6.2. Insiderrecht (Überblick)

Die Vorschriften des Insiderrechts sollen durch die Sicherung des Anlegervertrauens auf Gleichbehandlung ein reibungsloses Funktionieren des Kapitalmarkts gewährleisten und durch die Ad-hoc-Pflichten für Transparenz sorgen. Sie ergeben sich im Wesentlichen aus dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG).

Insiderpapiere

Insiderpapiere sind gem. § 12 Abs. 1 WpHG Finanzinstrumente, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind, die in einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder deren Preis unmittelbar oder mittelbar von derartigen Finanzinstrumenten abhängt.

Checkliste

Ad-hoc-Pflicht, § 15 WpHG

Ad-hoc-Pflicht betrifft jegliche Insiderinformationen d. h. insbesondere über:

  • Vorstands- und AR-Beschlüsse
  • Strukturmaßnahmen, d. h. Umwandlungen, Verschmelzungen, Spaltungen, Ein- und Ausgliederungen
  • Planungen, Strategieänderungen
  • Kapitalmaßnahmen, Rückkaufprogramme, Antrag auf Widerruf der Zulassung
  • Veräußerung oder Erwerb wesentlicher Beteiligungen
  • Kauf- und Übernahmeangebote
  • Squeeze-out-Planungen
  • Kenntnis von Rating-Veränderungen durch eine Ratingagentur
  • Wesentliche Veränderungen von Ausschüttungen, Ergebnissen, Jahresabschlüssen und Zwischenberichten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum
  • Ausfall wesentlicher Schuldner, bevorstehende Zahlungseinstellungen, erhebliche außerordentliche Aufwendungen und Erträge
  • Verdacht auf Bilanzmanipulation, Produkthaftungsfälle und Rechtsstreitigkeiten
  • Interne Umbesetzung von Schlüsselpositionen

Insiderverzeichnis

  • Emittenten müssen gem. § 15b Abs. 1 WpHG Verzeichnisse über Personen führen, die für sie tätig sind und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben
  • Das Insiderverzeichnis ist laufend zu aktualisieren und der BaFin auf Verlangen zu übermitteln
  • Die Pflicht trifft auch Personen, die in Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handeln (Rechtsanwälte, Steuerberater, IR-Agenturen, Kreditinstitute)

Jährliches Dokument

  • Pflicht zur Publikation eines Jährlichen Dokuments, das alle Informationen enthält oder darauf verweist, die der Emittent in den zwölf vorausgegangenen Monaten aufgrund der rechtlichen Verpflichtungen veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat, § 10 WpPG.
  • Das Dokument ist nach Offenlegung des Jahresabschlusses bei der BaFin zu hinterlegen.

Insiderinformationen

Eine Insiderinformation ist eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen. Sie muss ferner geeignet sein, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Papiere erheblich zu beeinflussen, § 13 Abs. 1 WpHG. Das ist dann bereits der Fall, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Nach Auffassung der BaFin können auch Gerüchte Insiderinformationen darstellen, wenn sie aus verlässlicher Quelle melstammen und auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage basieren (Emittentenleitfaden der BaFin, erhältlich unter www.bafin.de). Keine Insiderinformationen sind hingegen allgemeine Wirtschaftsdaten oder Veränderungen der Situation eines wesentlichen Konkurrenten.

Verbot von Insidergeschäften

Der Erwerb und die Veräußerung von Insiderpapieren unter Verwendung von Insiderinformationen für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen ist verboten, § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 WpHG, und kann straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Konsequenzen haben, §§ 38 Abs. 1, 39 Abs. 1 WpHG. Dies gilt ebenfalls für die unbefugte Mitteilung oder das Zugänglichmachen sowie die Empfehlung des Erwerbs oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten unter Verwendung von Insiderinformationen an andere. Betrieblich bedingte interne Weitergaben sind davon ausgenommen.

Ad-hoc-Pflicht

Insiderinformationen sind unverzüglich als Ad-hoc- Mitteilung zu veröffentlichen und dem Unternehmensregister zu übermitteln, § 15 Abs. 1 WpHG. Insbesondere bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen besteht die Möglichkeit der vorübergehenden Befreiung von dieser Verpflichtung. Voraussetzung ist ein berechtigtes Interesse des Emittenten. Es darf keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten sein, weiterhin muss die Vertraulichkeit der Information gewährleistet sein. Die Veröffentlichung ist unverzüglich nach Wegfall des Geheimhaltungsinteresses nachzuholen, § 15 Abs. 3 WpHG. Ein berechtigtes Interesse ist beispielsweise anzunehmen, wenn unternehmerische Ziele durch die Veröffentlichung gefährdet würden, etwa bei laufenden Verhandlungen über bedeutende Verträge oder geplante Übernahmen. Die Ad-hoc-Pflicht trifft auch die Muttergesellschaft eines Konzerns, wenn Informationen von rechtlich selbstständigen Tochtergesellschaften Kursrelevanz für die Muttergesellschaft besitzen. Ist auch die Tochtergesellschaft an einem organisierten Markt notiert, unterliegt sie ebenfalls der Veröffentlichungspflicht. Jede zu veröffentlichende Information ist in der Form der Veröffentlichung vorab der BaFin sowie der Geschäftsführung des jeweiligen inländischen organisierten Marktes, an dem die Finanzinstrumente gehandelt werden, mitzuteilen. Die Vorabmitteilung hat einen Ansprechpartner des Emittenten sowie den vorgesehenen Zeitpunkt der Veröffentlichung zu benennen, § 15 Abs. 4 WpHG, § 8 Abs. 1 WpAIV.

Checkliste: Directors´ Dealings

Meldepflichtiger Personenkreis

Personen mit Führungsaufgaben:

  • Persönlich haftende Gesellschafter
  • Mitglieder eines Leitungs-, Verwaltungs-, Aufsichtsorgans des Emittenten
  • Sonstige Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind

Nahestehende Personen:

  • Ehepartner
  • Eingetragene Lebenspartner
  • Unterhaltsberechtigte Kinder
  • Andere Verwandte, die mit einer Person mit Führungsaufgaben seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt leben

Juristische Personen:
Sofern sie direkt oder indirekt von einer Person mit Führungsaufgaben kontrolliert oder gegründet wurden oder ihre wirtschaftlichen Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen

Directors´ Dealings

Personen, die Führungsaufgaben bei einem Emittenten wahrnehmen sowie Privatpersonen, die enge Beziehungen mit dieser Person unterhalten, haben eigene Geschäfte mit Aktien des Emittenten zu melden, § 15a Abs. 1 WpHG. Hierunter fallen Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und andere Verwandte, wenn sie mit Personen in Führungsaufgaben seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt leben. Darüber hinaus fallen auch juristische Personen, bei denen Personen mit Führungsaufgaben direkt oder indirekt die Kontrolle ausüben, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen unter den meldepflichtigen Personenkreis. Die Meldung hat innerhalb von fünf Werktagen gegenüber dem Emittenten sowie der BaFin zu erfolgen, § 15a Abs. 1 S. 1 WpHG, §§ 10ff. WpAIV.

Verstöße gegen die Veröffentlichungspflicht

Die wissentliche Veröffentlichung einer falschen Ad-hoc-Mitteilung führt regelmäßig zu einer Haftung des Vorstandes des Emittenten aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, § 826 BGB. Der Emittent haftet selbst aus §§ 826, 31 analog BGB sowie aus § 37c WpHG auf Schadensersatz, wenn der Anleger im Vertrauen auf die Richtigkeit der Meldung die betreffenden Finanzinstrumente erworben oder veräußert hat. Daneben können Verstöße gegen die Veröffentlichungspflichten Ordnungswidrigkeiten begründen, die nach § 39 Abs. 2 Nr. 2c), Nr. 5 bis 7 WpHG Bußgelder nach sich ziehen können. Dies ist dann der Fall, wenn Mitteilungen vorsätzlich oder leichtfertig nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Art und Weise oder nicht rechtzeitig gemacht werden. Auch Verstöße gegen die „Directors´ Dealings“-Bestimmungen können zu Bußgeldern führen, § 39 Abs. 2 Nr. 2d), Nr. 5b) WpHG.


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PDF: Insiderrecht