2.7. Umwandlungen vor einem IPO

Befindet sich das Unternehmen, dessen Gang an die Börse bevorsteht, noch nicht in der Rechtsform der AG, KGaA oder SE, muss es zunächst in eine dieser Rechtsformen umgewandelt werden. Zudem sind im Vorfeld eines Börsengangs häufig Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb des Konzerns erforderlich, z. B. um weitere Geschäftsbereiche auf den Börsenkandidaten zu übertragen oder um steuerliche oder organisatorische Maßnahmen umzusetzen.

Einbringung

Das Vermögen des Unternehmens, das an die Börse gebracht werden soll, kann etwa im Wege der Einzelrechtsnachfolge in eine existierende oder neu zu gründende AG, KGaA oder SE eingebracht werden. Die Übertragung der Vermögensgegenstände erfolgt dann einzeln nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Bei einer bereits bestehenden Gesellschaft kann das zu übertragende Vermögen als Einlage im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung, bei der Neugründung der Gesellschaft als Einlage im Rahmen einer Sachgründung eingebracht werden. Oftmals bietet sich jedoch, etwa aus steuerlichen Gründen, eine Umwandlung der existierenden Gesellschaft nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes an (insb. Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel). Diese erfolgt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, d. h. mit dem „automatischen“ Übergang des Vermögens als Ganzes (bzw. des Vermögensteils bei der Spaltung) auf den aufnehmenden Rechtsträger.

Verschmelzung

Eine Verschmelzung ist die Übertragung des gesamten Vermögens eines oder mehrerer Rechtsträger auf einen bereits bestehenden oder neu gegründeten Rechtsträger unter Auflösung des oder der übertragenden Rechtsträger. Den Anteilsinhabern der übertragenden Rechtsträger werden neue Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger gewährt.

Spaltung

Zur Abtrennung von einzelnen Unternehmensteilen in eine neue Rechtsform kommt eine Spaltung in Betracht. Diese kann unterschiedlich erfolgen: Bei der Aufspaltung überträgt ein Rechtsträger sein gesamtes Vermögen auf mindestens zwei bereits bestehende oder neu gegründete Rechtsträger und erlischt hierbei ohne Liquidation. Die Anteilsinhaber des aufspaltenden Rechtsträgers werden an den übernehmenden Rechtsträgern beteiligt.

Bei der Abspaltung wird nur ein Teil des Vermögens auf einen oder mehrere bestehende oder neu gegründete Rechtsträger übertragen. Im Übrigen bleibt der abspaltende Rechtsträger mit seinem verbleibenden Vermögen bestehen. Die Anteilseigner erhalten zu ihren Anteilen an dem abspaltenden Rechtsträger Anteile an dem neuen Rechtsträger hinzu (z. B. Abspaltung von Lanxess durch Bayer).

Bei der Ausgliederung erfolgt die Übertragung der Vermögensgegenstände auf eine Tochtergesellschaft. Sie ähnelt der Abspaltung mit dem Unterschied, dass Anteilsinhaber des aufnehmenden Rechtsträgers nicht die Anteilsinhaber des ausgliedernden Rechtsträgers werden, sondern der ausgliedernde Rechtsträger selbst. Es entsteht somit ein Mutter-Tochter-Verhältnis (Konzernverhältnis), das Grundlage für einen Börsengang einer Tochtergesellschaft (Equity Carve-out) sein kann.

Formwechsel

Bei einem Formwechsel, etwa von einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG in eine AG, findet – im Gegensatz zu den anderen Varianten der Umwandlung – keine Vermögensübertragung statt. Die wirtschaftliche und rechtliche Identität des formwechselnden Rechtsträgers bleiben unberührt. Durch die Umwandlung wird lediglich die Rechtsform und damit das zugrunde liegende rechtliche Regime gewechselt. Der ursprüngliche Anteilsinhaberkreis bleibt ebenso wie sämtliche Außenbeziehungen des Rechtsträgers unverändert bestehen.

Durchführung der Umwandlung

Sämtliche vermögensübertragenden Umwandlungen erfordern den Abschluss eines Vertrages zwischen den beteiligten Rechtsträgern (Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrag), denen die jeweilige Anteilseignerversammlung jeweils mit den erforderlichen Mehrheiten zustimmen muss. Über den Formwechsel fasst die Anteilseignerversammlung einen Beschluss, ohne dass diesem (mangels Beteiligung weiterer Rechtsträger) ein Vertrag zugrunde liegt. Gegebenenfalls sind weitere Maßnahmen, wie die Erfüllung von Berichtspflichten, die Einholung von Prüfungsberichten oder die Aufstellung von Umwandlungsplänen (z. B. Verschmelzungs- oder Spaltungsplan) erforderlich. Mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister ist die Umwandlung vollzogen. Im Zuge eines Rechtsformwechsels sind stets auch die steuerlichen und bilanziellen Aspekte der Umstrukturierung zu berücksichtigen, so dass gegebenenfalls auch in dieser Hinsicht zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind.

Fristen

Verfügt die betroffene Gesellschaft im Vorfeld des Börsengangs lediglich über einen überschaubaren Kreis an Gesellschaftern und sind diese mit der geplanten Maßnahme einverstanden, lässt sich die Umwandlung weitgehend unter Verzicht auf Form und Frist beschließen. Zu beachten ist jedoch, dass der Vertrag bzw. sein Entwurf einen Monat vor der Gesellschafterversammlung, die über eine Umwandlung beschließt, einem etwa vorhandenen Betriebsrat zugeleitet werden muss. Hat die Umwandlung, wie etwa die Verschmelzung, auf Grundlage einer Bilanz zu erfolgen, muss die Anmeldung spätestens acht Monate nach dem Bilanzstichtag erfolgen.


Autoren: Prof. Dr. Michael Schlitt / Dr. Susanne Schäfer / Dr. Thorsten Becker
PDF: Umwandlungen vor einem IPO