Ein Börsengang setzt die freie Handelbarkeit der angebotenen Wertpapiere voraus. Dementsprechend muss für den Börsengang eine Gesellschaftsform gewählt werden, deren Anteile frei handelbar sind. Diese Voraussetzung erfüllen in Deutschland nur die Aktiengesellschaft (AG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und die Societas Europaea (SE).
Aktiengesellschaft (AG)
Die AG ist die mit weitem Abstand am häufigsten verwendete Rechtsform börsennotierter Gesellschaften. Sie ist eine Publikumsgesellschaft mit einem offenen, häufig wechselnden Gesellschafterkreis und ihrer Konzeption nach als „Kapitalsammelstelle“ angelegt. Die AG verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit. Die Haftung der Aktionäre ist ausgeschlossen, das in Aktien zerlegte Grundkapital bildet das Mindesthaftkapital für Gläubiger der AG. Aktien einer börsennotierten AG sind regelmäßig voll gewinnberechtigt und mit jeweils dem gleichen Stimmrecht ausgestattet (Stammaktien). Daneben können auch Vorzugsaktien ausgegeben und an der Börse zugelassen werden, die ein Vorrecht bei der Verteilung des Bilanzgewinns, dafür aber in der Regel kein Stimmrecht in der Hauptversammlung gewähren.
Die Organe der Gesellschaft sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. In der AG ist die Geschäftsleitung weitgehend selbständig und von den Kapitalgebern abgekoppelt (Trennung von Eigentum und Management).
Die Geschäftsleitung und Vertretung der AG ist Aufgabe des (aus einer oder mehreren Personen bestehenden) Vorstands. Er handelt eigenverantwortlich und frei von Weisungen. Der Aufsichtsrat bestellt bzw. beruft den Vorstand ab und überwacht dessen Tätigkeit. Hierzu sind ihm entsprechende Befugnisse, wie etwa die Prüfung der Bücher und Abschlüsse oder die Etablierung von Zustimmungsvorbehalten zu einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen durch das Aktiengesetz zugewiesen. Der Hauptversammlung obliegt die Willensbildung und Beschlussfassung in den durch Gesetz festgelegten wesentlichen Gesellschaftsangelegenheiten. Hierzu zählen die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder, die Verwendung des Bilanzgewinns, die Entlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, die Bestellung des Abschlussprüfers, Satzungsänderungen, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung bzw. Kapitalherabsetzung sowie die Auflösung der Gesellschaft.
Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)
Die KGaA ist, vereinfacht ausgedrückt, eine Hybridform aus Kommanditgesellschaft und AG. Sie verfügt über zwei unterschiedliche Gesellschaftertypen, Kommanditaktionäre und (persönlich und unbeschränkt haftende) Komplementäre. Ähnlich der AG verfügt sie über drei Organe: die Hauptversammlung der Kommanditaktionäre, den Aufsichtsrat und die Komplementäre.
Die Komplementäre werden in der Satzung bestimmt. Ihnen obliegt die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft. Auch juristische Personen (z. B. GmbH) können die Funktion des Komplementärs übernehmen. Außergewöhnliche Geschäfte bedürfen der Zustimmung der Kommanditaktionäre. Der Aufsichtsrat führt Beschlüsse der Kommanditaktionäre aus und überwacht die Geschäftsführung ähnlich dem Aufsichtsrat der AG. Jedoch kommt ihm weder Personalhoheit über die Komplementäre zu, noch verfügt er über die Befugnis zur Aufstellung eines Katalogs von zustimmungspflichtigen Geschäftsführungsmaßnahmen. Die Stellung der Komplementäre ist also stärker als die des Vorstands einer AG. Grundlegende Beschlüsse der Hauptversammlung der Kommanditaktionäre, wie etwa Satzungsänderungen, Umwandlungen sowie die Auflösung der Gesellschaft, nicht aber die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern, die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder und der Komplementäre, unterliegen der Zustimmung durch die Komplementäre. Die Rechtsform der KGaA bietet im Vergleich zur AG größere gesellschaftsvertragliche Gestaltungsfreiheiten. Aus den reduzierten Kompetenzen des Aufsichtsrats folgt zudem eine mitbestimmungsrechtliche Privilegierung. Dennoch gilt die KGaA aufgrund ihrer wenig transparenten Struktur und der schwächeren Rechtsstellung der Kommanditaktionäre im Vergleich zur AG am Kapitalmarkt als weniger attraktiv und ist daher weitaus weniger verbreitet.
Societas Europaea (SE)
Die SE wurde im Jahr 2004 durch die VO (EG) Nr. 2157/2001 (SE-VO) – konkretisiert durch das vom Bundesgesetzgeber erlassene SE-Ausführungsgesetz und SE-Beteiligungsgesetz – eingeführt. Die SE kann danach nur bei Vorliegen eines grenzüberschreitenden Bezugs gegründet werden (z. B. durch Verschmelzung von Aktiengesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten oder als Holding-SE für Tochtergesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten). Für eine in Deutschland eingetragene SE gelten grundsätzlich die Regeln der AG entsprechend. In der jüngeren Vergangenheit wechselten mehrere börsennotierte Gesellschaften in die – an Bedeutung zunehmende – Rechtsform der SE. Die Organisationsverfassung der SE bietet Wahlfreiheit zwischen einem dualistischen und einem monistischem System. Im dualistischen System verfügt sie über ein Leitungs- und ein Aufsichtsorgan. Das monistische System sieht dagegen lediglich ein einziges Verwaltungsorgan vor. In jedem Fall verfügt die SE über eine Hauptversammlung der Aktionäre. Das dualistische System entspricht im Wesentlichen dem System einer deutschen Aktiengesellschaft. Im monistischen System fallen die Kompetenzen zur Geschäftsführung und Aufsicht im Verwaltungsorgan (Verwaltungsrat) zusammen. Die Hauptversammlung der Aktionäre ist im Wesentlichen entsprechend der deutschen AG geregelt.
Die Rechtsform der SE wird vor allem bei grenzüberschreitenden Fusionen und Restrukturierungen gewählt. Bei europaweiten Konzernstrukturen lässt sich so beispielsweise eine Verminderung der Organisationskosten des Konzerns erreichen. Das Wahlrecht zwischen monistischem und dualistischem System kann zudem den Marktbedingungen besser Rechnung tragen. Die Rechtsform der SE kann unter Umständen auch zu positiven externen wie internen psychologischen Effekten verhelfen (Europäisierung von Image, Goodwill sowie Corporate Culture und Identity).
Autor: Prof. Dr. Michael Schlitt / Dr. Susanne Schäfer / Dr. Thorsten Becker
PDF: Rechtsformen für ein IPO