1.6. Restriktionen eines IPOs

Den Vorteilen eines IPOs stehen auch einige Restriktionen gegenüber, die die Vorteile stellenweise kompensieren können. Damit muss sich jeder Börsenkandidat auseinandersetzen. Erst nach einem Abwägen zwischen den Vorteilen und den möglichen Restriktionen lässt sich eine endgültige Entscheidung über das IPO treffen. Dieses Abwägen ist zwingend erforderlich, um nicht nach dem IPO festzustellen, dass z. B. die Konsequenzen der Transparenzerfordernisse, die Kosten und die Möglichkeit eines Machtverlustes so gar nicht gewollt waren. Denn nicht jedes Unternehmen, das den Weg an die Börse sucht, ist auf dem richtigen Pfad.

Transparenz der Vermögensverhältnisse ist für die Stakeholder gegeben

Die Vermögenswerte der Eigentümer werden für jedermann, also auch Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner transparent. Solange die Eigentümer im Aufsichtsrat bzw. im Vorstand vertreten sind, ist aufgrund der gesetzlichen Publizitätserfordernisse ebenfalls ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt sie in welchem Umfang Aktien erwerben oder veräußern.

Möglicher „Machtverlust“ durch Mitspracherechte der neuen Aktionäre und der Kontrollorgane

Ungewohnt ist gerade für die familien- und inhaber geführten Unternehmen die Einräumung umfangreicher gesetzlicher Mitspracherechte. Den Publikumsaktionären stehen eine Reihe von Entscheidungsund Auskunftsrechten zu, die im Wesentlichen im Rahmen der Hauptversammlung ausgeübt werden können. Gleichfalls stehen dem Aufsichtsrat Kontrollrechte zu, die laufend ausgeübt werden. Die Öffnung des Aktionärskreises durch ein IPO und die Einrichtung eines fremd besetzten Aufsichtsrates kann also tendenziell einen „Machtverlust“ für die Altgesellschafter bedeuten.

Steuerliche Belastung für die Altaktionäre kann sich erhöhen

Grundsätzlich können mit den strukturellen Änderungen der Gesellschafts- und Anteilseignerstruktur nachteilige steuerliche Sachverhalte ausgelöst werden werden, die in die Sphäre der (bisherigen) Gesellschafter fallen. Eine entsprechende steuerliche Belastung der Altgesellschafter ist bei der Vorbereitung, aber auch im Zuge der Veräußerung von Anteilen im Rahmen des IPOs zu beurteilen. Gleiches gilt für eine ggf. durch den Börsengang geänderte steuerliche Bemessungsgrundlage bei Anteilsübertragungen.

Erhöhte Publizitätserfordernisse geben detailliert Auskunft über das Unternehmen

Der Börsengang stellt – häufig erstmalig – dauerhaft hohe Transparenzanforderungen an den Emittenten. Die Offenlegung von Jahresabschlüssen, die unmittelbare Berichterstattung über die geschäftliche Entwicklung sowie die Darstellung der Anteilsverhältnisse machen das Unternehmen auf eine bis dato nicht praktizierte Weise transparent. Die laufende Verpflichtung zur (quartalsweisen) Berichterstattung, die Durchführung von Pressekonferenzen, Analysten- und Investorenterminen und die jährliche Hauptversammlung fordern von dem Unternehmen eine dauerhafte Bereitschaft zur Transparenz. Die Erfüllung dieser Publizitätserfordernisse ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Phasen der Unternehmensentwicklung von besonderer Bedeutung.

Umkehrbarkeit eines IPOs (Delisting) ist mit erhöhten Anstrengungen und Kosten verbunden

Die Aufnahme einer Börsennotierung ist ein einschneidendes Ereignis in der Unternehmensentwicklung. Im Zuge des Börsengangs erfolgt oftmals eine personelle, strukturelle und organisatorische Neuorientierung. Dies kann z. B. Änderungen in der Eignerstruktur, die (Neu-)Besetzung des Vorstands bzw. Aufsichtsrates sowie eine gesellschaftsrechtliche Neuordnung umfassen. Gleichermaßen ist die Finanzierungsstruktur, die zukünftige Unternehmensentwicklung und die Geschäftsausrichtung wesentlich durch das IPO beeinflusst. Zudem werden durch ein öffentlichkeitswirksames IPO ein Image, strategische Zielsetzungen und Visionen kommuniziert, an denen sich das Unternehmen für lange Zeit messen lassen muss. Diese Schritte lassen sich in aller Regel nicht ohne Weiteres wieder rückgängig machen.

Ein IPO ist mit hohen Kosten verbunden

Der Gang an den Kapitalmarkt ist mit wesentlichen einmaligen („Going Public“-) Kosten verbunden. Hierzu zählen neben den Provisionen an die begleitenden Banken insb. die Kosten der Vorbereitung im Rahmen der Due Diligence, der steuerlichen Strukturierung und der Rechtsberatung, sowie Kosten für Investor Relations und Marketing. Hinzu kommen laufende („Being Public“-) Kosten die durch Offenlegungspflichten, Transparenzanforderungen und Investor-Relations Arbeit bedingt sind. Wesentlich aber ist vor allem der erhebliche zeitliche Aufwand, den das Top-Management eines börsennotierten Unternehmens dauerhaft zu bewältigen hat.


Autor: Christian Niederle
PDF: Restriktionen eines IPOs