1.11. Zielgruppen der Börsensegmente

Börsen-segment Zielgruppe Wesentliche Merkmale
Prime Standard: Unternehmen, die vor allem internationale Investoren ansprechen wollen Hohe Zahl an Transparenzanforderungen, um auf die verschiedensten Informationswünsche internationaler Investoren einzugehen; z. B. internationale Investoren verlangen insbesondere Quartalsberichte in englischer Sprache; erhöhte Visibilität durch Auswahl- und Sektorindizes
General Standard: 1. Unternehmen, die nationale Investoren ansprechen wollen und sich für ein möglichst günstiges Listing entscheiden

Ein Listing ist im weltweiten Vergleich sehr schnell möglich bei
gleichzeitig hoher Liquidität für den Aktienhandel, was vor allem
für junge Unternehmen von großer Bedeutung ist
2. Zugang zu nationalen, aber auch internationalen Investoren Im General Standard sind gleichzeitig die Mindestanforderungen
EU-regulierter Märkte erfüllt.
Entry Standard: 1. Attraktiv für junge und etablierte mittelständische Unternehmen,
welche die Komplexität der IFRS sowie sonstige regulatorische Verpflichtungen nicht erfüllen
Aufgrund der gestiegenen regulatorischen Anforderungen der
Vergangenheit im General und Prime Standard will der Entry
Standard mit deutlich reduzierten Anforderungen speziell kleineren,
mittelständischen Unternehmen einen alternativen Zugang
zum Kapitalmarkt ermöglichen
2. Im Open Market aktive Unternehmen, die ihre Aktien jetzt auch durch ein öffentliches Angebot verkaufen wollen Gewinnung einer größeren Zahl von meist qualifizierten
Anlegern, allgemeine Erweiterung des Investorenkreises,
Private-Equity- und Venture-Capital-Investoren nutzen den Entry
Standard als Exit-Kanal

 


Autor: Michael Oppermann
PDF: Zielgruppen der Börsensegmente

1.12. Regulated Market

Das Börsengesetz sieht nach dem Inkrafttreten des Finanzmarkt-Richtlinie- Umsetzungsgesetzes (FRUG) als Umsetzung der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) den regulierten Markt (Regulated Market, vormals amtlicher und geregelter Markt) und den Freiverkehr (Open Market) vor. Für ein Listing am regulierten Markt bestehen erhöhte Anforderungen hinsichtlich der Transparenzstandards. Diese ergeben sich aus der Börsenordnung der jeweiligen Wertpapierbörse und dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Die Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) hat von der Ermächtigung in § 42 Abs. 1 Börsengesetz (BörsG) Gebrauch gemacht und weitere Teilbereiche mit besonderen Pflichten eingeführt (Prime Standard und General Standard). Voraussetzung für die Zulassung im Prime Standard ist zunächst die Zulassung zum General Standard (§§ 42 Abs. 1, 45 Abs. 1 Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse, BörsO FWB).

General Standard

Im General Standard werden die EU-rechtlich vorgegebenen Mindestanforderungen hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen und Melde- und Transparenzpflichten verlangt, um eine internationale Vergleichbarkeit der gelisteten Wertpapiere zu ermöglichen. Ein Listing bietet einen kostengünstigen Zugang zu einem organisierten Markt.

Prime Standard

Im Prime Standard muss der Emittent besonders hohe Transparenzvoraussetzungen erfüllen. Die Aufnahme in den Prime Standard ist Voraussetzung für die Aufnahme in einen der Auswahlindizes der Deutschen Börse (z. B. DAX, MDAX, TecDAX, SDAX).

Zulassung und Einführung

Die Zulassung von Aktien zum organisierten Markt erfolgt durch Verwaltungsakt, der zu einem öffentlich- rechtlichen Benutzungsverhältnis zwischen dem Emittenten und der Börse führt. Eine gleichzeitige Zulassung zum Handel an verschiedenen Handelsplätzen (Dual Listing) ist möglich. Die Zulassung ist von dem Emittenten gemeinsam mit einem in Deutschland zugelassenen Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut oder einem im EU-Ausland angesiedelten und zugelassenen Einlagenkreditinstitut oder Wertpapierhandelsunternehmen, welches Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte im Inland unter Ausnutzung des sog. „Europäischen Passes“ erbringt, zu beantragen. Das entsprechende Institut oder Unternehmen muss an einer inländischen Wertpapierbörse mit dem Recht zur Teilnahme am Handel zugelassen sein und ein haftendes Eigenkapital im Gegenwert von mindestens 730.000 Euro nachweisen.

Checkliste

Zulassungsvoraussetzungen

  • Gründung und Satzung oder Gesellschaftsvertrag müssen ordnungsgemäß sein (§ 1 BörsZulV).
  • Der Emittent muss mindestens seit drei Jahren als Unternehmen (nicht als Aktiengesellschaft) bestehen und Jahresabschlüsse für die letzten drei Geschäftsjahre nach den gesetzlichen Bestimmungen offen gelegt haben (§ 3 Abs. 1 BörsZulV). Abweichend hiervon kann die Börsengeschäftsführung Aktien zulassen, wenn dies im Interesse des Emittenten und Publikums liegt, § 3 Abs. 2 BörsZulV (in der Praxis wird hierbei auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise abgestellt).
  • Der voraussichtliche Kurswert der zuzulassenden Aktien (oder das Eigenkapital des Emittenten, sofern sich der Mindestkurswert nicht schätzen lässt) muss 1,25 Mio Euro betragen, bei Stückaktien müssen mindestens 10.000 Stück emittiert werden (§ 2 Abs. 1, 3 BörsZulV).
  • Die zuzulassenden Wertpapiere müssen frei handelbar sein (§ 5 Abs. 1 BörsZulV).
  • Die Zulassung muss sich grundsätzlich auf alle Aktien derselben Gattung beziehen (§ 7 Abs. 1 BörsZulV).
  • Die zuzulassenden Aktien müssen ausreichend gestreut sein. Sie gelten als ausreichend gestreut, wenn 25 % des Gesamtnennbetrages/der Stückzahl vom Publikum erworben sind, oder wenn wegen der großen Zahl von Aktien derselben Gattung und ihrer breiten Streuung im Publikum ein ordnungsgemäßer Börsenhandel auch mit einem niedrigeren Vomhundertsatz gewährleistet ist (§ 9 Abs. 1 BörsZulV).

Voraussetzung für die Zulassung ist ferner die Veröffentlichung eines von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekts, soweit nicht nach § 1 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 WpPG von der Veröffentlichung des Prospekts abgesehen werden kann, § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG. Die Anforderungen an den Prospektinhalt ergeben sich im Wesentlichen aus der sog. „Prospektrichtlinie-Umsetzungsverordnung“ (Verordnung (EG) Nr. 809/2004). Ein gemeinsames Komitee der europäischen Aufsichtsbehörden (Committee of European Securities Regulators, CESR) haben Empfehlungen zur Auslegung der Prospektrichtlinie- Umsetzungsverordnung veröffentlicht (erhältlich unter www.cesr-eu.org).

Die Zulassung der Aktien erfolgt frühestens einen Handelstag nach Einreichung des Zulassungsantrages § 50 Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV).

Für die Zulassung fällt eine Gebühr in Höhe von 10.000 Euro (Prime Standard) oder 7.500 Euro (General Standard) an.

Auf Antrag des Emittenten entscheidet die Geschäftsführung der Börse mit Verwaltungsakt über die Aufnahme der Notierung zugelassener Wertpapiere im regulierten Markt, § 38 Abs. 1 BörsG. Die Einführung darf frühestens einen Werktag nach der Veröffentlichung des Prospekts oder, wenn keine Prospektpflicht bestand, einen Werktag nach der Veröffentlichung der Zulassung erfolgen, § 52 BörsZulV.

Checkliste

Zulassungsfolgepflichten

General Standard

  • Ad-hoc-Publizitätspflicht, § 15 WpHG
  • Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (IFRS/IAS oder US-GAAP)
  • Jahres- und Halbjahresfinanzbericht, §§ 37 v, w WpHG
  • Zwischenmitteilungen Q1 u. Q3 (kein Abschluss, d. h. keine GuV, Bilanz etc. erforderlich)
  • Veröffentlichungen grundsätzlich in deutscher Sprache

Prime Standard (zusätzlich zu den Anforderungen im General Standard)

  • Jahresfinanzbericht, Halbjahresfinanzbericht, Quartalsberichterstattung und Ad-hoc Mitteilungen auch in engl. Sprache
  • Quartalsberichterstattung (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Kapitalflussrechnung, Segmentberichterstattung entsprechend IFRS oder USGAAP) und nicht lediglich Zwischenmitteilungen
  • Pflege eines Unternehmenskalenders auf der Homepage auch in englischer Sprache, § 49 BörsO FWB
  • Durchführung mindestens einer
    Analystenkonferenz pro Geschäftsjahr, § 50 BörsO FWB

Einbeziehung

Anstelle der Zulassung ist auch eine Einbeziehung in den Regulierten Markt möglich, wenn das Wertpapier bereits an einer anderen inländischen Börse zum Handel in den regulierten Markt oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zum Handel an einem organisierten Markt oder an einem Markt in einem Drittstaat, sofern vergleichbare Zulassungsvoraussetzungen, Melde- und Transparenzpflichten bestehen, zugelassen ist (§ 33 Abs. 1 BörsG).

Zulassungsfolgepflichten

Aus der Zulassung zu den verschiedenen Börsensegmenten sowie der Einführung ergeben sich verschiedene Folgepflichten: Offenlegung von Directors‘ Dealings § 15a Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), Mitteilung zu Meldeschwellen §§ 21 ff. WpHG, Pflichtangebot bei Kontrollwechsel, §§ 35 ff. WpÜG sowie Finanzberichterstattung. Letztere ist durch Ankündigung, Mitteilung an die BaFin und Übermittlung an das Unternehmensregister innerhalb von vier Monaten nach dem Ende des Berichtszeitraums (Jahresfinanzberichte), zwei Monaten nach Ende des Berichtszeitraums (Halbjahresfinanzberichte und Quartalsberichte) oder sechs Wochen vor Ende des Halbjahres (Zwischenberichte) zu veröffentlichen.


Autor: Holger Hirschberg/Philipp Melzer/Stephan Parrandier/Dr. Andreas Zanner
PDF: Regulated Market

1.13. Open Market

Der Freiverkehr ist nicht öffentlich-rechtlich organisiert und kein organisierter Markt im Sinne des EU-Rechts. Vielmehr wird er von dem privatrechtlichen Träger der jeweiligen Börse betrieben und reguliert. Die Regulierung erfolgt beispielsweise im Falle der Frankfurter Wertpapierbörse über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr (AGB FV FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com). Verglichen mit dem regulierten Markt sind die Zulassungs- wie auch die Folgepflichten geringer. Derzeit werden im Open Market, dem Freiverkehr der FWB, ca. 19.000 Anleihen, 225.000 Optionsscheine und 9.000 Aktien deutscher und internationaler Unternehmen gehandelt.

Einbeziehungsvoraussetzungen Open Market

Die Einbeziehung in den Open Market richtet sich nach den AGB FV FWB. Sie ist von einem zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Unternehmen zu beantragen. Teilnehmer sind insbesondere Börsenhändler, § 19 BörsG. Wertpapiere können gemäß § 13 AGB Freiverkehr einbezogen werden, wenn

  • sie über eine International Securities Identification Number (ISIN) verfügen,
  • sie frei handelbar sind,
  • eine ordnungsgemäße Erfüllung der Geschäfte gewährleistet ist,
  • dem Börsenhandel keine behördlichen Verbote oder Untersagungen entgegenstehen,
  • sie entweder bereits zum Handel an einem in- oder ausländischen organisierten Markt zugelassen sind oder ein für sie erstellter Prospekt vorliegt, der von einer seitens der Deutsche Börse AG anerkannten Behörde gebilligt wurde. Der Prospekt darf nicht älter als sechs Monate sein und muss in deutscher oder englischer Sprache abgefasst sein. Ist kein solcher Prospekt vorhanden, kann der Teilnehmer ein Exposé erstellen, welches nähere Angaben über den Emittenten enthält.

Die Einbeziehung in den Freiverkehr erfordert nicht die Zustimmung des Emittenten der einzubeziehenden Wertpapiere.

Das o. g. Exposé muss nicht veröffentlicht, sondern lediglich bei der Börse hinterlegt werden. Außerhalb des Entry Standard treffen Folgepflichten lediglich den antragstellenden Handelsteilnehmer, nicht aber den Emittenten der Wertpapiere. So ist der antragstellende Handelsteilnehmer verpflichtet, die Deutsche Börse AG unverzüglich über alle wesentlichen Umstände zu unterrichten, die für die Beurteilung des Wertpapiers oder des Emittenten wesentlich sind, § 14 AGB Freiverkehr. Hierunter sind beispielsweise Veränderungen des Grundkapitals, Dividendenzahlungen und Hauptversammlungen zu verstehen. Eine Veröffentlichung dieser Veränderungen durch den jeweiligen Handelsteilnehmer ist jedoch nicht erforderlich. Weitere Folgepflichten, wie z. B. zur Erstellung von Zwischenberichten, entstehen durch die Einbeziehung in den Freiverkehr nicht. Für deutsche Aktiengesellschaften gelten lediglich die allgemeinen Pflichten aus dem Aktiengesetz, z. B. die Pflicht zur Mitteilung von Beteiligungsverhältnissen (§§ 20ff. AktG) oder zur Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a AktG).

Checkliste

Einbeziehungsvoraussetzungen Entry Standard

  • Erfüllung der Einbeziehungsvoraussetzungen für den Open Market
  • Schriftliche Einwilligung des Emittenten
  • Beratungsvertrag des Emittenten mit einem Deutsche Börse Listing Partner (www.deutsche-boerse.com)
  • Aktueller Handelsregisterauszug
  • Gültige Satzung zum Zeitpunkt der Antragstellung
  • Unterschriebene Verpflichtungserklärung des antragstellenden Teilnehmers
  • Geprüfter Konzernabschluss mit Lagebericht des vorangegangenen Geschäftsjahres des Emittenten (IFRS oder nationale Rechnungsvorschriften) in deutscher oder englischer Sprache
  • Veröffentlichung eines Unternehmenskurzportraits auf der Unternehmenshomepage

Eine Prospektpflicht gem. § 3 Abs. 1 WpPG wird nicht ausgelöst, sofern die Einbeziehung nicht im Rahmen eines öffentlichen Angebots stattfindet. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um eine Privatplatzierung oder ein reines Listing ohne ein damit zusammenhängendes Angebot an die Öffentlichkeit handelt, wobei ein öffentliches Bewerben der Wertpapiere unzulässig ist.

Für die gehandelten Wertpapiere gelten neben den allgemeinen Folgepflichten des Freiverkehrs die Verbotsregelungen des Insiderhandels sowie der Marktmanipulation, nicht aber die Regelungen zu Ad-hoc-Publizität und Directors‘ Dealings.

Entry Standard

Mit der Einführung des Entry Standard im Open Market wurde vor allem für kleine und mittlere Aktiengesellschaften ein Premiumsegment geschaffen, das gleichwohl einen kostengünstigeren Zugang zum Kapitalmarkt bietet als der regulierte Markt.

Der Transparenzstandard ist höher als im Open Market. Der Entry Standard soll nach Angaben der FWB insbesondere auch eine spätere Notierung im regulierten Markt vorbereiten und ist auch für junge mittelständische Unternehmen bzw. als Exit-Kanal von Private-Equity-Investoren gedacht. In den Entry Standard können lediglich Aktien einbezogen werden. Die Einbeziehung geschieht in der Regel innerhalb weniger Börsentage. Als Entgelte werden 5.000 Euro jährliche Notierungsgebühr sowie 1.500 Euro (prospektfreie Privatplatzierung) bzw. 750 Euro (Platzierung mit Prospekt) einmaliges Einbeziehungsentgeld fällig.

Checkliste

Zulassungsfolgepflichten

Entry Standard

Veröffentlichung auf der Webseite des Emittenten

  • Tatsachen, die wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet sind, den Börsenpreis der Aktien erheblich zu beeinflussen (sog. „quasi Ad-hoc“), z. B.:
    • Kapitalmaßnahmen (Kapitalerhöhungen, -herabsetzungen, Aktienteilungen, Ausgabe von Bezugsrechten)
    • Dividendenzahlungen
    • Insolvenz
    • Wechsel im Vorstand/AR
    • Veränderung von wesentlichen durch den oder an dem Emittenten gehaltenen Beteiligungen
  • Geprüfter Konzernjahrsabschluss samt Konzernlagebericht nach nationalen Rechnungslegungsvorschriften oder IFRS innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Berichtszeitraums
  • Zwischenbericht innerhalb von drei Monaten, nach Ende des ersten Halbjahres
  • Jährlich zu aktualisierendes Unternehmenskurzportrait
  • Aktueller Unternehmenskalender mit wesentlichen Terminen (Analysten-, Investorenpräsentation, Hauptversammlung)

M:access

Die Börse München hat mit M:access ebenfalls ein entsprechend konzipiertes Segment geschaffen. Es steht Unternehmen offen, die entweder im Freiverkehr oder im regulierten Markt notiert sind und über eine freiwillige Erhöhung der Transparenz die Visibilität am Kapitalmarkt erhöhen wollen. Regelungen finden sich in dem Regelwerk M:access (abrufbar unter http://www.boerse-muenchen.de), das ergänzend zu den Freiverkehrsrichtlinien und der Börsenordnung gilt.


Autor: Holger Hirschberg/Philipp Melzer/Stephan Parrandier/Dr. Andreas Zanner
PDF: Open Market

1.14. Börsenindizes

Neben maßgeschneiderten Marktsegmenten wie Entry, General und Prime Standard, einer hoch liquiden Handelsplattform Xetra kombiniert mit effizienten Abwicklungsprozessen und -infrastrukturen bei Clearstream sowie IR Services zum Börsengang und danach bietet die Deutsche Börse einen weiteren wichtigen Baustein für das IPO von Unternehmen. Hierbei handelt es sich um die Indizes, die das Marktgeschehen transparent machen.

Aktienindizes

Indizes machen das Marktgeschehen transparent: Das bedeutet hohe Visibilität für Unternehmen und Showcases für Investoren. Sie strukturieren den Aktienmarkt und fokussieren dadurch die Aufmerksamkeit der Investoren und steigern so die Bekanntheit von Unternehmen beim Börsengang und danach.

Sie sind Marktbarometer für eine breite Öffentlichkeit und dienen zugleich als Basiswerte für Terminmarktprodukte und als Benchmark in der Performance-Messung, z. B. für Einzelwerte und für Fonds.

Aktienindizes sind Abbildungen der Bewertung bestimmter Aktienportfolios zu einem bestimmten Zeitpunkt. Sie werden börsentäglich von Börsen oder am Kapitalmarkt tätigen Institutionen berechnet, aktualisiert und publiziert. Die Deutsche Börse berechnet vier deutsche Indizes von globaler Bedeutung: DAX®, MDAX®, TecDAX® und SDAX®. Indexfonds (ETF), Zertifikate- und Optionsscheinanbieter haben ihre Produkte auf diese Indizes ausgerichtet und an der Eurex werden Optionen und Futures gehandelt. Davon profitieren Investoren, die ihre Investmentstrategien individuell umsetzen können. Dies fördert die Liquidität der gelisteten Unternehmen.

Zentrale Voraussetzung, um in einen dieser Indizes aufgenommen zu werden, ist neben der Zulassung eines Unternehmens zum Prime Standard die fortlaufende Notierung im Xetra®-Handel. Unterhalb des DAX wird zwischen klassischen Branchen und Technologiebranchen unterschieden. Für die klassischen Branchen werden MDAX und SDAX berechnet, für die Technologiebranchen der TecDAX. Die Indizes der Deutschen Börse sind kapitalgewichtet, d. h., das Gewicht einer Aktie bemisst sich nach dem Anteil an der gesamten Kapitalisierung der im Index enthaltenen Werte. Zur Gewichtung der Einzelwerte in den Indizes wird ausschließlich der frei handelbare Teil des Grundkapitals jedes Unternehmens herangezogen. DAX, MDAX, TecDAX und SDAX werden viermal im Jahr überprüft, um eventuell Unternehmen aus dem Index heraus- oder neu aufzunehmen.

Auswahlindizes

  • DAX

Aktienindex, der die Wertentwicklung der 30 nach Marktkapitalisierung größten und umsatzstärksten deutschen Aktien im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse abbildet. Die DAX-Werte sind zum regulierten Markt zugelassen. Für die Aufnahme in den DAX qualifizieren sich solche Unternehmen, die ihren juristischen und operativen Sitz in Deutschland haben oder die einen Schwerpunkt des Handelsumsatzes an der FWB® Frankfurter Wertpapierbörse und ihren Sitz in einem EU- oder EFTA-Staat haben.

  • MDAX

Der MDAX enthält 50 Prime-Standard-Werte aus klassischen Branchen, die den DAX-Unternehmen hinsichtlich Marktkapitalisierung und Börsenumsatz folgen (Midcaps). Er umfasst vorwiegend Werte aus den Branchen Pharma, Chemie, Maschinenbau und Finanzen.

  • TecDAX

Der TecDAX Index beinhaltet die 30 größten und liquidesten Werte aus den Technologie-Sektoren des Prime-Segments unterhalb von DAX. Für die Aufnahme in den Index qualifizieren sich solche Unternehmen, die ihren juristischen oder operativen Sitz in Deutschland haben oder die einen Schwerpunkt des Handelsumsatzes an der FWB Frankfurter Wertpapierbörse und ihren Hauptsitz in einem EU- oder EFTA-Staat haben.

  • SDAX

Der SDAX ist der Auswahlindex für kleinere Unternehmen (Smallcaps) und schließt direkt unterhalb von MDAX an. Er enthält 50 klassische Werte aus dem Prime Standard.

  • GEX

Der GEX ist der Auswahlindex für gründer- und eigentümergeführte Unternehmen und dient als Indikator für die Wertentwicklung mittelständischer Gesellschaften. Die Unternehmen müssen im Prime Standard notiert sein, Vorstände, Aufsichträte oder deren Familien müssen zwischen 25 und 75 % der Stimmrechte halten und der Börsengang darf nicht länger als zehn Jahre zurückliegen.

  • Entry Standard Index

Der Entry Standard Index enthält die 30 Entry- Standard-Unternehmen mit dem höchsten Börsenumsatz. Der Index bildet damit das für die deutsche Wirtschaft innovative Marktsegment wachstumsstarker Unternehmen ab.

Sektorindizes

Die Deutsche Börse berechnet Sektorindizes für das Prime-Segment sowie für ein erweitertes, repräsentatives Portfolio, das alle im Prime, General und Entry Standard gelisteten Unternehmen umfasst. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf attraktive Peergroups.

Sektorindizes sind aufgeteilt in 18 Sektoren bzw. weiter zusammengefasst in neun Supersektoren: Utilities, Telecommunication, Financials, Industrials, Information Technology, Pharma & Healthcare, Basic Materials, Consumer Goods und Consumer Services. Der Sektorenzuteilung eines Unternehmens geht die Zuordnung zu einer von 63 Subsektoren voraus.

Die Sektorenzuordnung richtet sich nach dem Umsatzschwerpunkt des jeweiligen Unternehmens. Sofern dieser sich im Einzelfall verlagert hat, kann das Unternehmen bei der nächsten Verkettung aus dem bisherigen Sektor heraus- und in einen anderen aufgenommen werden.

Sektorindizes differenzieren die gelisteten Unternehmen und bilden die Entwicklung einzelner Branchen ab. Diese Sektorindizes unterstützen die Vergleichbarkeit der Unternehmensentwicklung von Anbietern gleichartiger Produkte oder Dienstleistungen. So können Anleger Investmententscheidungen gezielter treffen, Unternehmen profitieren von der Abbildung ihrer jeweiligen Peergroup in verschiedenen Industry-Groups. Wichtig sind diese Peergroups im Rahmen von Benchmarkanalysen, der Performancemessung und der Bewertung der IPO-Kandidaten. Dabei werden verschiedene Kennziffern ähnlicher Unternehmen mit denen des Börsenaspiranten verglichen. Investoren gibt dies die Möglichkeit einer quantitativen und qualitativen Beurteilung des Börsenkandidaten. Einher gehen diese Vorteile oft mit einer besseren Analysten-Coverage, der Professionalisierung in der Analyse selbst und mit der Bündelung von Liquidität einer Peergroup auf der Plattform.

Unternehmen bietet sich die Chance, sich innerhalb ihrer Peergroup zu positionieren und Argumente im Rahmen einer Vergleichsanalyse für aktive Investor Relations zu gewinnen.

REIT-Indizes

REITs sind Immobiliengesellschaften mit steuerlichem Sonderstatus, deren Geschäftszweck der Erwerb und die Bewirtschaftung von Immobilien ist. Der Großteil der Gewinne, der aus dem Immobiliengeschäft stammt, wird als Dividende ausgeschüttet.

RX REIT – Der RX REIT Index beinhaltet die 20 größten und liquidesten REITs aus dem Prime Standard. Die Gewichtung erfolgt nach Free Float Marktkapitalisierung.

RX REIT All Share – Der RX REIT All Share beinhaltet alle REITs des Prime Standard und General Standard. In ihm können sowohl deutsche als auch ausländische Unternehmen aufgenommen werden. REITs können zudem, wenn sie die Aufnahmekriterien erfüllen, auch in die Auswahlindizes DAX, MDAX und SDAX aufgenommen werden.

All-Share-Indizes

All-Share-Indizes messen die Entwicklung einer ganzen Branche oder eines gesamten Transparenzstandards.

  • CDAX

Der CDAX enthält alle deutschen Unternehmen aus den Marktsegmenten Prime Standard und General Standard. Er dient damit als Indikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.

  • Entry All Share

Der Entry All Share Index umfasst alle Unternehmen des Entry Standard. Er beschreibt somit die Gesamtentwicklung des Entry Standard. Seine Zusammensetzung wird mit jedem neuen Wert im Entry Standard angepasst.

  • General All Share

Der General All Share Index umfasst alle Unternehmen des General Standard. Er beschreibt somit die Gesamtentwicklung dieses Transparenzstandards. Seine Zusammensetzung wird mit jedem neuen Wert im General Standard angepasst.

DAX International

Um die Entwicklung ausländischer Unternehmen im deutschen Kapitalmarkt visibel zu machen, berechnet die Deutsche Börse internationale Indizes. Der DAX International 100 ist das Schaufenster für internationale Listings. Der Index fasst Unternehmen aus den Segmenten Prime Standard, General Standard und Entry Standard zusammen. Alleiniges Auswahlkriterium für den Index ist das Handelsvolumen der Unternehmen auf der Xetra-Plattform.

Auf den DAX International 100 folgt der DAX International Mid 100 mit den nächsten 100 Unternehmen, wiederum ausgewählt nach dem Handelsvolumen. Beide Indizes enthalten jeweils die liquidesten nationalen und internationalen Werte aus Prime Standard, General Standard und Entry Standard.



Autor: Dr. Martin Steinbach/Michael Riess
PDF: Börsenindizes

1.15. Entry Standard der Börse Frankfurt

Der Entry Standard hat sich nach nunmehr drei Jahren als Börsensegment für mittelständische Unternehmen etabliert. Er ist ein echtes Mittelstandssegment. Die Unternehmen im Entry Standard repräsentieren einen hohen Qualitätsstandard. Für eine große Anzahl von Unternehmen im Entry Standard bedeutet dieses Segment einen Türöffner für einen späteren Einstieg in den Prime Standard. Allerdings haben Unternehmen im Entry Standard immer noch unter einem „Wahrnehmungsdefizit“ zu leiden. Die Finanzöffentlichkeit schenkt diesen Unternehmen immer noch eine zu geringe Aufmerksamkeit. Dies könnte man durch eine erweiterte Investor-Relations-Aktivität ändern.

Der Entry Standard wurde am 25. Oktober 2005 als ein Teilbereich des an der Frankfurter Börse eingerichteten Freiverkehrs (Open Market), eines von der Börse selbst regulierten Marksegments, eingeführt. Diesem stehen die EU-regulierten Marktsegmente General Standard und Prime Standard gegenüber.

Der Entry Standard soll wachstumsstarken mittelständischen Unternehmen bei geringeren Transparenzanforderungen und Pflichten den Kapitalmarktzugang ermöglichen und eröffnet insbesondere diesen Unternehmen als „Eingangstor zum Kapitalmarkt“ die Möglichkeit der Börsenfinanzierung und damit eine Verbesserung der Kapitalstruktur. Für Investoren bedeutet dieses Segment ein höheres Risikoprofil im Vergleich zu Investitionen in EU-regulierten Marktsegmenten.

Zum dritten Geburtstag, am 25. Oktober 2008, waren über 110 Unternehmen im Entry Standard gelistet. Mit rund 9 % ausländischen Unternehmen im Entry Standard stößt dieses Börsensegment auch im Ausland auf Interesse. Diese Unternehmen kommen aus der Schweiz, Kanada, Luxemburg, Italien und Singapur.

Sieben Unternehmen haben bisher den Entry Standard als Eingangstor zum Kapitalmarkt genutzt und einen Wechsel in den Prime Standard vollzogen. Zwei Unternehmen sind in den Open Market zurückgekehrt und nur ein Unternehmen hat bislang einen Insolvenzantrag gestellt. Damit ist die Quote der Fehlentwicklungen der Unternehmen am Entry Standard bislang äußerst gering.

Das Börsensegment Entry Standard wird oft vor dem Hintergrund der Performance einzelner Aktien sowie des Index „Entry Standard All Share“ in Frage gestellt. Hierbei ist nicht außer Acht zu lassen, dass das Geschäftsmodell kleiner und mittlerer Mittelständler typischerweise nicht auf die Realisierung kurzfristiger Erfolge ausgerichtet ist.

Der Entry Standard ist nicht mit dem ehemaligen Segment der Frankfurter Wertpapierbörse „Neuer Markt“ zu vergleichen, das im März 1997 gegründet und wenige Jahre später im Juni 2003 wieder geschlossen wurde. Dieses Segment wurde häufig von jungen, kapitalschwachen Unternehmen ohne den Nachweis von Unternehmenssubstanz genutzt. Die Tätigkeitsschwerpunkte dieser Unternehmen konzentrierten sich überwiegend auf technologisch innovative Bereiche, wie Medien-, IT- und Biotechnologie. Unternehmen des Entry Standard grenzen sich von diesen in Bezug auf die Unternehmenshistorie, Kapitalstruktur, Internationalität und Profitabilität davon deutlich ab.

Der Mittelstand und die Börse

Kleine und mittelständische Unternehmen sind in Deutschland benachteiligt, wenn sie ihren Kapitalbedarf an den organisierten Kapitalmärkten decken wollen. Eine unzureichende Eigenkapitalquote und die Einschränkungen der Fremdkapitalaufnahme durch das institutionalisierte Rating erschweren eine Kapitalaufnahme zunehmend. Ein Weg, dieses Dilemma zu begrenzen, ist die Aufnahme von Eigenkapital durch ein IPO.

Wenn ein mittelständisches Unternehmen den Weg an die Börse gehen will, so muss es eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen, die sich u. a. durch die Zulassungsvoraussetzungen ergeben. Ihren Ausdruck findet die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen durch die Börsenfähigkeit. Erfüllt werden müssen objektive und subjektive Kriterien. Die objektiven Voraussetzungen sind rechtlich vorgegeben und müssen erfüllt sein. Hierzu zählen z. B. die Rechtsform und die Transparenzerfordernisse. Die subjektiven Voraussetzungen ermöglichen einen Gestaltungsspielraum bei der Auslegung und sind immer unternehmensindividuell zu überprüfen. Sie werden seitens der Emissionshäuser an die Emittenten gestellt und stellen z. B. Mindestanforderungen an die Umsatzgröße, die Rendite, die Qualität des Managements und des Berichtswesens dar.

In Abhängigkeit vom jeweiligen Börsensegment bestehen unterschiedliche Zulassungs- und Folgepflichten, die zu erfüllen der Emittent in der Lage sein muss.

Die Freiverkehrsrichtlinien sehen die Betreuung des Emittenten am Entry Standard sowohl beim Going Public als auch beim Being Public durch einen „Deutsche Börse Listing Partner“ als „Kapitalmarkt- Coach“ vor. Ein Nachweis über die Verpflichtung eines „Deutsche Börse Listing Partner“ ist deshalb zusätzlich erforderlich. Alternativ kann bei einem Going Public als Antragsteller und Betreuer für das Unternehmen auch ein bei der Frankfurter Wertpapierbörse registrierter Handelsteilnehmer beauftragt werden.

Sofern die Emission der Aktien über ein öffentliches Angebot erfolgen soll, ist ein Prospekt zu erstellen, der zuvor von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu billigen und zu notifizieren ist. Für die Durchführung eines Private Placements ist in der Regel ein nicht öffentliches Exposé zu erstellen, das keiner Prüfung bedarf.

Der Entry Standard – das Börsensegment für den Mittelstand

Der Entry Standard ist ein bei der Deutsche Börse AG angesiedeltes privatrechtlich organisiertes Marktsegment. Den rechtlichen Rahmen stecken die Richtlinien für den Open Market der FWB Frankfurter Wertpapierbörse (Freiverkehrsrichtlinien) ab. Gehandelt werden die Aktien von im Entry Standard notierten Unternehmen auf den Plattformen der Deutsche Börse, dem Parkett und dem vollelektronischen Handelssystem Xetra. Für die im Entry Standard gelisteten Unternehmen ergeben sich höhere Transparenzanforderungen gegenüber der Einbeziehung in den Open Market. Allerdings sind die Folgepflichten im Vergleich zum General und Prime Standard ungleich niedriger.

Bedeutendste Veröffentlichungs- und Informationspflichten an der Deutschen Börse

Prime
Standard1)

General
Standard1)

Entry
Standard
Jahresabschluss x x x
Zwischenbericht x x x
Quartalsbericht x
Rechnungslegung IFRS IFRS HGB
Ad-hoc-Publizität x x
Wesentliche Unternehmensnachrichten „quasi Ad-hoc-Publizität“ x
Zweisprachigkeit x
Analystenkonferenz x
Unternehmenskalender x x x
Unternehmenskurzporträt x
Corporate Governance x x
Insiderverzeichnis x x
Directors‘ Dealings x x

1)EU-regulierte Marktsegmente

Im Einzelnen sind folgende Transparenzanforderungen für den Entry Standard zu beachten:

  • Veröffentlichung eines aktuellen Unternehmenskurzporträts sowie eines Unternehmenskalenders
  • Veröffentlichung des testierten Konzern-Jahresabschlusses einschließlich Lagebericht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Berichtszeitraums nach nationalem GAAP (HGB oder IFRS)
  • Veröffentlichung eines Zwischenberichtes innerhalb von drei Monaten nach dem ersten Halbjahr eines jeden Geschäftsjahres
  • Unverzügliche Veröffentlichung wesentlicher Unternehmensnachrichten oder -umstände, die für die Bewertung des Wertpapiers oder des Unternehmens bedeutsam sein können

Gegenüber den Transparenz- und Anlegerschutzbestimmungen in organisierten Märkten bestehen im Entry Standard geringere Anforderungen (z. B. keine Ad-hoc-Publizität, keine Meldung des Erreichens von Schwellenwerten). Geringere Transparenz- und Anlegerschutzbestimmungen bedeuten allerdings auch eine geringere Haftungsgrundlage und eine geringere Informationsbasis.

Es gibt drei Wege in den Entry Standard. So spricht man von einer Neuemission, wenn die Aktien eines Unternehmens im Zuge einer Kapitalerhöhung öffentlich dem Kapitalmarkt angeboten werden. Von einem Private Placement spricht man dann, wenn das Unternehmen selbst oder die Konsortialbank die Aktien – nicht öffentlich – an ausgewählte Investoren veräußert. Eine reine Notierungsaufnahme liegt vor, wenn die Aktien zum Handel im Entry Standard – ohne die Durchführung einer Kapitalerhöhung – zugelassen werden. Die Verteilung der zum 31. Dezember 2007 platzierten Unternehmen zeigt folgendes Bild:

Die Unternehmen im Entry Standard kommen aus den verschiedensten Branchen. Zum 31. Dezember 2007 war folgender Branchenmix feststellbar:

Die Branchen Finanzdienstleistungen und Technologie dominieren mit einem Anteil von 23 % bzw. 14 %. Weitere häufig vertretene Branchen sind Immobilien und erneuerbare Energien mit jeweils 9 % der gelisteten Unternehmen.

Der Entry Standard – das Einstiegssegment

Für viele Unternehmen im Entry Standard ist die erste Platzierung der Ausgangspunkt, um später in ein anderes Segment, bevorzugt in den Prime Standard, zu wechseln. Der Entry Standard ist ein Segment, wo die Unternehmen das Umgehen mit der Börse, mit dem Kapitalmarkt und mit der Finanzöffentlichkeit üben können. Der Entry Standard ist somit ein echter Türöffner für den Kapitalmarkt.

Der Entry Standard ist aber auch ein Segment, bei dem im Vorfeld der Platzierung die Finanzierung über Venture Capital bzw. Private Equity Capital eine dominierende Rolle spielt. Von Interesse ist auch die im Vorfeld der Platzierung bereits vorhandene internationale Ausrichtung der Unternehmen. So ist der Anteil der im Ausland erzielten Umsatzerlöse an den Gesamtumsatzerlösen bereits vor dem IPO besonders hoch. Viele IPO-Unternehmen sind bereits vor dem IPO international ausgerichtet.

Dass der Entry Standard ein echtes Mittelstandsegment ist, zeigen neben der Umsatzgröße auch die Motive, die ausschlaggebend für die Platzierung gewesen sind.

Insbesondere die Umsatzgröße der Unternehmen vor ihrer Platzierung zeigt die starke Mittelstandsorientierung auf. Eine Vielzahl von Unternehmen realisierte vor dem IPO Umsatzerlöse unter 10 Mio. Euro p. a.

Auch die Motive über die Verwendung des Emissionserlöses sind stark unternehmerisch geprägt, worin sich das Denken des mittelständischen Unternehmers widerspiegelt. So wird der Emissionserlös nicht ausschließlich für externes Wachstum ausgegeben. Ebenso spielt die Verwendung für internes Wachstum eine große Rolle.

Obwohl vor dem IPO häufig Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften am IPO-Unternehmen beteiligt sind, wird das IPO nicht grundsätzlich als Exit-Kanal genutzt.

Börsenfähigkeit und Zulassungsvoraussetzungen der Entry-Standard-Unternehmen

Bei der Börsenfähigkeit geht es um die Erfüllung rechtlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen. Zwingend sind dabei die rechtlichen Voraussetzungen. Für die wirtschaftlichen Voraussetzungen gibt es vielfach eine Bandbreite für deren Erfüllungsgrad. Zu den objektiven Voraussetzungen zählen z. B. die Rechtsform der AG oder KGaA und die börsensegmentspezifischen Transparenzanforderungen. Deren Erfüllung bedeutet zumeist nur den Einsatz „handwerklichen“ Arbeitens.

Bei den subjektiven Voraussetzungen spielen insbesondere das Alter, die Umsatzgröße, die Rendite, die Qualität des Managements und des Berichtswesens eine Rolle. Die subjektiven Voraussetzungen erfahren immer wieder Veränderungen in ihrer Bandbreite. Gerade das Alter, die Höhe der Umsatzerlöse und der Rendite vor dem Börsengang haben in den letzten 20 Jahren ein Auf und Ab erlebt. Aktuell lässt sich festhalten, dass die Unternehmen keine Start-ups mehr sind. Auch die Umsatzrendite der Unternehmen im Entry Standard war vor der Platzierung respektabel. Das Umgehen mit internationaler Rechnungslegung wird mittlerweile als etwas Normales empfunden. Wenn auch die Rechnungslegung nach HGB bei Unternehmen im Entry Standard immer noch dominiert, so beschäftigen sich viele Unternehmen nach ihrem IPO mit einer baldigen Umstellung auf IFRS.

Beurteilung der Post-IPO-Prozesse

Erfreulich ist, dass sich die Unternehmen mit ihrem operativen Geschäft überwiegend nach Plan entwickeln. Ein großer Teil der Unternehmen im Entry Standard erfüllt die Versprechungen aus der Equity Story.

Allerdings widmet die Finanzöffentlichkeit den Unternehmen im Entry Standard zu wenig Aufmerksamkeit. So ist die Akzeptanz des Marktsegmentes Entry Standard bei den potenziellen Investoren noch zu verbessern. Die Investoren erwarten über die Pflichtpublizität hinausgehende Informationen der Unternehmen. So wird einer freiwilligen Quartalsberichterstattung eine große Bedeutung beigemessen. Auch Researchberichte über das Unternehmen sind von großer Bedeutung.

Empfehlungen für IPO-Kandidaten für ein Listing im Entry Standard

Die Börseneinführung mit einem Listing im Entry Standard ist eine interessante Möglichkeit für mittelständische Unternehmen, um zum einen die Spielregeln im Umgang mit dem Kapitalmarkt zu üben und zum anderen sich Eigenkapital für die Wachstumsfinanzierung zu sichern.

Neben einer guten handwerklichen Vorbereitung sollten auch einige allgemeine Empfehlungen Beachtung finden.

  • Nicht von großen Namen blenden lassen!

Nicht in jedem Fall sind vermeintliche „große“ Namen bei den Beteiligten immer die erste Adresse für die Börsenkandidaten im Entry Standard. Hierbei begegnen sich beide, Beteiligte und Unternehmen, nicht immer auf gleicher Augenhöhe.

  • Für große Namen haben Unternehmen im Entry Standard nicht die erste Präferenz!

Gerade die sog. großen Namen betrachten die Börsenkandidaten häufig nur als „Lückenfüller“ in ihrem Auftragsportefeuille. Immer wenn größere Unternehmen für ein Listing im Prime oder General Standard anstehen, konzentriert sich deren Betreuung auf diese Unternehmen.

  • Immer darüber bewusst sein, dass man selber ein Unternehmer ist und der größte Teil der Beteiligten einen Managementposten ausübt!

Der Unternehmer sollte nach gründlicher Vorbereitung seines Börsengangs über so viel Selbstbewusstsein verfügen, dass er seine Forderungen bestimmend genug gegenüber den Beteiligten formuliert. Er ist derjenige, der sein Geschäft versteht.

  • Honorare der Beteiligten nicht vorbehaltlos akzeptieren!

Die Kosten einer Börseneinführung liegen häufig über 5 %, gemessen am Emissionsvolumen. Dies ist ein krasses Missverhältnis zwischen Honorar und Leistungserbringung. Daher ist in den Honorarverhandlungen mit den Beteiligten ein besonderes Augenmerk zu richten.

  • Variabler Vergütungsanteil des Emissionsberaters eindeutig definieren und nach oben deckeln!

Die Leistungen der Emissionsberater sind bei den Unternehmen überwiegend akzeptiert. Daher ist die teilweise von den Konsortialbanken vorgebrachte Forderung, auf einen Emissionsberater zu verzichten, obsolet. Gleichwohl sollte man das Honorar, auch für den Erfolgsfall, nach oben deckeln.

  • Sich nicht von hohen Unternehmenswerten im Beauty Contest der Banken beeindrucken lassen!

Die Konsortialbanken treten im Beauty Contest häufig mit hohen Emissionspreisen auf. Diese werden dann allerdings nach Mandatierung der Konsortialbank durch die „Financial Due Diligence“-Gutachter meistens wieder reduziert. Daher sollten immer realistische Emissionspreise von der Konsortialbank eingefordert werden.

  • Mitspracherecht bei der Auswahl und der Höhe des Honorars der Due-Diligence-Gutachter einfordern!

Auch hier gilt, dass vermeintlich große Namen nicht immer die erforderliche Qualität liefern. Daher sollte man sich auch von seinen persönlichen Eindrücken über die im Unternehmen aktiven Gutachter leiten lassen.

  • Gleichgewichtiger Informationsstand zwischen Konsortialbank und Unternehmen über die Ergebnisse der Due-Diligence-Gutachter garantieren lassen!

Da das Unternehmen die Due-Diligence-Gutachter bezahlen muss, sollte man auch sicherstellen, dass man immer über die Ergebnisse der Gutachter zeitnah informiert ist. Vor Abgabe verbindlicher Ergebnisse der Gutachter sollte man sich die Möglichkeit zur detaillierten Stellungnahme einräumen lassen.

  • Post-IPO-Betreuung der Konsortialbank vor der Platzierung fest vereinbaren!

Die „Aus den Augen, aus dem Sinn“-Mentalität der Konsortialbank sollte man durch vertragliche Gestaltung für eine aktive Post-IPO-Betreuung noch während des Börseneinführungsprozess ausschließen.

  • Sich immer darüber im Klaren sein, dass man mit dem Emissionserlös nicht mit eigenem Geld arbeitet!

Auch wenn man das erste mal über einen größeren Geldbetrag nach einem erfolgreichen IPO verfügt, sollte man nicht den Fehler vieler begehen, jedes Gespür für die Kosten und das Risiko zur Seite zu legen. Es handelt sich zwar um Eigenkapital, aber immer noch um fremdes Geld.

  • Nicht dem Druck der Finanzanalysten bezüglich ständig neuer Erfolgsmeldungen nachgeben!

Die Finanzanalysten fordern immer wieder neue Wachstumsstorys ein, um ihre eigene Dienstleistung zu rechtfertigen. Diesem Druck sollte man in keinem Falle nachgeben. Die Nichterfüllung vollmundiger Versprechungen rächt sich sehr schnell.

  • Das operative Geschäft nicht von der Höhe des aktuellen Aktienkurses abhängig machen!

Durch die Platzierung verändert sich ein Unternehmen. Die ehemals gewohnte und aktiv praktizierte zurückhaltenden Informationspolitik ist ad acta zu legen. Neben der Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen tritt die Vermarktung der Aktie. Gleichwohl bleibt das operative Geschäft weitgehend gleich. Daher sollte das Unternehmen weiter solide wirtschaften und darüber ehrlich berichten. Der nachhaltige Erfolg des Unternehmens und nicht die kurzfristigen Forderungen des Kapitalmarktes sollten im Fokus bleiben.


Autor: Prof. Dr. Jürgen Wegmann
PDF: Entry Standard der Börse Frankfurt

1.16. M:access der Börse München

M:access ist als segmentübergreifender, börsenregulierter Markt der Börse München konzipiert. Das spezielle Mittelstandssegment steht damit sowohl Unternehmen offen, die im regulierten Markt notieren, als auch solchen, deren gesetzliches Basissegment der Freiverkehr (Open Market) ist. Der Zugang erfolgt per IPO, zusätzlichem Listing oder durch den Wechsel aus einem anderen Segment. Ziel des im Juli 2005 gestarteten Segments ist es, mittelständischen Unternehmen die Börse als Finanzierungsquelle zu erschließen und diese Firmen stärker in den Fokus des Kapitalmarktes zu rücken.

Die Mehrzahl der M:access-Unternehmen hat sich für den Freiverkehr als Basissegment entschieden. M:access entspricht damit besonders den Bedürfnissen kleinerer und mittlerer Unternehmen. Begleitet wird der Börsenkandidat von einem durch die Börse München bestellten Emissionsexperten. Dieser beantragt die Zulassung und unterstützt den Emittenten bei der Einhaltung der Folgepflichten. Die Folgepflichten sind praxisorientiert und auf ein für mittelständische Unternehmen sinnvolles Maß beschränkt. M:access gewährleistet einen sachgerechten Interessensausgleich zwischen erhöhter Transparenz und überschaubarem bürokratischen Aufwand für die Unternehmen. Dies wird von Firmen und Investoren gleichermaßen wertgeschätzt. So lagen die Emissionserlöse der IPOs in M:access bislang zwischen 1,5 Mio. Euro und 73 Mio. Euro; darüber hinaus konnten diverse Kapitalerhöhungen im Volumen von bis zu 53 Mio. Euro erfolgreich platziert werden. M:access zeigt, dass Mittelstand und Börse hervorragend zusammenpassen.

Zugangsvoraussetzungen M:access

  • Veröffentlichung eines Prospekts auf der Website des Emittenten Im Prospekt sind alle Informationen und Risiken, die mit einer Investition in das Unternehmen verbunden sind, offenzulegen. Die offen gelegten Risiken können dann nicht mehr Ansatzpunkt für eine Haftung des Unternehmens gegenüber den Anlegern sein. Deshalb ist für eine Notierungsaufnahme in M:access ein Prospekt zwingend.
  • Grundkapital bei IPO mindestens 1 Mio. Euro
  • Ein Jahresabschluss als Kapitalgesellschaft
  • Wertpapier-Research Zum IPO muss Wertpapier-Research vorliegen. Für einen erfolgreichen Börsengang sind diese Studien neben dem Prospekt unverzichtbar.
  • Kein Mindest-Emissionsvolumen
  • Emissionsexperte als Begleiter des Börsenganges Der Emissionsexperte ist als zugelassener Marktteilnehmer an einer inländische Börse ein ausgewiesener Kapitalmarktexperte. Er strukturiert und begleitet den Börsengang. Nach der Notizaufnahme unterstützt er das Unternehmen bei der Einhaltung der Folgepflichten.

Folgepflichten M:access

  • Veröffentlichung der wichtigsten Kennziffern des geprüften Jahresabschlusses Hinsichtlich des Rechnungslegungsstandards werden keine Vorgaben gemacht. Unternehmen mit Basisnotiz im Freiverkehr können damit weiterhin nach HGB bilanzieren. Freiwillige IFRS-Abschlüsse sind möglich.
  • Unterjähriger Emittentenbericht auf der Website des Emittenten Mit dem Emittentenbericht wird der Anleger unterjährig über den Verlauf der letzten sechs Monate seit Veröffentlichung des Jahresabschlusses informiert. Auch ein Ausblick auf das zweite Halbjahr sollte enthalten sein.
  • Veröffentlichung wichtiger Unternehmensnachrichten als „Corporate News
  • Unternehmenskalender auf der Website des Emittenten
  • Teilnahme an jeweils einer Analysten- und Investorenkonferenz pro Jahr M:access-Unternehmen pflegen den Kontakt zu ihren Investoren. Die jährliche Teilnahme an je einer Analysten- und Investorenkonferenz ist daher obligatorisch. Die kostenfreien Analystenkonferenzen werden von der Börse München organisiert und sind ein Bestandteil des Serviceangebots von M:access.
  • Dokumentation durch die Börse München Die Börse München dokumentiert die Einhaltung der Folgepflichten auf der Internetseite www.maccess.de. Eine Verlinkung führt von dort direkt zum Unternehmen. Die Informationsbeschaffung und eigenständige Kontrolle der Einhaltung der Folgepflichten ist für jeden Anleger schnell und einfach möglich.

Autor: Dr. Marc Feiler
PDF: M:acces der Börse München

1.17. Internationale IPOs

IPOs in Deutschland können in mehrerlei Hinsicht internationale Bezüge aufweisen: Es kann sich um ein ausländisches Unternehmen als Börsenkandidaten handeln oder ein deutscher Emittent hat wesentliche Tochtergesellschaften oder Absatzmärkte im Ausland. Häufig sind die emissionsbegleitenden Banken oder die Eigentümer des Emittenten ausländische Unternehmen. Aus struktureller Sicht sind ferner folgende internationale Elemente bei deutschen IPOs gebräuchlich: Ein zusätzliches öffentliches Angebot wird im Ausland durchgeführt, die Transaktion umfasst zusätzlich eine Privatplatzierung in den USA nach der sogenannten Rule 144A oder der Emittent plant eine weitere, parallele Börsennotierung im Ausland.

Internationalität auch bei inländischen IPOs

Internationale IPOs können sich über die Herkunft der Beteiligten ergeben: Börsengänge in Deutschland sind nicht auf deutsche Unternehmen beschränkt und die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehen eine Gleichbehandlung in- und ausländischer Emittenten vor. Bei einigen Börsenkandidaten handelt es sich um ausländische Unternehmen und somit um einen in Deutschland stattfindendes, aber aufgrund dieses Umstandes internationales IPO. In der jüngeren Vergangenheit haben sich vor allem osteuropäische und asiatische Emittenten an einem deutschen IPO interessiert gezeigt und ihr Börsendebüt in Deutschland gegeben.

Auch der inländische Börsengang eines deutschen Unternehmens kann insbesondere folgende internationale Bezüge aufweisen und damit teilweise zu einem internationalen IPO werden:

  • Beteiligte an der Transaktion haben einen ausländischen Hintergrund; dies trifft häufig auf die Besetzung des Emissionskonsortiums mit ausländischen, in Deutschland agierenden Emissionsbanken zu, kann sich aber auch aus der Eigentümerstruktur erklären, beispielsweise bei ausländischen Private-Equity-Häusern im Aktionärskreis.
  • Der deutsche Emittent besitzt wesentliche Tochtergesellschaften im Ausland, die im Rahmen der Due Diligence zu prüfen sind, oder wichtige Absatzmärkte des Unternehmens liegen im Ausland.
  • Der Übernahmevertrag und andere vertragliche Vereinbarungen sind – wie marktüblich – in englischer Sprache verfasst oder
  • der Wertpapierprospekt wird in einer zusätzlichen englischsprachigen Fassung erstellt, um internationale Investoren besser ansprechen zu können.

Ausländisches öffentliches Angebot

Internationale IPOs können sich auch dann ergeben, wenn die Transaktionsstruktur internationale Komponenten enthält. Ein Beispiel ist die Durchführung eines ausländischen öffentlichen Angebots. Die Mehrzahl der deutschen IPOs sieht ein öffentliches Angebot von Aktien nur in Deutschland in Verbindung mit einer Privatplatzierung bei institutionellen Anlegern im europäischen Ausland vor. Anlass für ein zusätzliches öffentliches Angebot bietet sich aber dann, wenn der Emittent ein ausländisches, in seinem Herkunftsstaat bekanntes Unternehmen ist oder sein Heimatland einen wichtigen Markt darstellt, der als aufnahmefähig für die Aktienemission angesehen wird. Ein weiterer Grund kann darin liegen, dass ein deutsches Unternehmen ausschließlich einen englischsprachigen Wertpapierprospekt wünscht; diese Möglichkeit erschließt sich erst durch ein zusätzliches ausländisches Angebot, was dann typischerweise in Luxemburg stattfindet.

Zusätzliche öffentliche Angebote im EWR-Gebiet sind dank des europaweit vereinheitlichten Verfahrens der Prospektnotifizierung sehr leicht durchzuführen. Hierbei kann der in einem Land gebilligte und veröffentlichte Wertpapierprospekt für Angebote in weiteren Ländern verwendet werden, ohne dass es dort einer weiteren Anpassung, Prüfung und Billigung dieses Prospekts bedarf. Ausreichend sind die Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde im betreffenden Land und gegebenenfalls die Übersetzung der Prospektzusammenfassung in die jeweilige Landessprache.

Privatplatzierung in den USA nach Rule 144A

Eine Privatplatzierung von Aktien in den USA nach Rule 144A ermöglicht es, bestimmte US-Investoren (sog. „Qualified Institutional Buyers“ oder „QIBs“) anzusprechen, ohne den aufwendigen Registrierungspflichten gegenüber der dortigen Aufsichtsbehörde nachkommen zu müssen. Sie wird als sinnvoll angesehen, um zusätzliches Nachfragepotenzial, eine höhere Marktakzeptanz der Emission und gegebenenfalls auch Preisvorteile zu generieren. Dem stehen ein überschaubarer Mehraufwand und bestimmte zusätzliche Kommunikationsbeschränkungen im Rahmen der Transaktion gegenüber.

Häufig wird die reguläre Angebotsstruktur – ein öffentliches Angebot in Deutschland mit einer Privatplatzierung bei institutionellen Investoren in Europa – um eine solche zusätzliche 144A-Komponente ergänzt. Dies geschieht insbesondere dann, wenn es sich um ein größeres Emissionsvolumen handelt, ein internationales Bankenkonsortium gebildet wurde, das Unternehmen bereits einen Bezug zu den USA aufweist oder es in spezifischen Sektoren wie der Hochtechnologie- und Softwarebranche tätig ist. Der auf die 144A-Platzierung typischerweise entfallende Anteil beträgt etwa 10 % bis 20 % des gesamten Emissionsvolumens.

Ausländische Börsennotierung

Eine zusätzliche ausländische Börsennotierung kann sich in zwei Konstellationen ergeben: Entweder erwirbt ein ursprünglich nur im Inland börsennotiertes Unternehmen später eine zusätzliche Börsenzulassung an einer ausländischen Börse (Secondary Listing). Diese Zweitnotierung wird im EWR-Gebiet gefördert durch eine Regel zur prospektfreien Zulassung, wenn eine Erstnotierung bereits über einen bestimmten Zeitraum bestand und die daraus folgenden Verpflichtungen erfüllt wurden. Im Übrigen hat der Emittent für ein Zweitlisting typischerweise dieselben örtlichen Zulassungsvoraussetzungen zu erfüllen wie dort ansässige Unternehmen. Oder die weitere Börsenzulassung wird simultan mit der inländischen Erstnotiz angestrebt (Dual Listing). Dieses parallele Listing ist im EWR-Gebiet auf Basis eines einzigen Prospekts möglich, der im Rahmen des Notifizierungsverfahrens mehrfach verwendet werden kann.

Ähnlich wie bei mehrfachen öffentlichen Angeboten ist bei weiteren Börsennotierungen häufig eine internationale Präsenzsteigerung beabsichtigt. Mehrfache Listings sind insbesondere für multinationale Konzerne beliebt gewesen, jedoch scheint dieser Trend heutzutage rückläufig zu sein. Unterschiedliche Zulassungsfolgepflichten in den einzelnen Ländern können zu erhöhtem Aufwand führen, und zum Teil sprechen Liquiditätsbedenken gegen einen gleichzeitigen Handel der Aktien an mehreren Börsen.

Innerhalb des EWR-Gebiets können Dual Listings aber weiterhin attraktiv sein, da die Zulassungsfolgepflichten voll harmonisiert sind und regelmäßig eine Informationsveröffentlichung im Herkunftsstaat mit europaweiter Verbreitung ausreicht. Bei Großunternehmen kann ein zwischen unterschiedlichen Börsen entstehender Arbitragehandel sogar liquiditätssteigernd wirken. Ein weiteres Motiv liegt möglicherweise darin, die Abdeckung des Unternehmens durch Finanzanalysten zu steigern und zu internationalisieren. Bedeutende ausländische Börsenplätze wie die London Stock Exchange und die NYSE Euronext in Europa sowie die NASDAQ und die New York Stock Exchange in den USA sind auch für Zwecke eines Dual Listing relevant.

Hinweis aus der Praxis

Internationale Elemente in der Transaktionsstruktur deutscher IPOs sollten so früh wie möglich rechtlich geprüft und zwischen den Beteiligten schon in der Vorbereitungsphase erörtert werden. Die spätere Entscheidung für ein zusätzliches öffentliches Angebot im Ausland wird während der Durchführungsphase regelmäßig nur kleinere Änderungen im Entwurf des Wertpapierprospekts nachsichziehen. Jedoch erfordern eine weitere, parallele Börsennotierung im Ausland wie auch eine Privatplatzierung in den USA nach der Rule 144A intensivere Vorbereitungen schon zu Beginn der Durchführungsphase und können in einem späteren Zeitpunkt nicht immer ohne Zeitverzögerungen in die Transaktion integriert werden.


Autor: Dr. Dietmar Anders
PDF: Internationale IPOs