Nutzung von Verlustvorträgen und gegebenenfalls Überlegungen zur Standortwahl im Hinblick auf die Gewerbesteuerbelastung. Diese Überlegungen sind allerdings eher arrondierender Natur.

Verwaltung

In der Verwaltung werden die Personalabteilung und die Rechtsabteilung geführt. Bei einem großen Immobilienbesitz oder einem großen Bestand an Versicherungen bestehen für diese Bereiche eigenständige Abteilungen. Soweit ein Unternehmen über einen Immobilienbesitz verfügt, sollte eine organisatorische Vorkehrung zur Verwaltung geschaffen sein, die sich auch regelmäßig mit der Frage befasst, ob eine anderweitige Nutzung möglicherweise betriebswirtschaftlich sinnvoller ist. Auch die Einkaufsabteilung wird in der Verwaltung geführt, während die Vertriebsabteilung meistens gesondert organisiert ist.

Im Rahmen einer Organizational Due Diligence ist auch auf eine optimale Nutzung der DV einzugehen. Weder eine über- noch eine unterdimensionierte DV-Strukur ist für die effektive Führung eines Unternehmens von Vorteil. Ausschlaggebend sind die Anforderungen im Unternehmen selbst. Eine übertriebene DV-Organisation führt oft zu einem Eigenleben dieses Bereiches außerhalb betriebswirtschaftlicher Notwendigkeiten.

Die Unterlagen zu den bestehenden Versicherungen sind im Hinblick auf eine Optimierung des Versicherungsschutzes zu überprüfen. Hier sollte auf eine regelmäßige Überprüfung des Versicherungsschutzes geachtet werden, die gesondert implementiert sein muss.

Einkauf

Die Analyse der Einkaufsabteilung hängt wesentlich von der Art des Betriebes ab. Soweit es sich lediglich um einen Dienstleister handelt, wird nur Verbrauchsmaterial niedriger Stufe benötigt, wie z. B. Büromaterial o. Ä. Bei einem produzierenden Betrieb ist die Einkaufsabteilung von außerordentlicher Wichtigkeit, weil sie die Versorgung und Aufrechterhaltung der Produktion sicherstellt und darüber hinaus die ersten Weichen für die Ertragskraft des Unternehmens stellt. Organisatorisch muss daher sichergestellt sein, dass die benötigten Rohstoffe und Vormaterialien zur rechten Zeit in ausreichender Menge zu marktgerechten Preisen zur Verfügung gestellt werden. Für diese Vorgaben muss ein organisatorisches Instrumentarium geschaffen werden.

Die ausreichende Beschaffung setzt zunächst einen Überblick voraus, welche Rohstoffe bei einer bestimmten Produktionskapazität vorhanden sein müssen. Hierzu müssen Aufzeichnungen in dieser Abteilung vorliegen. Soweit es Ansätze für eine drohende Verknappung aus rohstoffbedingten, politischen oder markttechnischen Gründen gibt, sind verschiedene Lieferanten vorzumerken. Darüber hinaus müssen Überlegungen zu Substitutsprodukten angestellt werden.

Der Einkauf muss Vorkehrungen dafür geschaffen haben, dass immer die ausreichende Menge an Produktionsstoffen auf Lager ist. Überbestände sind zu vermeiden, um die Zinsbelastungen nicht unnötig auszudehnen. Hierzu ist erforderlich, dass die durchschnittliche zur Produktion benötigte Menge in der Einkaufsabteilung bekannt ist und Anpassungen aufgrund einer Verminderung oder einer Erweiterung unmittelbar von der Produktion mitgeteilt werden. Dieses Kriterium ist dann erfüllt, wenn die Durchführung der Produktion mit der Einkaufsabteilung DVtechnisch verbunden ist, so dass die Anpassungen gleichzeitig mit einer Veränderung der Produktion erfolgen können. Für die Erzielung eines möglichst günstigen Einkaufspreises ist es von Bedeutung, dass in den Lieferbeziehungen keine Abhängigkeiten entstehen und das Instrumentarium eines laufenden Preisvergleiches geschaffen wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, auf eine ausreichende Kontrolle der Einkäufer zu achten, damit nicht durch Bestechung Preiszugeständnisse zu Lasten des Unternehmens gemacht werden. Diese Aufgabe wird komplexer, wenn gleichzeitig auf bestimmte Serviceleistungen geachtet werden muss. Soweit Rohstoffe mit ausländischer Währung bezahlt werden müssen, ist je nach Umfang der Zahlungsströme und der Zahlungsfälligkeiten sicherzustellen, dass eine Währungssicherung vorgenommen wird. Die Wareneingangskontrolle muss eine Qualitätskontrolle beinhalten und gleichzeitig sicherstellen, dass die Lieferung der Bestellung entspricht. Gleichzeitig muss eine intakte Lagerverwaltung bestehen, die das Unterschlagungsrisiko durch wirksame Kontrollen vermindert.

Vertrieb

Die Prüfung der Organisation der Vertriebsabteilung wird sich je nach Größe des Unternehmens wieder auf einzelne Abteilungen erstrecken.

In der Werbeabteilung ist das Konzept für die Werbung zu entwickeln und zu verwirklichen. Dafür sind die entsprechenden grafischen Möglichkeiten und das Personal vorzuhalten, das die Werbekampagnen durchführen kann. Soweit das Werbebudget an eine Agentur vergeben wird, sind die Konditionen und die Erfolge mit dieser Agentur zu überprüfen, soweit sie messbar sind.

Der eigentliche Vertrieb ist für die Angebots- und Preispolitik und für den Aufbau eines Vertriebsnetzes zuständig. Auch hier sollten es die organisatorischen Einrichtungen sicherstellen, dass auf Marktänderungen kurzfristig reagiert werden kann. In manchen Unternehmen wird eine eigene Marktforschung betrieben. Die Zusammensetzung der angebotenen Produktpalette muss regelmäßig auf Stimmigkeit untersucht werden.

Soweit der Vertrieb durch eigene Angestellte durchgeführt wird, ist das Entlohnungssystem von Bedeutung. Die erfolgsabhängigen Komponenten sollten möglichst hoch und mit der Erzielung des Ergebnisses und nicht nur mit der Realisierung von Umsätzen gekoppelt sein.

Soweit es um die Bewältigung großer Warenströme geht, muss es eine eigene Absatzabteilung geben, die die logistischen Probleme der Lieferung zu bewältigen hat. Dies kann durch eine eigene Spedition oder durch einen externen Dienstleister erfolgen. Hier sind auch Vorkehrungen für eine wirksame Warenausgangskontrolle zu treffen.

Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen

Unabhängig davon, ob sich die Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen sinnvoll in das Gesamtgeschehen des Unternehmens einpasst, sind organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die dies vorbereiten. So ist zu gewährleisten, dass sich Vertrieb und Produktion regelmäßig darüber austauschen, welche Produkte von den Kunden gewünscht werden, damit ggf. eine Anpassung oder Erweiterung des Produktprogramms vorgenommen wird. Auch zwischen dem Vertrieb und der Verwaltung ist eine regelmäßige Abstimmung erforderlich, um z. B. sicherzustellen, dass der Vertrieb keine Kunden beliefert, gegen die noch ausstehende Forderungen bestehen.

In diesem Zusammenhang ist auch auf ein intaktes internes Kontrollsystem zu achten. Ein solches System soll sicherstellen, dass das vorhandene Vermögen nicht gefährdet wird und dass darüber hinaus aus den unterschiedlichen Abteilungen die Informationen so zusammengetragen werden, dass daraus das operative Geschäft gefördert wird. Schließlich soll das interne Kontrollsystem auch sicherstellen, dass den Anweisungen der Unternehmensleitung Folge geleistet wird. Im Hinblick auf die erforderliche Qualität müssen Vorkehrungen getroffen werden, dass die Leistungen immer wieder im Unternehmen überprüft werden. Es muss eine Trennung zwischen Einkauf und Verkauf einerseits und Rechnungswesen andererseits vorliegen, die es verhindert, dass Unterschlagungen oder die Entgegennahme von Schmiergeldern ermöglicht werden. Diese Funktionentrennung wird in mittelständischen Betrieben oft vernachlässigt, weil nicht genug Personal vorhanden ist.


Autor: Prof. Dr. Jürgen Wegmann
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4.17. Psychological Due Diligence

Nachdem jahrzehntelang der bestimmende Ansatz, auch bei einem IPO, die unmittelbare „Berechnung“ eines Emissionskurses war, ist in den letzten Jahren die eigentliche Analyse des Unternehmens immer mehr in den Vordergrund getreten. In diesem Zusammenhang hat auch die psychologische Betrachtung des Unternehmens und der in ihm handelnden Personen in der Analyse an Tiefe gewonnen. Das gilt insbesondere dann, wenn klassische Parameter der Wertfindung nicht vorliegen. Das ist z. B. dann der Fall, wenn es um eine Beurteilung von Unternehmen aus innovativen Technologiebranchen wie z. B. der Biotechnologie, der Medizintechnik oder der Mikrosystemtechnik handelt. Hier kommen vielfältige Unwägbarkeiten zusammen. In der Regel liegt nur eine eingeschränkte Unternehmensvergangenheit vor. Der Markt für die Produkte dieses Unternehmens ist noch nicht gefestigt und kann in seiner Entwicklung nur sehr schwer beurteilt werden, weil weder die möglicherweise konkurrierenden Produkte noch der Bedarf der potenziellen Kunden sicher eingeschätzt werden kann. Darüber hinaus liegt bei solchen Unternehmen oft auch eine technologische Unsicherheit vor. Der Erfolg des Unternehmens hängt also vom Erreichen bestimmter technischer Fortschritte ab.

Zentrale Bedeutung einer psychologischen Due Diligence

Bestehende Unsicherheiten können nicht dadurch beseitigt werden, dass eine Bilanzplanung über zehn Jahre aufgestellt wird, um damit und mit der lanergebnisrechnung im Rahmen eines Discounted-Cashflow-Verfahrens den Unternehmenswert des IPO-Unternehmens zu ermitteln. Denn ein noch so aufwendiges Rechenverfahren ändert nichts an der Unsicherheit der Ausgangsdaten. Also wird es für die Entscheidung eines Investors bei Unklarheit in den rechenbaren Parametern wichtig sein, etwas anderes Vertrauensbildendes zu finden. Angesichts der Schwierigkeit der Entscheidung wird man sich auch mit Faktoren zufriedengeben müssen, die allenfalls im weitesten Sinne dazu taugen, betriebswirtschaftliche Unwägbarkeiten auszuräumen. Damit begibt sich der potenzielle Anleger auf das Gebiet der Soft Facts.

Solche Soft Facts können von außerordentlicher Bedeutung für die Bewertung eines Unternehmens selbst dann sein, wenn genug verwertbares Zahlenmaterial und Informationen zum Markt vorhanden sind. Die Soft Facts beziehen sich nicht nur auf das Unternehmen selbst, sondern auch auf die Beziehungen zu allen Personen und Gesellschaften, die ihre Interessen mit dem Unternehmen verknüpft sehen (Stakeholder).

Das Hauptproblem der Psychological Due Diligence besteht darin, dass sie nur eingeschränkt in Regeln dargestellt und durchgeführt werden kann. Das hängt damit zusammen, dass die Soft Facts beurteilt werden müssen. Diese sind in ihren Auswirkungen nur schwer zu quantifizieren. Gleichwohl haben sie einen außerordentlich starken Einfluss auf das Funktionieren und auf die Flexibilität eines Unternehmens. Reibungspunkte können zu einer deutlichen Einschränkung der Effektivität der Mitarbeiter und damit des gesamten Unternehmens führen. Für die Durchführung dieser Analyse ist das Herausarbeiten der Branchenbesonderheiten erforderlich. Ein Dienstleister funktioniert nach anderen psychologischen Regeln als ein produzierender Betrieb.

Unabhängig von der Analyse und Beurteilung der Soft Facts gibt es zwei Parameter, die die Zufriedenheit der Arbeitnehmer in dem Unternehmen unmittelbar deutlich werden lassen. Das sind zum einen die Fluktuation und zum anderen der Krankenstand. In beiden Fällen ist zunächst auf branchenspezifische Besonderheiten zu achten. In bestimmten Branchen ist eine Fluktuation häufiger festzustellen als in Unternehmen anderer Branchen. Soweit aber deutlich wird, dass die Fluktuationsrate wesentlich über dem Branchendurchschnitt liegt, ist dies ein klares Zeichen dafür, dass irgendetwas im Unternehmen unstimmig ist. Damit besteht nicht nur das Risiko, dass die Einarbeitung neuer Personen immer wieder zu Reibungsverlusten führt. Es gehen dem Unternehmen regelmäßig Know-how oder im schlimmsten Fall Kundenbeziehungen und damit Umsatzpotenzial verloren. Auch bei der Beurteilung des Krankenstandes ist zunächst die branchenübliche Rate hinzuzuziehen. Liegt der Krankenstand wesentlich über dem Durchschnitt, sind dies deutliche Zeichen für eine Arbeitsunzufriedenheit der Mitarbeiter und damit ein Hinweis auf Unstimmigkeiten in der Personalführung und/oder der Organisation der Arbeit.

Analysefelder der Soft Facts

Die Analysefelder der Soft Facts finden sich überwiegend im psychologischen Bereich, aber auch in der Unternehmensphilosophie. Ein Unternehmen wird unabhängig von Fragen der Marktfähigkeit der Produkte überwiegend von den Personen bestimmt, die die Grundidee des Unternehmens verkörpern und die Mitarbeiter anleiten und motivieren. Da Organisationen und das Miteinanderumgehen der Personen in den Organisationen ein Eigenleben entwickeln können, ist die Art, wie ein Unternehmen organisiert ist, ausschlaggebend für bestimmte Verhaltensweisen der Menschen in dem Unternehmen. Aus der Organisation heraus gestalten sich auch die Beziehungen zu den Kunden und Lieferanten des Unternehmens. Die Grundphilosophie des Unternehmens wiederum ist ausschlaggebend für das Auftreten der Vertreter des Unternehmens nach außen hin.

  • Leitende Personen

Die Analyse der leitenden Personen eines Unternehmens hat zunächst einmal die Fähigkeit dieser Personen zu beurteilen, inwieweit sie in der Lage sind, die Idee des Unternehmens und der angebotenen Produkte überzeugend nach innen und nach außen darzustellen. Hierzu gehören Begeisterungsfähigkeit und Verkäufertalent. Erforderlich ist ein Kommunikationspotenzial, das Selbstbewusstsein und Bescheidenheit in der richtigen Mischung darstellt. Auch die Unternehmereignung der leitenden Angestellten wird für die Entscheidung eines Anlegers wichtig sein. Sendungsbewusstsein, Erfolgswille, Führungs- und Motivationsqualitäten sind die wesentlichen Eigenschaften.

Die Ausbildung der Vorstandsmitglieder und die bisher gewonnenen Erfahrungen sind wesentliche fachliche Kriterien für die Beurteilung von Führungsqualitäten. Dazu gehören auch genaue Kenntnisse über den Markt und die Wettbewerber der Branche, in der das Unternehmen tätig ist.

Bei der Beurteilung der Führungsqualität der Vorstandsmitglieder sind auch Alter, Gesundheit und Stressanfälligkeit zu beurteilen. Auch die Einschätzung des persönlichen Stils gehört dazu. Die Veränderungs- und Lernfähigkeit der Vorstandsmitglieder ist insbesondere im Hinblick auf das Wachstum des Unternehmens von Bedeutung. Zur persönlichen Analyse der Vorstände gehört auch eine Überprüfung ihrer charakterlichen Eigenschaften. Sie können die Ursache für Entscheidungen sein, die gegen betriebswirtschaftliche Regeln und die Interessen der Kapitalgeber verstoßen. So wird gerade bei jungen Unternehmen die Feststellung, dass eine wesentliche Triebfeder für die leitenden Personen die Gier nach Wohlstand ist, potenzielle Kapitalgeber abschrecken, gleich, ob es eine Beteiligungsgesellschaft oder zukünftige Aktionäre sind. Eine solche Gier führt bei Vorständen oft dazu, dass sie sich in Relation zum Erfolg des Unternehmens zu hohe Gehälter oder Dienstwagen zubilligen, die nur aus den erhaltenen Fremdmitteln, nicht aber aus dem Erfolg des Unternehmens selbst zu finanzieren sind.

Ein Hinweis auf charakterliche Qualitäten kann sich auch aus dem Lebenslauf und der bisherigen persönlichen und beruflichen Zielerreichung ergeben. Hierbei können selbst Rückschläge und deren Bewältigung oder eine Umorientierung Anhaltspunkte für eine starke Persönlichkeit geben.

Als Soft Facts sind auch die persönlichen Verhältnisse der Vorstandsmitglieder zu überprüfen, inwieweit Familienmitglieder, insbesondere Ehepartner, für die Belange der Gesellschaft eine Rolle spielen. Wenn Familienmitglieder in anderen Unternehmen tätig sind, die mit der zu begutachtenden Gesellschaft Geschäftsbeziehungen unterhalten, ist das gesondert zu überprüfen. Es kann sich sowohl um Kunden- als auch um Lieferantenbeziehungen handeln. Das Risiko besteht in Gewinnverlagerungen oder aber in einer unangemessenen Auftragsvergabe, die ein mögliches Gewinnpotenzial nicht voll ausschöpft. In einem solchen Fall ist auszuschließen, dass Vereinbarungen getroffen werden, die nicht denen zwischen fremden Dritten entsprechen. Bei der Beurteilung der Soft Facts sind auch die Mitglieder im Aufsichtsrat von Bedeutung. Die Besetzung kann in ihrer Fehlerhaftigkeit dazu führen, dass dieses Organ seine Aufgaben gar nicht wahrnehmen kann, sei es wegen Inkompetenz oder eines mangelnden Überwachungsbewusstseins der Aufsichtsratsmitglieder. Kritisch sind Besetzungen mit Personen aus dem Familien- oder Freundeskreis der Gesellschafter oder der Vorstandsmitglieder oder mit Angestellten der Banken des Unternehmens, ohne dass fachliche Kriterien ausschlaggebend gewesen sind. Auch hier ist die allgemeine Tätigkeit des Aufsichtsratsmitgliedes im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat zu überprüfen.

  • Führung und Motivation

Der Bereich Führung und Motivation ist eines der wesentlichen, prägenden Momente in der Ausgestaltung einer Unternehmenskultur. Hier sind große Unterschiede zwischen einzelnen Branchen feststellbar. Daher ist es wichtig, sich zunächst die Spielregeln der jeweiligen Branche zu vergegenwärtigen.

Zunächst einmal ist es erforderlich, Ziele und Strategie des Unternehmens festzulegen und innerhalb des Unternehmens darzustellen. Dazu gehören auch die Philosophie des unternehmerischen Handelns und die Entscheidung, ob das Unternehmen eher zurückhaltend oder eher aggressiv agieren soll.
Ein wesentlicher Inhalt des Führungsansatzes ist die Art der Entscheidungsfindung. Hier wird deutlich, ob die Führung eher partnerschaftlich oder hierarchisch geprägt ist. Die Qualität der Entscheidungen hängt auch wesentlich von der Qualität der zugrunde liegenden Informationen oder Vorgaben aus dem Unternehmen ab.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Führungsstils ist die Art, wie Mitarbeiter motiviert werden. Dies kann zum einen durch eher monetäre Maßnahmen bewirkt werden. Dazu gehören variable Gehaltsbestandteile, Incentives, Mitabeiterbeteiligungen und die Gewährung von Darlehen sowie äußere Attribute wie Dienstwagen – ggf. mit Fahrer – und Ausstattung der Büros. Insbesondere für Vertriebsmitarbeiter ist darauf zu achten, dass echte Anreizsysteme geschaffen werden, die an betriebswirtschaftlich sinnvolle Parameter geknüpft sind. Bei diesen Parametern muss aber darauf geachtet werden, dass sie nicht ihrerseits zu betrieblichen Irritationen führen, z. B. in einen Konflikt zwischen dem agressiven Vertrieb und der Verwaltung, die sich mit den möglicherweise „faulen“ Kunden auseinandersetzen muss. Von Bedeutung sind hier auch, immer unter Berücksichtigung der Branchengepflogenheiten, die Behandlung von Überstunden, die Gewährung von Urlaub und das Angebot von besonderen Arbeitszeitmodellen.

Auch gemeinsame Veranstaltungen zur Fortbildung oder Ausflüge und Betriebsfeiern gehören zu diesen Motivationsmaßnahmen. Bei Fortbildungsveranstaltungen liegt oft ein bestimmter Plan vor, nach dem die Mitarbeiter im Laufe der Betriebszugehörigkeit bestimmte Fortbildungsstufen durchlaufen. Die Einbindung der Mitarbeiter kann darüber hinaus indirekt durch gemeinsam nutzbare Einrichtungen wie Kantinen oder Sportmöglichkeiten erfolgen.

Zu den nicht monetären Motivationsmaßnahmen zählen insbesondere Freiräume bei der Arbeitsgestaltung, die zu einer hohen Eigenverantwortung führen. Das kann in festen Hierarchien oder in ständig wechselnden Projektteams erfolgen. Motivierend wirkt auch ein betriebsintern verankertes Verbesserungswesen, das den Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, selbständig die Abläufe innerhalb des Unternehmens mitzugestalten. Für eine gewisse Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter spricht auch, wenn erkennbar wird, dass die Mitarbeiter ziel- und ergebnisorientiert vorgehen und sich das auch im Arbeitseinsatz widerspiegelt.

Zu den Führungsschwächen zählen auch Fehler aus unternehmerischen Fehleinschätzungen in den verschiedenen Unternehmensbereichen. Die Ausweitung des operativen Geschäfts durch Umsatzerhöhung oder Marktausweitung wird oft überhastet vorgenommen und führt zum Aufbau von Leerkapazitäten oder zu einer verfrühten Vermarktung nicht fertig entwickelter Produkte. Auch die Erweiterung des Unternehmens kann zu Risiken führen, wenn nämlich das Investitionsvolumen oder die Notwendigkeit einer Investition falsch eingeschätzt wird (Bau statt Miete eines Gebäudes). Risiken ergeben sich zudem aus einer nicht zeitgerecht vorgenommenen Investition (zu früh oder zu spät) und aus einer fehlerhaften Abwicklung der Investition.Schließlich kann eine Fehleinschätzung von Investitionserfordernissen dazu führen, dass das Unternehmen den Anschluss an die Anforderungen des Marktes verliert.

Mängel im Absatzbereich äußern sich z. B. durch nicht marktgängige Produkteigenschaften, einem nicht marktgängigem Programm und einer verfehlten Preispolitik.

Im Produktionsbereich können sich Probleme durch den Einsatz einer veralteten oder einer noch unerprobten Technologie ergeben, die zu einem hohen Produktionsausschuss oder einer ineffektiven Fertigungssteuerung führen. Eine Fehleinschätzung kann auch in einer unwirtschaftlichen Eigenfertigung statt einer Fremdfertigung liegen. Weitere Möglichkeiten einer Fehleinschätzung liegen im Bereich der Forschung und Entwicklung, wenn hier entweder zu wenig oder zu umfangreich (Grundlagenforschung) oder ohne Konzept an neuen Produkten gearbeitet wird.
Mit diesen Beispielen wird deutlich, dass sich eine später einsetzende Schieflage des Unternehmens gerade in solchen weitreichenden Fehlentscheidungen quasi vorweggenommen wird. Daher sind alle Entscheidungen, die die Entwicklung des Unternehmens in der Zukunft wesentlich verändern sollen, auch im Hinblick auf ihr Zustandekommen kritisch zu hinterfragen.

  • Interne Kommunikation

Zu den Soft Facts innerhalb eines Unternehmens, die es beeinträchtigen oder fördern können, gehört der gesamte Bereich der internen Kommunikation. Sie ist von besonderer Bedeutung, da die Informationen einerseits zur Entscheidungsfindung beitragen und andererseits zu hierarchisch geprägten Abgrenzungen führen können.

Kommunikation kann schriftlich durch persönliche Memos oder durch schematisierte Vermerke oder mündlich in Einzelgesprächen oder Meetings erfolgen. Indirekt können Informationen über das schwarze Brett, über ein Intranet oder eine Betriebszeitung verbreitet werden.

In der Art der Kommunikation zeigt sich auch, wie Unternehmensleitung und Mitarbeiter miteinander umgehen. Soweit es hier zu Herrschaftswissen kommt, werden auch Kontaktgrenzen eingebaut. Sie sind etwa daran zu erkennen, ob Mitarbeiter unmittelbar mit der Geschäftsführung sprechen können oder ob dies nur über den nächsten Vorgesetzten möglich ist.

  • Arbeitnehmer

Bei den Mitarbeitern ist ebenfalls auf die Ausbildung und die bisherigen eruflichen Erfahrungen, die Altersstruktur und auf die Gehaltsstruktur zu achten, um eventuell bestehende Abweichungen gegenüber anderen Unternehmen dieser Branche zu erkennen.

Die Unzufriedenheit der Arbeitnehmer kann unmittelbar mit Führungsfehlern im Bereich der Motivation und der Arbeitsgestaltung zusammenhängen, aber auch im Mobbing-Syndrom und einem erheblichen Wettbewerbsdruck durch andere Kollegen begründet sein.

Bei der Höhe der Lohn- und Gehaltszahlungen können Konfliktscheu und mangelnde Härte bei Verhandlungen über Löhne, Gehälter, Sozialpläne und Sachbezüge die Ertragslage des Unternehmens deutlich belasten. Andererseits darf es bei Personalknappheit gerade nicht zu einer unsachgemäßen Sparsamkeit bei leistungsfähigen Mitarbeitern kommen, weil hier ein Weggang unmittelbar zum Ausfall von Umsatz- und Ertragspotenzialen des Unternehmens führen kann.

Auch Fehler in der Personalplanung, sei es, dass nicht entsprechend der Umsatzausweitung das erforderliche Personal aufgebaut wird oder aber bei einer Verringerung des operativen Geschäftes die Belegschaft nicht kurzfristig angepasst werden kann, führen zu deutlichen Ertragseinbußen.

Die Formen der Personalbeschaffung durch Besetzung neuer Stellen durch Mitarbeiter aus dem Unternehmen oder durch extern eingestellte neue Mitarbeiter sind Stilfragen innerhalb eines Unternehmens und oft auch von der Größe des Unternehmens abhängig.

  • Gestaltung der Beziehungen zu Kunden und Lieferanten

Aus dem Umgang des Unternehmens mit seinen Kunden lässt sich eine Aussage über die zu erwartende Kundentreue ableiten. Ausgehend von der Kundenstruktur, die in einer ABC-Analyse untersucht werden kann, ist auf das Eingehen neuer Kontakte und die Kontakthäufigkeit zu achten. Für das Unternehmen kann es von großer Bedeutung sein, mit den Kunden langfristige Verbindungen einzugehen und Netzwerke auszubauen. Für die weitere Beziehung zu den Kunden sind auch die Zahl von Reklamationen und die Reaktion des Unternehmens auf solche Fälle von Bedeutung. Hinweise auf ein besonders intensives Eingehen auf Kundenwünsche lassen sich aus regelmäßig vorgenommenen Befragungen der Kunden ableiten. Gespräche mit den Vertriebsmitarbeitern zeigen auf, wie weit diese bereit sind, sich optimal auf die Belange des Kunden einzurichten. Soft Facts für eine effektive Kundenbindung ergeben sich auch aus der Zusammenarbeit des Vertriebes einerseits und der Produktion oder der F&E-Abteilung andererseits. Wenn hier kein regelmäßiger Informationsaustausch erfolgt, arbeiten die Abteilungen zu Lasten der Kundenzufriedenheit aneinander vorbei.

Auch in der Beziehung des Unternehmens mit den Lieferanten gibt es eine Reihe von Fakten, die beachtet werden sollten. Da ist zunächst die Abhängigkeit von einigen wenigen oder sogar nur einem Lieferanten, die ein Risiko darstellen kann.
Hier sollte das Unternehmen bestrebt sein, Abhängigkeiten zu vermeiden, um in der Produktion nicht beschränkt werden zu können oder in Preisgesprächen unangemessene Zugeständnisse machen zu müssen. Ein ähnliches Risiko kann sich aus einer nur eingeschränkten Verfügbarkeit bestimmter Rohstoffe ergeben. Dann wird die Einbindung der Lieferanten in das Produktionsverfahren von Bedeutung sein. Eine effektive Ausgestaltung der Beziehungen zu Lieferanten ist auch an einer Beteiligung an der Produktentwicklung mit der Möglichkeit, eigene Vorschläge miteinbringen zu können, zu erkennen. Sowohl bei den Kunden als auch bei den Lieferanten sollte darauf geachtet werden, ob sie in irgendeiner Weise mit den Gesellschaftern oder der Leitung des Unternehmens freundschaftlich oder verwandtschaftlich verbunden sind. Hier sind möglicherweise Ansatzpunkte für eine unangemessene Vertragsgestaltung zu Lasten des Unternehmens vorhanden.


Autor: Prof. Dr. Jürgen Wegmann
PDF: Psychological Due Diligence

4.18. Communication Due Diligence

Gute IPO-Kommunikation zeichnet sich insbesondere durch eine erstklassige Vorbereitung aus. Es darf während eines IPO-Projekts keine Überraschungen geben! Weder für das Management des Kandidaten noch für das gesamte Team. Denn eine gute Kommunikation kann den Erfolg eines Börsengangs positiv beeinflussen. Eine unzureichende Vorbereitung jedoch kann zur Kaufverweigerung seitens Investoren und damit zur Absage des Börsengangs führen.

Folgende Punkte sind im Rahmen einer Communication Due Diligence zu klären:

  1. Existieren Communication Guidelines (z. B. Verantwortlichkeiten, Strukturen, Botschaften)? Wenn ja, wie ist deren Ausgestaltung?
  2. Sind alle in der Vergangenheit erschienenen Artikel und Kommentare (Print, Online) in Form von Clippings verfügbar? Welche kritischen Aussagen wurden von Seiten der Medien getroffen?
  3. Sind die in der Vergangenheit getroffenen Aussagen der Unternehmenssprecher in den Medien (z. B. hinsichtlich Strategie, Zukunft, Finanzkennzahlen) kohärent mit dem Wertpapierprospekt?
  4. Sind alle weiteren Dokumente der Gesellschaft (z. B. Website, Marketing- und Vertriebsmaterialien) kohärent mit dem Wertpapierprospekt?
  5. Wie können eventuelle Widersprüche erklärt werden?
  6. Welche „Pressehistorie“ haben die einzelnen Vorstands -und Aufsichtsratsmitglieder? Existieren diesbzgl. Angriffspunkte für die Medien?
  7. Gab es kommunikative Reibungspunkte mit Kunden und/oder Zulieferern? Welchen Ruf genießen diese?
  8. Gibt es öffentliche, kritische Stimmen von ehemaligen und/oder aktiven Mitarbeitern, Kunden oder Zulieferern (z. B. über Social Networks im Internet) über den IPO-Kandidaten?
  9. Kann von unternehmensinternen oder -externen Seiten (z. B. Betriebsrat oder Gewerkschaft) Widerstand zum geplanten IPO auftreten? Wann und wie sollen diese Parteien informiert werden?
  10. Welche Informationen sind in weiteren Quellen zugänglich (z. B. Auskunfteien wie Creditreform, Schufa)?

Autoren: Henryk Deter / Michael Diegelmann / Ulrich Wiehle
PDF: Communication Due Diligence

4.19. Legal Due Diligence

Es besteht keine gesetzliche Pflicht zur Durchführung einer Due Diligence. Da die Emissionsbanken jedoch der Inanspruchnahme durch Investoren wegen möglicher Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Wertpapierprospekts entgehen können, wenn diese nicht grob fahrlässig unerkannt blieb, wird jedoch stets eine Due Diligence durchgeführt, um nachzuweisen, dass keine grobe Fahrlässigkeit bei der Vorbereitung des Wertpapierprospekts vorlag. Ein wesentlicher Teil der Due Diligence ist die umfassende Untersuchung der rechtlichen Lage des Emittenten (Legal Due Diligence). Im Unterschied zur Due Diligence bei einer M&A-Transaktion wird die Legal Due Diligence nicht durch Konkurrenten, sondern durch die Rechtsberater des Emittenten (Issuer’s Counsel) und der Emissionsbanken (Underwriters‘ Counsel) durchgeführt. Ihr Ziel ist es, rechtliche Probleme und Risiken aufzudecken, diese entweder im Vorfeld zu beseitigen oder aber adäquat im Wertpapierprospekt zu schildern. In Deutschland wird regelmäßig hierüber kein Due Diligence Report erstellt; vielmehr fließen die Ergebnisse in den Wertpapierprospekt ein.

Die Ziele der Durchführung einer Legal Due Diligence lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Aufdeckung rechtlicher Probleme und Risiken
  • Schaffung der Grundlage für die Erstellung des Wertpapierprospekts
  • Schaffung der Grundlage für die Abgabe von Disclosure Letters durch die Rechtsberater gegenüber den Emissionsbanken

Vorbereitung der Legal Due Diligence

Emittenten als auch der Rechtsberater der Emissionsbanken eine Legal Due Diligence durch, um zum Zeitpunkt der Billigung und Veröffentlichung des Wertpapierprospekts sowie ggf. zu späteren Zeitpunkten im Laufe der Transaktion ausreichende Erkenntnisse zu haben, um den Emissionsbanken gegenüber einen Disclosure Letter abgeben zu können. Um den Prozess der Legal Due Diligence optimal vorzubereiten, wird zunächst ein auf die Branche des Emittenten zugeschnittenes Anwaltsteam aufgestellt. Handelt es sich um ein Chemieunternehmen oder ein Unternehmen aus dem Bereich der alternativen Energien, wird beispielsweise ein auf das öffentliche Recht spezialisierter Rechtsanwalt wichtiger Bestandteil des Due-Diligence-Teams sein.

Parallel dazu wird eine umfangreiche Legal-Due-Diligence-Fragenliste zusammengestellt und zwischen beiden Rechtsberatern abgestimmt, anhand derer der Emittent einen Datenraum mit Dokumenten zusammenstellt (Checkliste Legal Due Diligence). Mittlerweile ist es üblich, sich eines ausdruckbaren elektronischen Datenraums zu bedienen, so dass jeder Anwalt des Due-Diligence-Teams unmittelbaren Zugriff auf alle Dokumente während der gesamten Dauer der Transaktion erhält.

Des Weiteren sind öffentlich zugängliche Informationsquellen auszuschöpfen, etwa in Form einer im Vorfeld durchgeführten Internetrecherche.

Durchführung der Legal Due Diligence

Neben der Sichtung der Dokumente im Datenraum gehört zur Durchführung der Legal Due Diligence auch das Gespräch mit dem Management (Management Due Diligence). Je nach Unternehmensstruktur umfasst dies eine Befragung des Finanzvorstands, aber auch der Verantwortlichen für einzelne Geschäftsbereiche oder geografische Regionen. Ist zum Zeitpunkt der IPO-Vorbereitung bereits ein Syndikusanwalt (Inhouse Counsel) beim Emittenten tätig, werden die rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft in einem Gespräch mit ihm kritisch hinterfragt. Nicht zum Kernbereich der Legal Due Diligence gehörend, bieten daneben Gespräche mit dem für Steuern verantwortlichen Management des Emittenten (Tax Due Diligence) und seinem Abschlussprüfer (Audit
bzw. Financial Due Diligence) häufig zusätzlichen Erkenntnisgewinn.

Umfang der Legal Due Diligence

Der Umfang der Legal Due Diligence reicht aufgrund der oben genannten Zielsetzung weit. Letztlich sind alle Vorgänge abzudecken, die erforderlich sind, um sich ein umfassendes Bild über die wesentlichen rechtlichen Verhältnisse des Emittenten und seiner wesentlichen Tochtergesellschaften zu machen.

Wesentliche Tochtergesellschaften sind laut CESREmpfehlung (CESR/05-054b, Rz. 161) Unternehmen mit einem Buchwert von mindestens 10 % des Eigenkapitals des Emittenten und Unternehmen, die mindestens 10 % zum Gewinn/Verlust des Emittenten beisteuern sowie andere Gesellschaften, wenn sie aus sonstigen Gründen wesentlich für den Geschäftsbetrieb des Emittenten sind.

In der Regel stimmen die beauftragten Rechtsberater und die Emissionsbanken eine Wesentlichkeitsgrenze
ab, die sich häufig am Jahresumsatz orientiert. Vorgänge, die nicht diesen Schwellenwert erreichen, können jedoch auch zu untersuchen sein, wenn sie strategische Bedeutung für den Emittenten haben.

Der Prüfungszeitraum erstreckt sich in Anlehnung an die im Prospekt darzustellenden Finanzinformationen
üblicherweise auf die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre und das laufende Geschäftsjahr. Insbesondere bei gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen kann aber auch eine darüber hinausgehende Prüfung erforderlich sein.

Schwerpunkt der Legal Due Diligence

Die Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Emittenten steht im Mittelpunkt der Untersuchungshandlungen. Hierzu zählen die Durchsicht der Gründungsdokumentation, der Dokumentation von Kapitalmaßnahmen, der Satzung, der vergangenen Hauptversammlungsprotokolle sowie der Vorstandsund Aufsichtsratsprotokolle der letzten Jahre.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Sichtung der wesentlichen Verträge, insbesondere langfristiger und großvolumiger sowie strategisch bedeutsamer Vereinbarungen und Finanzierungsverträge, auf ihre Wirksamkeit, Kündbarkeit, Wettbewerbsbeschränkungen, unübliche Gewährleistungsregelungen, Vertragsstrafeversprechen, „Change of Control“-Bestimmungen und Garantien.

Aufgrund des erforderlichen Detaillierungsgrads der Darstellung im Wertpapierprospekt sind die Geschäfte und Rechtsbeziehungen mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions) zu untersuchen. Daneben sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, z. B. Subventionen, Steuererleichterungen, Genehmigungserfordernisse etc. abzuklären. Im Allgemeinen ist darüber hinaus die Durchsicht der arbeitsrechtlichen Dokumentation durch ein auf Arbeitsrecht spezialisiertes Mitglied des Anwaltsteams geboten. Je nach der Branche des Emittenten kann die Klärung umweltrechtlicher Fragen z. B. Altlasten von Bedeutung sein. Branchenunabhängig ist hingegen die Frage nach Rechtsstreitigkeiten, insbesondere Informationen zu anhängigen Aktiv- und Passivprozessen, Verwaltungs- und Schiedsgerichtsverfahren und drohenden Rechtsstreitigkeiten. Gewerbliche Schutzrechte und Patente sind, ggf. in Zusammenarbeit mit einem Patentanwalt, ebenfalls zu sichten.

SCHWERPUNKTE DER LEGAL DUE DILIGENCE

  • Gesellschaftsrecht
    • Gründungsdokumentation
    • Kapitalmaßnahmen
  • Wesentliche Verträge
    • Finanzierungsverträge
    • Strategisch wichtige Verträge
  • Geschäfte mit nahestehenden Personen
  • Rechtliche Rahmenbedingungen
    • Subventionen
    • Genehmigungserfordernisse
  • Arbeitsrechtliche Dokumentation
  • Rechtsstreitigkeiten
  • Gewerbliche Schutzrechte

Auf der Grundlage der durchgeführten Legal Due Diligence geben sowohl der Rechtsberater des Emittenten als auch die Rechtsberater der Emissionsbanken sog. Opinions (Disclosure Letter und Legal Opinion) ab. Dabei handelt es sich um formalisierte Stellungnahmen zu weitgehend standardisierten Themenbereichen. Hat der Emittent bedeutende Tochtergesellschaften im Ausland, werden diese Opinions bisweilen durch Opinions zusätzlich eingeschalteter ausländischer Anwälte ergänzt. Ebenso kann sich, je nach Branche, die Einholung der Opinion eines Patentanwaltes empfehlen.

Disclosure Letter

Der Disclosure Letter enthält keine rechtliche Stellungnahme. Vielmehr bestätigen die Rechtsberater, dass ihnen im Zuge der durchgeführten Legal Due Diligence keine Tatsachen bekannt geworden sind, wonach der Prospekt unrichtig oder unvollständig wäre. Ausgenommen bleiben die im Prospekt abgedruckten Abschlüsse und Finanzangaben des Emittenten (für die der Abschlussprüfer eine ähnliche Aussage im Comfort Letter trifft).

Legal Opinion

Die Legal Opinion enthält Stellungnahmen zur rechtlichen Beurteilung bestimmter Sachverhalte durch den Opinionersteller. Sie enthält bei einem IPO im Allgemeinen Aussagen über die wirksame Errichtung des Emittenten, die Existenz der angebotenen Aktien, das Vorliegen der erforderlichen Gremienbeschlüsse, die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit des Übernahmevertrags sowie dazu, dass die Durchführung des Börsengangs nicht gegen das Gesetz oder die Satzung des Emittenten verstößt.

US-Opinions

Sofern im Zuge des IPOs Aktien auch in den USA, etwa bei qualifizierten institutionellen Investoren nach Rule 144A unter dem U.S. Securities Act von 1933 privat platziert werden, sind US-Anwälte damit betraut, zusätzliche Opinions abzugeben. Sie nehmen einerseits zur Frage der Registrierungspflicht des Angebots in den USA Stellung (No Registration Opinion) und geben auf Grundlage der durchgeführten Due Diligence darüber hinaus einen weiteren Disclosure Letter nach U.S.-rechtlichem Standard (10b-5 Letter) ab. In Einzelfällen erweitert sich der Inhalt der rechtlichen Stellungnahme zur Registrierungspflicht auf weitere US-Fragen.

Zeitpunkt der Opinion-Abgabe

Um zu jedem Stadium der Transaktion, in dem sich die Risikoposition der Emissionsbanken verstärkt oder sie sich noch stärker am Markt exponieren, komfortabel zu sein, vereinbaren die Emissionsbanken im Übernahmevertrag zu jedem dieser Zeitpunkte eine erneute Opinion-Abgabe. Maßgebliche Zeitpunkte sind in der Regel die Billigung und Veröffentlichung des Wertpapierprospekts, die Zeichnung der neuen Aktien, die Vereinbarung des Platzierungspreises und die Überweisung des Emissionserlöses an den Emittenten.

Verwendung der Opinions

Die Opinions sind ausschließlich an die Emissionsbanken adressiert und dürfen von diesen lediglich im Zusammenhang mit dem Börsengang verwendet werden. Dies beinhaltet insbesondere die Verwendung zur Verteidigung gegen etwaige Prospekthaftungsansprüche, die von Investoren geltend gemacht werden könnten. Eine Weitergabe an die Erwerber der Aktien ist hingegen ausgeschlossen.

ÜBERBLICK ÜBER DIE OPINIONS BEIM IPO

  • Legal Opinion des Issuer’s Counsel
  • Disclosure Letter des Issuer’s Counsel
  • Legal Opinion des Underwriters‘ Counsel
  • Disclosure Letter des Underwriters‘ Counsel
  • Ggf. No Registration Opinion des Issuer’s Counsel
  • Ggf. 10b-5 Disclosure Letter des Issuer’s Counsel
  • Ggf. No Registration Opinion des Underwriters’ Counsel
  • Ggf. 10b-5 Disclosure Letter des Underwriters’ Counsel
  • Ggf. ausländische Legal Opinons
  • Ggf. Patentopinion eines Patentanwalts

Autor: Prof. Dr. Michael Schlitt / Dr. Susanne Schäfer / Dr. Thorsten Becker
PDF: Legal Due Diligence

4.20. Comfort Letter

Der Comfort Letter ist ein Schreiben des Wirtschaftsprüfers, adressiert an den Auftraggeber (i. d. R. den Emittenten) und die prospektverantwortlichen Emissionsbanken, mit den Ergebnissen zu gesondert vereinbarten Untersuchungshandlungen zu bestimmten in einem Prospekt enthaltenen Finanzangaben im Zusammenhang mit einer Emission von Wertpapieren. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf einem nach dem deutschen IDW Prüfungsstandard „Grundsätze für die Erteilung eines Comfort Letter“ (IDW PS 910) erteilten Comfort Letter.

Funktion des Comfort Letter

Zur Vorbereitung von IPOs werden – häufig nach gesetzlichen Vorgaben – Prospekte erstellt, in denen Informationen über den Emittenten (so auch Jahresabschlüsse, Konzernabschlüsse, Zwischenabschlüsse, ggf. Pro-Forma-Finanzinformationen, zusätzliche Abschlusselemente usw.) und über die zum Kauf angebotenen Wertpapiere aufgeführt werden. In Deutschland sind gemäß §§ 44 und 45 BörsG jene, die für den Prospekt Verantwortung übernommen haben und jene, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, für Vollständigkeit und Richtigkeit des Prospekts verantwortlich. Die Einholung des Comfort Letter dient den Prospektverantwortlichen – neben anderen Maßnahmen – als Nachweis, dass sie bei der Prospekterstellung mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen sind (Due Diligence Defense).

Auftrag zur Erteilung eines Comfort Letter

Der Auftrag zur Erteilung eines Comfort Letter wird in Deutschland im Allgemeinen vom Emittenten erteilt. Es gibt keinerlei gesetzliche Regelungen, welche die Erteilung eines Comfort Letter im Rahmen eines IPOs vorschreiben oder seinen Inhalt regeln. Indes vereinbaren die im Comfort Letter adressierten Emissionsbanken mit dem Emittenten bereits im Vorfeld des IPOs im Allgemeinen, dass der Emittent den Wirtschaftsprüfer mit der Erteilung eines Comfort Letter beauftragen wird. Die Haftung des Wirtschaftsprüfers richtet sich nach den im Auftragsverhältnis mit dem Emittenten getroffenen Vereinbarungen. Infolge des Einbezugs der Banken in den Schutzbereich des Auftrags kann die Haftung gegenüber den Emissionsbanken und dem Emittenten unterschiedlich geregelt werden. Die in Klammern und in kursiver Schrift gesetzten Daten zeichnen beispielhaft den zeitlichen Aufbau eines Comfort Letter und die dort angesprochenen Abschlüsse und Finanzinformationen nach.

Formale Grundbestandteile des Comfort Letter

>Adresse
Besonderheit des Comfort Letter ist, dass die Emissionsbanken neben dem Emittenten Adressaten des Comfort Letter sind, in Deutschland indes im Allgemeinen nicht den Auftrag zur Abgabe eines Comfort Letter erteilen.

>Datum des Comfort Letter (Signing Date)
Der Comfort Letter wird auf den Tag seiner Erteilung datiert (so. z. B. hier der 6. September 2008; die folgenden Datumsangaben sind Beispiele und aufeinander abgestimmt). Im Rahmen der Planung des IPOs ist zu berücksichtigen, wann der Comfort Letter erteilt werden soll und ob ggf. mehrere Comfort Letter zu verschiedenen Zeitpunkten während der Transaktion erteilt werden sollen. Mögliche Zeitpunkte sind bspw. das Datum des (von der relevanten Behörde genehmigten) Prospekts (6. September 2008), Durchführung der
Kapitalerhöhung, Festlegung des Emissionspreises oder die Auszahlung des Emissionserlöses an den Emittenten.

>Adresse
Im Betreff wird auf das zugrunde liegende IPO
eingegangen.

>Adresse
Im einleitenden Abschnitt werden die Abschlüsse (HGB-Konzernabschluss zum 31. Dezember 2005, IFRS-Konzernabschlüsse zum 31. Dezember 2006 und 2007 sowie HGB-Jahresabschluss zum 31. Dezember 2007) bzw. Finanzinformationen des Emittenten dargestellt, die (zumindest teilweise) im Prospekt abgebildet bzw. per Referenz in den Prospekt einbezogen wurden und vom Wirtschaftsprüfer einer Prüfung oder einer prüferischen Durchsicht (im Sinne der §§ 37w Abs. 5 und 37x Abs. 3 S. 3 WpHG im Falle von Kapitalerhöhungen
bei bereits am regulierten Markt zugelassenen Unternehmen) unterzogen wurden und für die vom Wirtschaftsprüfer ein Bestätigungsvermerk bzw. eine Bescheinigung erteilt wurden.

>Feststellung der Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers

>Verwendungszweck
Der Comfort Letter ist allein für die Adressaten des Comfort Letter bestimmt, soweit sie für den Inhalt des Prospekts verantwortlich sind. Er dient zur Information und Unterstützung bei der Durchführung und Dokumentation der eigenen Untersuchungen der Adressaten hinsichtlich der Geschäftstätigkeit des Emittenten im Zusammenhang mit dem IPO. An diese Begrenzung des Verwendungszwecks knüpft die Verpflichtung der Adressaten, den Comfort Letter vertraulich zu behandeln.

>Datum des Abschlusses der Untersuchungshandlungen (Cutoff Date)
Mit dem Cutoff Date (3. September 2008) wird der Zeitpunkt festgelegt, zu welchem die für Zwecke der Erteilung des Comfort Letter vom Wirtschaftsprüfer durchzuführenden Untersuchungshandlungen abgeschlossen werden. Der Cutoff Date liegt i. d. R. ein bis drei Arbeitstage vor dem Signing Date (6. September 2008) des Comfort Letter. Folglich sind vom Unternehmen ggf. noch am Tag der Erteilung des Comfort Letter Daten zu liefern und vom Wirtschaftsprüfer entsprechende Untersuchungshandlungen durchzuführen, um den Informationsstand zum Cutoff Date zu erfassen.

>Hinweis auf den der Erteilung des Comfort Letter zugrunde liegenden Prüfungsstandard
Der im März 2004 verabschiedete IDW PS 910 (IDW Prüfungsstandard „Grundsätze für die Erteilung eines Comfort Letter“) hat sich für in Deutschland stattfindende IPOs als der allein maßgebliche Standard etabliert. Sofern ein sog. Private Placement in den USA (gemäß Rule 144A des Securities Act) durchgeführt wird, wird der Wirtschaftsprüfer meist beauftragt, für Zwecke dieses Private Placement einen zweiten Comfort Letter zu erteilen, der sich am amerikanischen Comfort-Letter-Standard SAS 72 (U.S. Auditing Standards AU 634 „Letters for Underwriters and Certain Other Requesting Parties“) orientiert. Im Falle der Erteilung von auf unterschiedlichen Standards basierenden Comfort Letter ist eindeutig zu definieren, auf welche Teile der Kapitalmarkttransaktion sich die jeweiligen Comfort Letter beziehen. Weiter ist infolge der ggf. von dem jeweiligen Comfort-Letter-Standard abhängigen unterschiedlichen Bedingungen für die erstmalige Erteilung des Comfort Letter darauf zu achten, zu welchen Zeitpunkten die jeweiligen Comfort Letter erteilt werden können und sollen.

>Hinweis auf das anwendbare Recht, das der Erteilung des Comfort Letter zugrunde liegt, und vereinbarter Gerichtsstand

Mögliche weitere Bestandteile des Comfort Letter
Die im IDW PS 910 genannten Untersuchungshandlungen stellen keinen obligatorischen Katalog durchzuführender Untersuchungshandlungen, sondern einen „Baukasten“ derselben dar. Art und Umfang der für Zwecke des Comfort Letter berichteten Untersuchungshandlungen sind u. a. von folgenden Kriterien abhängig:

  • Zeitplan der Transaktion und hier insbesondere das Datum des Prospekts Beispielsweise kann sich die Frage der Erstellung eines Zwischenabschlusses, dessen Aufnahme in den Prospekt sowie dessen prüferische Durchsicht durch den Wirtschaftsprüfer i. d. R. nur dann ergeben, wenn zwischen dem Stichtag des letzten
    geprüften Abschlusses und dem Datum des Prospekts mehr als drei Monate verstrichen sind;
  • Möglichkeiten und Bereitschaft des Emittenten, die zu untersuchenden Daten in der notwendigen Qualität
    zu erstellen und zu den jeweiligen Zeitpunkten, an denen Comfort Letter erteilt werden sollen,
    zu aktualisieren;
  • Beauftragung des Wirtschaftsprüfers durch den Emittenten.

Die für Zwecke des Comfort Letter durchgeführten Untersuchungshandlungen sollen hauptsächlich den Zeitraum zwischen dem Stichtag des letzten geprüften Abschlusses (31. Dezember 2007) und dem Cutoff Date des Comfort Letter (3. September 2008) (Folgeperiode) abdecken. Mit den nachfolgend dargestellten
Untersuchungshandlungen soll i. d. R. die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens nach dem Stichtag des letzten geprüften Abschlusses reduziert werden. Folgende Untersuchungshandlungen können Bestandteil des Comfort Letter sein:

>Kritisches Lesen der Protokolle von den Sitzungen der Gesellschaftsorgane
Die Protokolle der Sitzungen der Gesellschaftsorgane und ggf. ihrer Ausschüsse des Emittenten im Zeitraum zwischen dem Stichtag des letzten geprüften Abschlusses (31. Dezember 2007) und dem Cutoff Date (3. September 2008) können vom Wirtschaftsprüfer kritisch gelesen werden.

>Prüferische Durchsicht eines (Konzern-) Zwischenabschlusses
Dieser i. d. R. in den Prospekt aufgenommene (Konzern-) Zwischenabschluss (IFRS-Konzernzwischenabschluss
zum 30. Juni 2008) schließt zeitlich an den letzten geprüften (Konzern-)Abschluss (IFRS-Konzernabschluss zum 31. Dezember 2007) an. Emittenten, die für Zwecke des Börsengangs erstmals einen (Konzern-)Abschluss nach IFRS erstellt haben und/oder unterjährig bisher keine derartigen Zwischenabschlüsse erstellt haben, sollten beachten, dass bspw. ein nach IAS 34 erstellter vollständiger Zwischenabschluss auch Vergleichszahlen für die entsprechende Vorjahresperiode enthalten muss. Der meist hohe zeitliche Aufwand für die Erstellung des Zwischenabschlusses und insbesondere oben angeführter Vergleichszahlen sowie der anschließend durchzuführenden prüferischen Durchsicht ist in der Planung des IPOs unbedingt einzubeziehen.

>Kritisches Lesen der Monatsberichte und Befragung der für das Rechnungswesen des Emittenten
verantwortlichen Personen

Die Monatsberichte (IFRS-Konzernmonatsberichte für Juli 2008 und 2007) decken einen Zeitraum ab, der nach dem Stichtag des letzten geprüften Abschlusses oder – sofern vorhanden – nach dem Stichtag des letzten Zwischenabschlusses (IFRSKonzernzwischenabschluss zum 30. Juni 2008) beginnt. Die Monatsberichte werden prinzipiell nach den gleichen Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellt wie der letzte geprüfte (Konzern-)Abschluss bzw. ggf. der letzte (Konzern-)Zwischenabschluss, also i. d. R. nach International Financial Reporting Standards (IFRS). Der Wirtschaftsprüfer unterzieht die Monatsberichte einem kritischen
Lesen und befragt die für das Rechnungswesen des Emittenten verantwortlichen Personen, ob bei der Erstellung dieser Monatsberichte im Wesentlichen die gleichen Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze angewendet wurden wie bei der Aufstellung der (des) letzten geprüften Abschlüsse bzw. des letzten geprüften Abschlusses. Der Emittent muss in der Planung des IPO-Prozesses – insbesondere bei einer erst für die Zwecke des IPOs durchgeführten Umstellung auf IFRS und einer zuvor meist nicht vorhandenen monatlichen Berichterstattung nach IFRS – berücksichtigen, dass die Erstellung der Monatsberichte nach IFRS, insbesondere die der Gewinn- und Verlustrechnungen für die entsprechenden Monate im Vorjahr, sowie das kritische Lesen durch den Wirtschaftsprüfer einen erheblichen Aufwand bedeuten können.

>Befragungen des Managements zu Veränderungen von im Einzelfall zu bestimmenden Abschlussposten
Der Wirtschaftsprüfer kann das Management zu Veränderungen von im Einzelfall zu bestimmenden Abschlussposten befragen. Für Bilanzposten wird der Stichtag des letzten geprüften (Konzern-)Abschlusses
oder – sofern vorhanden – der Stichtag des letzten erstellten (Konzern-)Zwischenabschlusses (30. Juni 2008) mit dem Stichtag des letzten Monats der Monatsberichte (31. Juli 2008) und ggf. mit dem Cutoff Date (3. September 2008) verglichen. Weiter können für die Posten der Gewinn- und Verlustrechnung die nach dem Stichtag des letzten erstellten (Konzern-)Zwischenabschlusses (30. Juni 2008) durch die Monatsberichte abgedeckten Monate und Vorjahresmonate (Juli 2008 versus Juli 2007) und ggf. die Zeiträume zwischen
dem Stichtag des letzten erstellten (Konzern-) Zwischenabschlusses bis zum Cutoff Date (1. Juli 2008 bis 3. September 2008 versus 1. Juli 2007 bis 3. September 2007) miteinander verglichen werden. Art und Umfang der Berichterstattung des Wirtschaftsprüfers richten sich nach Umfang und Qualität der vom Unternehmen generierten Daten. Insbesondere hinsichtlich der Entwicklung von Daten am Cutoff Date dürften vom Emittenten deutlich weniger Daten in der notwendigen Qualität generiert werden können, um den Wirtschaftsprüfer seinerseits im Comfort Letter über deren Entwicklung berichten zu lassen. Gemäß der sog. 135-Tage-Regel kann der Wirtschaftsprüfer, wenn der als „Change Period“ bezeichnete Zeitraum zwischen dem Stichtag des letzten geprüften oder – sofern jünger – einer prüferischen Durchsicht unterzogenen Abschlusses (30. Juni 2008) und dem Cutoff Date (3. September 2008) bis zu 134 Tage beträgt, für die oben genannten Veränderungen von Abschlussposten eine negativ formulierte Aussage (Negative Assurance)
abgeben. Beträgt die Change Period mehr als 134 Tage, darf keine Negative Assurance zu Veränderungen von Abschlussposten mehr abgegeben werden. Es besteht für den Wirtschaftsprüfer die Möglichkeit, über die Befragungen des Managements in Form einer Wiedergabe der Antworten des Managements (sog. Factual Findings) zu berichten. Die Berechnung der 134 Tage erfolgt im IDW PS 910 mit Hilfe der vereinfachenden Annahme von 30 Tagen für einen abgelaufenen Monat (Ablauf der 134 Tage am 14. November 2008 beim Ausgangspunkt 30. Juni 2008), während gemäß dem amerikanischen Standard SAS 72 die einzelnen Tage gezählt werden (Ablauf der 134 Tage am 11. November 2008).

>Formeller Abgleich (Tickmark, Circle) von Zahlenangaben im Prospekt mit Zahlenangaben des Emittenten
Der Wirtschaftsprüfer wird im Allgemeinen beauftragt, festzustellen, ob die im jeweiligen Einzelfall von den Emissionsbanken zu bestimmenden, im Prospekt enthaltenen Zahlen mit jenen in den zugrunde liegenden Abschlüssen bzw. mit jenen anderer Unterlagen übereinstimmen (Feststellung der schlichten 1:1-Übernahme von Zahlen in den Prospekt). Weiter wird er i. d. R. für im Prospekt enthaltene Zahlen, die aus Zahlen von zugrunde liegenden Abschlüssen bzw. anderen Unterlagen abgeleitet sind, die Richtigkeit dieser Zahlen nachrechnen und ggf. bestätigen. Es können nur solche Zahlen einen Tickmark erhalten, die aus der vom
rechnungslegungsbezogenen internen Kontrollsystem erfassten Finanzbuchhaltung des Emittenten stammen. Ein Tickmark von Zahlen im Prospekt, die nicht aus vom Wirtschaftsprüfer geprüften oder einer prüferischen Durchsicht unterzogenen Abschlüssen bzw. Finanzinformationen stammen, ist somit begrenzt. Daten aus Management- Informationssystemen kommen für einen Tickmark i. d. R. nicht in Betracht. Nicht tickmarkfähige
Zahlen sind bspw. Daten aus den Unterlagen des Emittenten, die nicht der Finanzbuchhaltung entstammen (zB. Quadratmeter der Verkaufsfläche, Zahl der Filialen), Daten aus Verträgen sowie Daten aus den Prüfungsberichten und Unterlagen des Wirtschaftsprüfers. Wichtig ist hier eine rechtzeitige Abstimmung zwischen den Beteiligten, da die Frage des Tickmarks bei den Prospektverantwortlichen ggf. Einfluss auf die Aufnahme von Daten in den Prospekt haben kann.

>Kritisches Lesen der Anhänge von Vorjahresabschlüssen
Der Wirtschaftsprüfer kann beauftragt werden, die Anhänge der im Prospekt veröffentlichten Jahres- bzw. Konzernabschlüsse des Emittenten darauf kritisch zu lesen, ob diese Anhänge Angaben zu Fehlerkorrekturen in laufender Rechnung enthalten. Er kann über das Ergebnis des kritischen Lesens in Form von Factual Findings berichten.

>Untersuchungshandlungen zur Feststellung bestätigungsvermerksrelevanter Ereignisse
Die Untersuchungshandlungen zur Feststellung bestätigungsvermerksrelevanter Ereignisse sind darauf gerichtet, für einen Zeitraum zwischen Erteilung des Bestätigungsvermerks für eine Prüfung eines Abschlusses im abgelaufenen Geschäftsjahr (bspw. IFRS-Konzernabschluss zum 31. Dezember 2007) und i. d. R. dem Cutoff Date festzustellen, ob dem Emittenten in diesem Untersuchungszeitraum Ereignisse bekannt geworden sind, die nach Beurteilung des Abschlussprüfers dazu geführt hätten, dass der für den letzten Abschluss erteilte Bestätigungsvermerk nicht in der jeweiligen Form oder mit dem jeweiligen Inhalt hätte erteilt werden dürfen, wenn dem Abschlussprüfer diese Ereignisse bereits zum Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks bekannt gewesen wären. Eine Erhebung solcher möglicher Ereignisse durch den Emittenten sowie ihre Feststellung durch den Abschlussprüfer stellt an beide hohe Anforderungen, da hier für
einen rein zufällig durch das Datum des Bestätigungsvermerks (10. März 2008) und das Cutoff Date (3. September 2008) bestimmten Zeitraum in einer fiktiven Betrachtungsweise zwischen

  • Ereignissen, die in der Rechnungslegung des laufenden Jahres (2008) abzubilden sind, weil sie neue, wertverändernde Verhältnisse nach dem Abschlussstichtag begründen (wertbegründende Ereignisse) und
  • Ereignissen, die nachträglich bessere Erkenntnisse über die Verhältnisse zum Abschlussstichtag (des IFRS-Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2007) liefern (wertaufhellende Ereignisse)

unterschieden werden muss. Bestätigungsvermerksrelevant sind allein wertaufhellende Ereignisse. Im IDW PS 910 findet sich eine umfangreiche Auflistung entsprechender Untersuchungshandlungen.

KOSTEN FÜR DIE ERTEILUNG EINES COMFORT LETTER

Neben den vom Abschlussprüfer erhobenen Gebühren für die Erteilung eines Comfort Letter sind insbesondere die beim Emittenten anfallenden internen Kosten sowie die ggf. im Abstimmungsprozess zum Comfort Letter bei weiteren Beteiligten (bspw. Rechtsanwälte und Berater) anfallenden Aufwendungen zu berücksichtigen. Folgende Faktoren bestimmen eben genannte Kosten:

  • Umfang der für Zwecke des Comfort Letter vom Unternehmen zu erstellenden Daten und der damit i. d. R. korrespondierende Umfang der vom Wirtschaftsprüfer durchzuführenden Untersuchungshandlungen
  • Anzahl der vom Wirtschaftsprüfer abzugebenden Comfort Letter
    Weitere Comfort Letter zu späteren Zeitpunkten verlangen vom Unternehmen einen Update der Daten sowie ggf. die Erstellung zusätzlicher Daten und vom Wirtschaftsprüfer die entsprechenden Untersuchungshandlungen
  • Die Bezugnahme im Comfort Letter auf oft vom Emittenten für sog. International Private Placements erstellte englischsprachige Prospekte erhöht für Unternehmen wie auch für den Wirtschaftsprüfer den Arbeitsaufwand
  • Die Abgabe eines zusätzlichen Comfort Letter nach einem anderen Standard (bspw. dem amerikanischen
    Standard SAS 72) erhöht insbesondere i. d. R. beim Wirtschaftsprüfer den Aufwand
  • Haftungsumfang des Wirtschaftsprüfers gegenüber den Emissionsbanken, wie er im Auftrag zur Erteilung des Comfort Letter vereinbart wird
  • Verzögerungen und Unterbrechungen im IPOProzess verlangen vom Unternehmen wie vom Wirtschaftsprüfer teilweise ein erneutes „Aufsetzen“ in ihren Arbeiten und ggf. infolge des zeitlichen Ablaufs fest vorgegebener Fristen die Erstellung und die Untersuchung zusätzlicher und aktualisierter Daten

Autor: Günter Doleczik
PDF: Comfort Letter